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Ausgabe:

Juli/August/2020

Spalte:

709–711

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Towey, Anthony

Titel/Untertitel:

An Introduction to Christian Theology. 2nd Edition.

Verlag:

London u. a.: Bloombury T & T Clark 2018 (1. Aufl.: 2013). 608 S. Geb.US$ 122,00. ISBN 978-0-567-67820-1.

Rezensent:

Katrin Bosse

Anthony Toweys »Einführung in Christliche Theologie« in der 2. Auflage von 2018 unternimmt – gut lesbar und konsequent in einer für Laien verständlichen Übertragung der theologischen Fachsprache – den eindrücklichen Versuch, in »nachdenklichem Gespräch über Gott« (»thoughtful conversation about God«, T.s Definition von Theologie, XX u. ö.) Leser – auch ohne theologische Vorkenntnisse – mit christlichem Denken vertrauter zu machen und so in einem einzigen Band nicht nur eine Einführung in die Dogmatik, sondern zugleich eine Einführung in die Bibelwissenschaften und eine Sammlung von zentralem Quellenmaterial zu präsentieren. Durch die gewählte geschichtliche, nicht thematische Gliederung ist das Buch wohl am ehesten als Einführung in die Theologiegeschichte zu charakterisieren. Auf eine Gesamt-Darstellung christ lichen Wirklichkeitsverständnisses entlang der theologischen Themenschwerpunkte der Dogmatik verzichtet T., obwohl seine christliche Weltsicht natürlich zwischen den Zeilen und in den wenigen thematisch orientierten Kapiteln zum Tragen kommt.
Die 2. Auflage des Werks ist um ein Kapitel erweitert, das der Einsicht Rechnung trägt, dass der christliche Glaube das Gespräch über Gott nicht ohne das Gespräch mit Gott denken oder führen kann: Kapitel 24 »Dialoge im Gebet« versteht, neben einer Reflexion zum Gebet im engeren, liturgischen Sinn des Wortes, Gebet in einem weiten Sinn »in der Liturgie des Lebens«, also als Lebenshaltung. Es geht exemplarisch auf Gestalten der Nachfolge – auch hier wieder mit Hilfe ausgewählter Kurzbiographien – ein. Es ist er­staunlich, dass in diesem Zusammenhang dem Gespräch Gottes mit dem Menschen als Eröffnung und Ermöglichung der Gespräche mit und über Gott – der Rede von der Offenbarung und den Prolegomena der Dogmatik – keine eigene Position in der Gliederung zukommt, die über die Bemerkungen im ersten Kapitel zur Beziehung von Theologie und Glauben und zur Hermeneutik (mit Hilfe der Begriffe von »Interpretation« und »Paradox«) hinausgeht .
Weiter ergänzt ist das Buch in der 2. Auflage durch die Bereitstellung von Videomaterial zu jedem Kapitel (www.bloomsbury. com/ cw/an-introduction-to-christian-theology-2nd-edition/). Hierbei handelt es sich um fünf- bis zehnminütige Einführungen in jedes Kapitel durch T. als Hilfestellung für Studierende wie Lehrende. In der Regel heben sie den Gesamtgedankengang des Kapitels hervor und unterstreichen gelegentlich Einzelaspekte. (Im Vorwort zur 2. Auflage heißt es über das digitale Material: »[T]his takes the form of a series of short recorded introductions and chapter by chapter presentation slides supporting each of the topics« [XXII]. Folien zur Präsentation scheinen allerdings [bislang?] nicht zugänglich zu sein.)
T. (Studium und Promotion an der Gregoriana in Rom) ist Professor an der katholischen University of St Mary’s, Twickenham, London und Direktor des dortigen »Aquinas Centre for Theological Literacy«, eines religionspädagogischen katholischen Zentrums des Erziehungswissenschaftlichen Institutes. Diese religionspädagogische Ausrichtung in Verbindung mit den beruflichen Erfahrungen T.s in der Praxis sowie sein Mut zur Elementarisierung sind prägend für seine Einführung in christliche Theologie (auch) für Menschen ohne besondere Vorkenntnisse. Die katholische Herkunft T.s findet im Buch keine explizite Erwähnung, obwohl sie im Zugang auf und in der Behandlung von manchen Themen (vgl. besonders Kapitel XVII »Sakramente«) durchaus Spuren hinterlassen hat. Gerade in einer an Laien gerichteten Einführung wäre die Benennung dieser Verortung durchaus zur Klärung der Perspektivität (anstelle eines Versuchs größtmöglicher Neutralität) (und jeder theologischen Position) und der ökumenischen Offenheit des Buches sinnvoll gewesen.
