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Ausgabe:

Juli/August/2020

Spalte:

743–745

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Riegger, Manfred

Titel/Untertitel:

Handlungsorientierte Religionsdidaktik. Teil 2: Unterrichtsmethoden.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2019. 337 S. m. 37 Abb. = Religionspädagogik innovativ, 28. Kart. EUR 37,00. ISBN 978-3-17-036416-5.

Rezensent:

Friedrich Schweitzer

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Riegger, Manfred: Handlungsorientierte Religionsdidaktik. Teil 1: Haltungen, Wirkungen, Kommunikation. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2019. 213 S. m. 32 Abb. = Religionspädagogik innovativ, 27. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-17-034958-2.


Diese beiden Bände von Manfred Riegger verdienen besondere Beachtung, weil es hier nicht einfach – wie der Untertitel von Teil 2 »Unterrichtsmethoden« suggerieren könnte – um eine weitere Darstellung solcher Methoden für die Praxis geht. Vielmehr ist der Titel des Werkes so zu verstehen, dass hier tatsächlich eine Religionsdidaktik im umfassenden Sinne vorgelegt wird, in der Perspektive der Handlungsorientierung, und dass die Unterrichtsmethoden konsequent in diesen didaktischen Rahmen eingefügt werden sollen. Dem Vf. ist an einer didaktischen Perspektive gelegen, die das Unterrichten nicht auf eine bloße Methodenapplikation reduziert.
Dem Verständnis der »handlungsorientierten Religionsdidaktik« – dieser Begriff war in dieser Disziplin bislang nicht geläufig – ist der erste Band gewidmet, mit einem ausführlichen grundlegenden Teil (11–96) sowie zwei weiteren Teilen, die gleichsam einen Übergang zur Unterrichtsgestaltung darstellen, nämlich zur Un­terrichtsdramaturgie (97–157) sowie zu Sozialformen im Unterricht (158–199). In der Grundlegung macht der Vf. deutlich, dass diese Didaktik einen doppelten Akzent einschließt, bei der Handlungsorientierung, aber auch bei der Wirkungsorientierung (11). Sie soll also einerseits zum unterrichtlichen Handeln befähigen bzw. dieses unterstützen, dann aber auch – darin liegt eine wichtige Innovation – konsequent nach der Wirksamkeit des Unterrichts fragen, im Sinne der empirischen Bildungsforschung wo immer möglich mit Hilfe empirischer Verfahren und entsprechenden Be­funden (18). Früheren Veröffentlichungen des Vf.s folgend wird das Unterrichten auch im »Habitus« der Lehrkräfte verankert gesehen (23). Dadurch gewinnt dieser Ansatz zugleich Anschluss an die Professionalisierungsdiskussion, etwa in der Lehrerbildung.
Der Vf. hebt zu Recht hervor, dass sich der Ansatz einer solchermaßen »handlungsorientierten Religionsdidaktik« von anderen Religionsdidaktiken dadurch abhebt, dass diese vor allem auf einer »Metaebene« operieren – etwa im Blick auf konzeptionelle Entscheidungen oder eben in Bezug auf die sogenannten »Konzeptionen« von Religionsunterricht –, »aber didaktisches Handeln und Reflektieren in der Umsetzung nur ansatzweise berücksichtigen« (33). Mit anderen Worten: Nur selten erreiche die religionsdidak-tische Diskussion bislang die Realität des Unterrichts. Genau dies aber soll sich mit dem »handlungsorientierten« Ansatz ändern. Vor diesem Hintergrund lässt sich der vorliegende Entwurf auch so verstehen, dass hier – man kann durchaus sagen: erstmals – eine minutiöse Durchdringung der realen Praxis von Religionsunterricht in z ahlreichen Hinsichten versucht wird, um auf diese Weise die grundlegende Bedeutung entsprechender Gestaltungsaufgaben hervorzuheben.
Bei der Unterrichtsdramaturgie geht es bekanntlich um die »Artikulation des Unterrichts« im Sinne eines »zeitlichen Ablaufs« (97). Eine solche Artikulation bildet den Rahmen für die Methoden, die dann im Unterricht eingesetzt werden. Ähnliches gilt für die Sozialformen im Unterricht (158), also etwa für Fragen der (inneren) Differenzierung, des Frontalunterrichts sowie diverser Formen der Kooperation im Unterricht. Insofern wird hier der Rahmen thematisiert, in dem sich die einzelnen Ausgestaltungen von Unterricht mit ihren je spezifischen Unterrichtsmethoden bewegen. Der Band schließt mit dem für den Vf. bezeichnenden Satz: »Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Unterrichten!« (200) Man merkt es der Darstellung schnell an, wie sehr dem Vf. an einer konstruktiven Unterstützung nicht nur der Kinder und Jugendlichen, sondern auch der Religionslehrkräfte gelegen ist.
