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Ausgabe:

Mai/2020

Spalte:

420

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wolter, Michael

Titel/Untertitel:

Jesus von Nazaret.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Neukirchener Theologie) 2019. 331 S. m. 3 Ktn. = Theologische Bibliothek, 6. Geb. EUR 35,00. ISBN 978-3-7887-3406-0.

Rezensent:

Ingo Broer

Die in der Reihe »Theologische Bibliothek« erschienene Arbeit des früheren Bonner Neutestamentlers Michael Wolter zum historischen Jesus richtet sich sowohl an Theologen als auch an theologisch Interessierte und behandelt das gesamte Themenfeld, beginnend mit der Problematik der Rückfrage nach dem historischen Jesus und den Quellen bis zum Prozess und einem Ausblick auf Ostern. Die jeweiligen Ausführungen basieren auf dem Stand der Forschung und orientieren umfassend und nachvollziehbar. Zitate aus Altem Testament und Judentum, die entweder die Parallelität zwischen Jesus und dem Judentum oder die Besonderheit der jesuanischen Vorstellungswelt belegen, finden sich reichlich. Manche Fragen werden zu Recht mit Hinweis auf eindeutige Forschungsergebnisse nur im Vorübergehen behandelt.
Der Schwerpunkt der Botschaft Jesu liegt auf der Königsherrschaft Gottes, deren beginnende Durchsetzung auf Erden Jesus in der Offenbarungsvision von Lk 10,18 deutlich geworden ist. Die Gottesherrschaft ist in Jesu Wirken bereits punktuell präsent und zugleich noch ausstehend. Damit ist aber nicht nur das Zentrum der Botschaft Jesu beschrieben, sondern zugleich eine umfassende Perspektive gewonnen, die weitere Elemente von Jesu Botschaft (z. B. die Bedeutung der Wunder, das Verständnis der Mahlgemeinschaften, der Umgang mit Zöllnern und Sündern und das Selbstverständnis Jesu) beleuchtet.
Die Ausführungen sind – trotz der Zielgruppe! – durchaus differenziert, was sich an vielen Abschnitten dokumentieren lässt, z. B. bei der Behandlung der christologischen Hoheitstitel: Während die Bezeichnung »Sohn Gottes« der nachösterlichen Entwicklung zugeschrieben wird, wird die eine Gruppe der Menschensohnworte, wo Jesus von sich und in Bezug auf sein gegenwärtiges Wirken spricht, dem historischen Jesus zugewiesen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Titel, sondern in Anlehnung an den Sprachgebrauch im Buch Ezechiel um eine Abgrenzung von Gott: Jesus ist kein auf die Erde herabgekommenes himmlisches Wesen, sondern ein Mensch! Oder: Der Hohe Rat als solcher war an dem Vorgehen gegen Jesus nicht beteiligt, aber Urheber dieses Vorgehens waren ausschließlich Mitglieder des Hohen Rates.
Es handelt sich um eindrucksvolles kleines Buch, dem viele Leser zu wünschen sind!