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Ausgabe:

Juni/2020

Spalte:

578–579

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Andreae, Johann Valentin

Titel/Untertitel:

Deutschsprachige Dichtungen. Deutsch/Latein. Hrsg. v. V. Wels. Unter Mitarbeit v. F. Böhling.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2019. 588 S. m. 11. Abb. = Gesammelte Schriften, 15. Lw. EUR 248,00. ISBN 978-3-7728-1443-3.

Rezensent:

Hermann Ehmer

Der Band versammelt die deutschen Dichtungen Johann Valentin Andreaes, soweit sie nicht im Rahmen dieser Edition anderweitig erschienen sind oder in andere Zusammenhänge gehören. Es handelt sich hier um anlass- und adressatenbezogene geistliche Dichtungen, von denen einige nur in einem einzigen Druck überliefert sind. Dies lässt auf eine niedrige Auflage der bestimmten Personen zugeeigneten Drucke schließen, weshalb vieles dieser Art als verloren gelten muss.
Das erste Stück ist die Geistliche Kurtzweil, eine Sammlung von durchaus unterschiedlichen Dichtungen, die bereits von A. herausgegeben worden ist. Der wichtigste Überlieferungszeuge ist ein (Teil-)Druck, der 1615 unter dem Pseudonym Huldrich Starckmann erschien. Dieser Text wurde 1991 von Reinhard Breymayer, der das Pseudonym entschlüsselte, herausgegeben.
In einem ersten Teil enthält die Kurtzweil, die man als erbauliche Unterhaltung bezeichnen kann, Dichtungen, die an bestimmte Personen aus dem Verwandten- und Freundeskreis von A., wie seiner Mutter Maria, und an Schwiegervater und Schwiegermutter Grüninger, dann Christoph Besold und dessen Frau Barbara und etliche andere gerichtet sind. Die zweite Gruppe sind Übersetzungen aus dem Französischen und dem Italienischen. Die letzteren sind Übersetzungen von Sonetten Tommaso Campanellas, die A. zuerst auf Deutsch veröffentlichte, bevor sie auf Italienisch er­-schienen.
Das bekannteste Stück der Geistlichen Kurtzweil ist Das gute Leben eines rechtschaffenen Dieners Gottes. Dieses Gedicht, das man eine Pastoraltheologie nennen kann und von dem eine leicht gekürzte Edition von Johann Gottfried Herder vorliegt, hat A. seinem Nachbarpfarrer Johannes Huttenloch in Illingen (1592–1622 daselbst) gewidmet. Ob der Text vielleicht doch nicht von A., sondern von Huttenloch stammt, wird von den Herausgebern problematisiert. Huttenloch war Schwiegersohn des Vaihinger Pfarrers und späteren Maulbronner Abts Johann Magirus (1537–1614). Dies dürfte doch wohl eine Widmung an Huttenloch nahelegen.
Hinzuweisen ist in der Kurtzweil noch auf Summarien über die beiden ersten Bücher von Johann Arndts Wahrem Christentum. Diese erinnern daran, dass in der württembergischen Kirche in den Wochengottesdiensten die Summarien von Veit Dietrich über das jeweils verlesene Kapitel der Bibel zu Gehör gebracht wurden. Insofern war der Begriff hier durchaus geläufig.
Die beiden folgenden Texte, Ehrenspiegel und Flos virtutum, ge­hören zusammen. Sie sind den Eltern des früh verstorbenen Ehrenreich Hohenfelder gewidmet, die als österreichische Adlige im Exil in Esslingen lebten. Diese hatten ihren Sohn A. zur Erziehung anvertraut. Neben dem lateinischen Text in Prosa, der dem Vater zugeeignet ist, steht das deutsche Gedicht für die Mutter, die beide die Tugenden des Sohnes schildern und seinen Tod beklagen. Zu­sammen mit einem Trauergesang und der (hier nicht abgedruckten) Trauerpredigt seines Kollegen Machtolff bilden diese Texte eine Gedenkschrift für den Verstorbenen.
Es folgt A.s Übersetzung von Guillaume Salluste du Bartas (1544–1590), Triomphe de la foy, die der Straßburger Musiker Chris-toph Thomas Walliser vertont hat. Als Faksimile ist die Vertonung der ersten Strophe der Übersetzung beigegeben. Dem Triumph des Glaubens geht in vier Gesängen die Auseinandersetzung mit den Gegnern voraus.
In ähnlicher, theatralischer Form kommen die hier folgenden »Kinderspiele« einher. Das erste handelt von Maria und dem Christkind, verfasst auf Neujahr 1630. Hier treten zwölf Tugenden auf, die die Bedeutung der Menschwerdung beschreiben. Ein zweites Stück erläutert das Augsburger Bekenntnis von 1530, ein drittes stellt Leben, Lehre und Leiden Christi dar. Es ist gut denkbar, dass diese Stücke aufgeführt oder zumindest mit verteilten Rollen gelesen wurden. Diese Texte belegen die katechetischen und didaktischen Bemühungen A.s, wozu auch die von ihm veranlassten (nicht erhaltenen) Ausmalungen der Kirchen in Vaihingen und in Calw gehören. In Calw scheint es sich aber nicht um wandfeste Male-reien, sondern um Bilder der biblischen Geschichte gehandelt zu haben, die »auffgehencket« waren und von A. in einem Gedicht er­läutert werden.
Zum Schluss folgen noch Gedichte, die verschiedenen Personen gewidmet sind, wie der Herzogin Ursula, der zweiten Gemahlin von Herzog Ludwig von Württemberg (* 1554, † 1593). Hier muss Anm. 19 auf S. 554 dahingehend verbessert werden, dass die geborene Pfalzgräfin Ursula als Dreizehnjährige 1585 den Herzog heira-tete. Zuletzt werden noch Gedichte geboten, die A. etlichen Calwer Mitbürgern gewidmet hat.
Ein Personenverzeichnis rundet den Band ab, der einen we­nig gekannten Teil des literarischen Schaffens von Andreae darbietet.