Der zweite Teilband kommt in seinem Aufbau herkömmlichen Darstellungen zur Unterrichtsmethodik dann aber doch näher, als dies vom ersten Band her zu erwarten war. Nach grundlegenden Teilen zum »sprachlichen Handeln« (Vortrag – Frage – Gespräch, 15–89) sowie zum »textorientierten Handeln« (Text – Textarbeit – mit Texten arbeiten, 90–132) im Religionsunterricht werden in acht Kapiteln unterschiedliche methodische Formate sowie Einzelmethoden dargestellt, immer in der Perspektive der Handlungsorientierung: visuelle und audiovisuelle (133–149), spielorientierte (150–175), musika-lische bzw. musikbezogene (176–184), spiritualitätsbezogene (185–210), freie und projektorientierte (211–249), digital gestützte (250– 271), wirkungssensible (272–292) sowie disziplinunterstützende Handlungsformen (293–320). In einer enormen Fülle und mit großer Liebe zu Details werden all diese methodischen Möglichkeiten informativ, verlässlich und kreativ sowie mit klaren Definitionen und immer wieder interessanten Beispielen so dargestellt, dass sie gerade auch für Studierende oder Berufsanfängerinnen und -anfänger den Zusammenhang von Unterricht und unterrichtlichem Handeln in grundlegender Weise erschließen. In diesen Teilen tritt der Lehrbuchcharakter der Veröffentlichung besonders deutlich hervor. Ebenso eignet sich dieser Band aber auch als Nachschlagewerk, in dem sich zu zahlreichen Aspekten des Unterrichts hilfreiche praxisorientierte Erläuterungen und Anregungen finden.
Auf die Einzelausführungen kann im Rahmen einer knappen Rezension naturgemäß nicht weiter eingegangen werden. Besondere Hervorhebung verdient sicherlich etwa das Kapitel zu Fragen der Digitalität, die für den Religionsunterricht insgesamt noch wenig geklärt sind. Hier wird zunächst – ähnlich wie in den anderen Kapiteln – eine orientierende Einführung in den Stand der Diskussion geboten. Daran schließen sich Hinweise zu interaktiven Whiteboards, zu Lernsoftware und Lernvideos u. a. an, die wiederum sehr konkrete Aufgaben des handelnden Gestaltens betreffen.
Es ist dem Vf. durchaus gelungen, den gewählten Zugang über die »Handlungsorientierung« in diesem umfangreichen Werk tatsächlich durchzuhalten. Wenn dies hinsichtlich der »Wirkungsorientierung« nicht gleichermaßen gelingt, ist dies nicht einfach dem Vf. anzulasten, sondern dem Stand der religionsdidaktischen Forschung. Über weite Strecken lassen die bislang in diesem Forschungsbereich vorliegenden empirischen Untersuchungen kaum Aufschlüsse über die tatsächliche Wirksamkeit der in der Literatur verbreiteten konzeptionellen Vorstellungen oder einer entsprechenden methodischen Ausgestaltung von Unterricht zu, was das kritische Urteil des Vf.s im Blick auf bloß metatheoretische religionsdidaktische Ansätze weiter bestätigt. Mitunter ist der Vf. deshalb darauf angewiesen, doch auf die – berühmten, wissenschaftlich aber aus der gerade von ihm beschriebenen Sicht zu problema tisierenden – »Erfahrungen aus der Praxis« zurückzugreifen. So hilfreich sich seine Empfehlungen vielleicht auch erweisen mögen, wäre es doch wünschenswert gewesen, noch genauer auch die Grenzen des religionsdidaktischen Forschungsstandes offenzulegen und dadurch die weitere Forschung anzuregen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wie welche Strategien zur Herstellung von Disziplin im Religionsunterricht wirken, ist wissenschaftlich bislang nicht untersucht. Es steht zu hoffen, dass die minutiöse, auch das Detail nicht scheuende Durchdringung des Religionsunterrichts in diesen beiden Bänden ihren Widerhall nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Forschung finden wird.