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Ausgabe:

April/2020

Spalte:

313–315

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Tamcke, Martin [Hrsg./Ed.]

Titel/Untertitel:

Makarios/Symeon in östlicher Überlieferung. Macarius/Symeon in Eastern Tradition. Beiträge des VIII. Makarios-Symposiums, Bergvik 2014.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2016. 127 S. m. 1 Abb. u. 17. Tab. = Göttinger Orientforschungen. I. Reihe: Syriaca, 49. Kart. EUR 29,80. ISBN 978-3-447-10579-8.

Rezensent:

Katharina Heyden

Symeon von Mesopotamien, der geistliche Kopf der seit dem 4. Jh. als »Messalianer« bekämpften spirituellen Bewegung in Syrien und Kleinasien, zugleich der Autor der einem Ägypter Makarios zugeschriebenen 50 Geistlichen Homilien, ist eine historisch schwer fassbare, aber wirkungsgeschichtlich umso einflussreichere Gestalt. Seit dem Pietismus und bis heute berufen sich geistliche Erneuerungsbewegungen auf ihn und seine pneumatisch geprägte Erfahrungstheologie.
Ein Meilenstein in der Forschung waren die Werke des Göt-tinger Patristikers Hermann Dörries, der zunächst in seiner 1941 publizierten Studie »Symeon von Mesopotamien. Die Überlieferung der Messalianischen ›Makarios‹-Schriften« die Identität von Makarios und Symeon nachwies und später, in der 1978 postum erschienenen Monographie »Die Theologie des Makarios-Symeon«, die wichtigsten Topoi seiner Theologie systematisch entfaltete. Die seit 1980 in finnisch-deutscher Kooperation organisierten Ma­karios-Symposien widmen sich einerseits theologischen Grundthemen und andererseits der reichen Wirkungsgeschichte dieses Kirchenvaters. Der hier zu besprechende schmale Band dokumentiert zehn in Thematik, Länge und Sorgfalt sehr unterschiedliche Vorträge, die im Jahr 2014 in Bergvik gehalten wurden. Er repräsentiert den besonderen Reiz, aber auch die typische Problematik der Gattung Sammelband: Verschiedene Perspektiven, wissenschaftliche Themen und Publikationsstile werden unter einem Titel zusammengefasst, ohne dass eine inhaltlich systematisierende und formal redigierende Hand die Konsistenz als Buch sichergestellt hätte.
Gunnar af Hällström betrachtet Origenes, Dionysos Areopagita in Hinblick auf die von Altaner & Stuider sowie Quasten in ihren Lehrbüchern zur Patrologie aufgestellten vier Kriterien für einen Kirchenvater: doctrina orthodoxa, sanctitas vitae, approbatio ecclesiae und antiquitas. Den eigenen patristischen Werdegang reflektierend, stellt er die Geltung des ersten Kriteriums in Frage und plädiert dafür, die Übereinstimmung mit der orthodoxen Lehre durch die pietas bzw. lex orandi zu ersetzen.
Reinhard Staats möchte in einem nicht sehr stringent argumentierten Beitrag zeigen, dass die byzantinischen Bildergegner vom Messalianismus, na­mentlich von den Makarios-Homilien geprägt waren, da dort die Vorstellung entfaltet wird, dass Christus in der Seele des Menschen als Bild gegenwärtig sein muss. Intensiv geht er auf die von ihm seit 1984 vertretene Abhängigkeit Gregors von Nyssa von Makarios ein, ohne jedoch die Bedeutung eines von beiden für die Bildergegner nachzuweisen.
Martin Tamcke skizziert auf vier knappen Seiten die Jerusalem-Metaphorik im Logos des Makarios. Dabei sei der Stadtname eine Metapher für die Seele der einzelnen Gläubigen, wobei das himmlische Jerusalem die kontemplative Ruhe, das untere Jerusalem den irdischen Gegenpol symbolisiere.
Martin Illert un­tersucht die Rezeption des Makarios im spätmittelalterlichen Bulgarien und weist nach, dass das griechische Erbe in den innerslawischen Disputen des 14. Jh.s mit Selbstverständlichkeit rezipiert wurde, was er als Zeichen für die große Bedeutung der byzantinischen Kirche für die Slawen wertet.
Pablo Argárate möchte den Einfluss des Makarios auf Joseph Ḥazzâyâ, den Theoretiker der »nestorianischen« Mystik im 8. Jh., aufzeigen. Die von ihm genannten Mo­tive der Herzensmystik und der spirituellen Sinnlichkeit finden sich jedoch auch bei anderen Autoren, etwa bei Evagrios Pontikos. Auch das Motiv des Feuers, das Argárate im Werk des Joseph etwas detaillierter nachweist, bleibt für Makarios nur sehr allgemein als »symbol of divine operation« bestimmt, so dass am Ende nur ein »Macarian spirit« (60), keine direkte Beeinflussung auf das Werk des großen syrischen Theologen ausgemacht werden kann.