Neben einer Einleitung (Teil 1) und einem Anhang (Teil 6 mit Literaturnachweisen – der inhaltliche Teil des Buches kommt ohne Fußnoten aus! –, Textauszügen aus Quellen und Empfehlungen zur weiteren Lektüre) ist das Buch in vier Teile gegliedert: Theologie des Alten Testaments (unter den Stichworten »Schöpfung und Bund«, des Neuen Testaments (des »Jesus-Ereignisses«) und der »Klassischen Periode« (von der Alten Kirche bis einschließlich zur Reformationszeit) und moderne bzw. gegenwärtige Gesprächskontexte, wie z. B. Theologie im Gegenüber zu Philosophie (Kapitel 19), Naturwissenschaften (Kapitel 20), Anthropologie (Kapitel 21), auch hier vornehmlich in einem theologiegeschichtlichen Zugang. So wird z. B. die Beziehung von Theologie und Naturwissenschaft nach einer kurzen bibelwissenschaftlichen Überlegung in Unterkapiteln über Kopernikus und Galileo, Newton, Leibniz und die Theodizee, Darwin, Einstein und schließlich Big Bang und das Anthropische Prinzip expliziert. Im Folgenden (Kapitel 22) werden unterschiedliche Stimmen und Perspektiven der Theologie präsentiert – von Kierkegaard und Nietzsche bis zur feministischen Theologie und Mariologie (ein weiterer Hinweis auf die katholische Prov enienz des Buches), um dann zu den Kapiteln zur Ethik, zum Gebet und zur ökumenischen bzw. interreligiösen Frage und schließlich einem abschließenden – oder präziser: einem zur theologischen Vertiefung einladenden und offenen – Kapitel »Dialog und Zukunft« weiterzuführen.
T.s Erzählgabe – verbunden mit der Präsentation oft eher ungewöhnlicher Details, z. B. in den biographischen Einblicken – macht dieses umfassende und ambitionierte Buch zu einem lesenswerten Einstieg in Grundfragen der Theologiegeschichte. Immer wieder werden Diskussionen und Gesprächsperspektiven eröffnet oder scheinen in der Schwerpunktsetzung auf, wie sie nach meiner Er­fahrung typischerweise z. B. mit Schülern und Schülerinnen, die nicht im kirchlichen Umfeld aufgewachsen sind, im Religionsunterricht an weiterführenden Schulen entstehen. Die Gegenüberstellung von Theologie und Philosophie oder von Theologie und Naturwissenschaften sind dafür beispielhaft. Solche Anknüpfung scheint mir eine große Stärke dieser Einführung in christliche Theologie zu sein – in der Tat sind es nicht nur in England, sondern wohl auch in Deutschland diese Menschen, die theologische Einführungsveranstaltungen an den Universitäten besuchen oder in anderem Kontext einen Zugang zur Theologie (und ihrer Philosophie) suchen.
Hingewiesen sei hier aber auch auf vornehmlich zwei Begrenzungen der Reichweite einer so gearteten Einführung in die christliche Theologie: Eine solche Einführung – besonders in der Breite, in der sie angelegt ist – muss sich im Blick auf die Explikation der Denkprobleme und ihrer Lösungsgeschichte beschränken. Gelegentlich führt das zu Schwerpunktsetzungen oder Auswahlen, die nicht als repräsentativ für die theologische Wissenschaft angesehen werden können. Am deutlichsten wird das m. E. in Kapitel 23 zur Ethik, wo auf je zwei bis drei Seiten ethische Gedankengänge zu den Themen »Beginn und Ende des Lebens« (386–389), »Krieg und Frieden« (389–392), »Umwelt« (392–395) und »Sex, Familie, Beziehungen« (395–398) präsentiert werden, die – ohne eine grundle-gende Explikation christlicher Anthropologie – auf diesem engen Raum willkürlich erscheinen müssen.
Als Einführung in den Inhalt christlichen Glaubens, eine erste Bekanntmachung mit dem christlichen Bekenntnis, ist T.s Werk zu theologiegeschichtlich orientiert und nicht explizit an einer Ge­samtdarstellung der Glaubensartikel oder eines christlichen Wirklichkeitsverständnisses interessiert. Hierfür wäre wohl eine themenbezogene Gliederung doch geeigneter gewesen. Die Empfehlung für meine Studierenden der ersten Semester, für interessierte Laien oder für Unterrichtende in Religion oder Theologie, die von der Kunst T.s zur Elementarisierung profitieren wollen, wäre also – entgegen T.s Vorhaben, durch sein Buch drei andere zu ersetzen – diese lesenswerte und ertragreiche theologiegeschichtliche Einführung durch eine thematisch orientierte Einführung in den christlichen Glauben zu ergänzen – und für Fragen der Ethik eine Einführung in christliche Ethik zur Hand zu nehmen. Das aber entspräche ganz T.s Motto, Konversation als Paradigma der Reflexion des Glaubens in der Theologie zu verstehen – ein spannendes Unterfangen nicht nur in der katholischen Theologie, sondern auch in reformatorischer oder orthodoxer Perspektive.