Jobst Reller widmet sich dem Topos von der Entwurzelung des Bösen in der syrischen Theologie. Auch hier bleiben gerade die Aussagen über dieses Motiv bei Makarios vage: Es wird auf den Forschungsstand bei Dörries verwiesen, und die Vermutung, dass das Motiv der Wurzelsünde und der Entwurzelung des Bösen bei späteren syrischen Theologen ein »Nachklang des Topos des Makarios Symeon« sei (70), wird leider nicht an konkreten Textstellen plausibilisiert. Vielleicht lassen sich mehr als vage Anklänge auch tatsächlich nicht nachweisen.
Der arabischen Rezeption sind die beiden französischsprachigen Artikel von Vincent Deprez und Hanna Skandar gewidmet. Ersterer erstellt das Gerüst für ein griechisch-arabisches Lektionar von Schlüsselbegriffen der Epistola magna anhand des Codex Vaticanus Arabicus 84 (ohne dass diese Auswahl begründet würde). Dabei zeigt sich, dass häufig mehrere arabische Begriffe für ein griechisches Wort gefunden wurden. Unklar bleibt, ob die Bibelzitate auf eigene Übersetzungen des Schreibers oder auf eine arabische Bibel zurückgehen. Leider werden die arabischen Begriffe nur in lateinischer Umschrift präsentiert. Hanna Skandar wirft anhand von Parallelmotiven im Koran und bei Makarios, vor allem anhand des Motivs vom Eingedenksein Gottes ( μνήμη θεοῦ bzw. zikr), die interessante Frage nach der Richtung der Beeinflussung auf: Kannte man im Umfeld der Entstehung des Koran den Makarios, oder hat der arabische Makarios den Koran geprägt? Skandar hält Letzteres für wahrscheinlicher und den arabischen Makarios daher für eine direkte Quelle und zugleich ein wichtiges Hilfsmittel bei der Koranexegese (»Une source du Coran & Une mine de son exégése«). Die Idee ist faszinierend, doch wird man auch hier kaum methodisch zuverlässig zwischen allgemeinen Tendenzen und Vorstellungen im syro-arabischen Christentum des 7. Jh.s und ganz konkreten Rezeptionsvorgängen unterscheiden können.
Der bis hierin bereits bunte Reigen wird beschlossen von zwei Beiträgen, die eher berichtenden Charakter haben. A. G. Dounaev stellt seine im Jahr 2002 in russischer Sprache erschienene Ausgabe der Geistlichen Homilien und Briefe des Makarios vor, in der er die Dörries-These von der Autorschaft des Symeon bestätigt und die These vertritt, dass syrische Mönche diese Werke missbraucht hätten und der Messalianismus-Vorwurf gegen Symeon selbst blanke Polemik byzantinischer Theologen gewesen sei.
Hans-Olov Kvist blickt abschließend auf die Geschichte der Makarios/Symeon-Symposien seit 1980 zurück. Dass er 13 Symposien aufzählt, steht in eigenartigem Gegensatz zur Zählung auf der Titelei des vorliegenden Bandes, derzufolge das hier dokumentierte das achte Symposion ist. Die Zahl bezieht sich offenbar nur auf die publizierten Treffen. Nachdenklich stimmen Kvists Bemerkungen zur Schwierigkeit einer Systematisierung der Makarios-Forschung (123 f.), vor allem im Blick auf die Wirkungsgeschichte. Er bemerkt zu Recht: »Wenn das Interesse auf eine zeitlich vom Ursprung fern liegende Wirkungsgeschichte gerichtet wird, läuft man leicht Gefahr, die Verbindung mit den Wurzeln zu verlieren.« Vielleicht besteht aber zugleich auch die umgekehrte Gefahr, dass man zu schnell Schlüsse vom Rezeptionsverhalten seit dem deutschen Pietismus auf frühere und kulturell anders geprägte Bereiche überträgt. Denn während im neuzeitlichen Westeuropa mit der Übersetzung Gottfried Arnolds ein unmittelbarer Referenztext für die Makarios-Rezeption festgestellt werden kann, do­kumentieren die hier versammelten Fallstudien doch eher allge-meine Parallelen in Motiven und Begriffen, die möglicherweise kaum etwas über eine konkrete Rezeption des Makarios/Symeon, sondern viel mehr über allgemeine Wirkungen des syrisch-kleinasiatischen Christentums und seine Spiritualität aussagen.
Der Herausgeber des Bandes betont in seinem kurzen Vorwort das Anliegen der Makarios-Symposien, »wissenschaftliches Interesse« so zu betreiben, dass »dessen spirituelle Dimension zum Tragen« kommt. Diesem Anliegen ist nach Ansicht der Rezensentin nur ungenügend Rechnung getragen, wenn in der Dokumentation die editorische Sorgfalt zu kurz kommt. Eine Systematisierung der Fragestellungen und Forschungsansätze, minimale formale Vereinheitlichung und gründliche Korrekturlesung der einzelnen Beiträge sowie Beigaben für die Nutzung des Bandes, wie etwa ein Abkürzungsverzeichnis und Kurzbiographien der Autorin und Autoren, wären wünschenswert gewesen.