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Ausgabe:

März/2020

Spalte:

243–245

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Blay, Martin, Schärtl, Thomas, Schröer, Christian, u. Christian Tapp [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

»Stets zu Diensten?«. Welche Philosophie braucht die Theologie heute?

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2019. VIII, 332 S. = Studien zur systematischen Theologie, Ethik und Philosophie, 14. Geb. EUR 39,00. ISBN 978-3-402-11914-3.

Rezensent:

Werner Schüßler

Die Beiträge dieses Sammelbandes gehen auf eine Tagung der »Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger Philosophiedozentinnen und -dozenten im Studium der katholischen Theologie an wissenschaftlichen Hochschulen« aus dem Jahr 2016 zurück. In einem einleitenden Beitrag geht Thomas Schärtl »Relevanzfragen für eine Philosophie in der Theologie« nach (3–37).
In einem ersten Teil mit dem Titel »Die Maßgabe der Geschichte« widmet sich Ludger Honnefelder dem »Erbe der Scholastik« (41–56) und Johannes Brachtendorf sucht die Frage zu beantworten: »Braucht die Theologie Philosophiegeschichte?« (57–71). In einem zweiten Teil geht es sodann um »Vermächtnisse des modernen Denkens«. Hier behandelt der inzwischen verstorbene Richard Schaeffler das Verhältnis von »Transzendentalphilosophie und Theologie« (75–85), Klaus Müller thematisiert die Beziehung von »Idealismus und Theologie« (87–101), Friedo Ricken untersucht »Die Relevanz des Pragmatismus für die Theologie« (103–113) und Hans Kraml beleuchtet das Verhältnis von »Konstruktivismus und Theologie« (115–140). In einem dritten Teil unter der Überschrift »Philosophie im Modus des Vernehmens und der Kritik« untersucht Eberhard Tiefensee die »Relevanz der Phänomenologie für die Theologie« (143–161), geht Markus Knapp dem Verhältnis von »Kritischer Theorie und Theologie« nach (163–180) und Holger Zaborowski demjenigen von »(Französischem) Poststrukturalismus und christlicher Theologie« (181–196). Ein vierter Teil ist der »Analytischen Philosophie und der spekulativen Metaphysik« ge­widmet. Dem Verhältnis der Ersteren zur Theologie widmen sich die Beiträge von Winfried Löffler (199–227) und Benedikt Paul Göcke (229–260). Uwe Meixner untersucht das Verhältnis von »logischem Zwang und philosophischer Freiheit« (261–275), Andreas Reitinger den möglichen »Beitrag der Prozessphilosophie für die Theologie« (277–290). Ein fünfter und letzter Teil ist mit »Weiterführende Fragen und Praxistest« überschrieben. Es wird hier aber nicht ganz deutlich, was die Beiträge von Christian Schröer (»Ethik der Verantwortung für eine veränderte Welt«, 293–320) und Klaus Müller (»Paradigmenwechsel oder Rollback? Gedanken zur Apostolischen Konstitution Veritatis Gaudium und der fälligen Neufassung des Akkommodationsdekrets für den deutschsprachigen Raum«, 321–328) mit der Thematik des Bandes gemein haben.
Wie diese Übersicht deutlich macht, bietet der Band ein breites Spektrum hinsichtlich des Verhältnisses der (katholischen) Theologie zu bestimmten Formen der Philosophie an. Aber es stellen sich auch eine ganze Reihe kritischer Fragen. Der Titel »Stets zu Diensten?« weist ja nur auf einen Aspekt in Bezug auf das Verhältnis von Philosophie und Theologie hin, nämlich den binnentheologischen. »Theo-logie« verdient natürlich diesen Namen nur, wenn sie sich auch philosophischer Begrifflichkeit bedient. So gut wie ausgeblendet wird aber in diesem Band der zweite, nicht weniger wichtige Aspekt, nämlich die Bedeutung der Philosophie für die Theologie im Sinne einer Außenbeziehung; und dieser Bereich betrifft das, was man gewöhnlich »natürliche Theologie« nennt. Dabei ist natürlich auch gleich mit dem Missverständnis aufzuräumen, dass diese mit den sogenannten »Gottesbeweisen« zusammenfalle. So k ennt beispielsweise der Existenzphilosoph Karl Jaspers einen »Gottesaufweis« aus der Freiheit des Menschen. Insgesamt fällt auch auf, dass existenzphilosophische Entwürfe (Heidegger, Jaspers, Tillich) überhaupt kein Thema sind. Auffallend ist auch, dass die ökumenische Seite des Verhältnisses von Theologie und Philosophie überhaupt nicht in den Blick kommt. Die Fragen und Probleme, die Brachtendorf in den »Vorbemerkungen« zu seinem Beitrag aufwirft, hätten eigentlich in dem einleitenden Beitrag erörtert werden müssen. So stellt er zu Recht u. a. die Frage: Impliziert der Untertitel des Bandes (»Welche Philosophie braucht die Theologie?«) nicht die Pluralität der Philosophie, während die Theologie demgegenüber »ein einheitliches Gebilde« zu sein scheint? Und er bemerkt dazu mit Recht: »Beide Implikationen scheinen mir diskussionswürdig.« (57) Oder: »Wer meint, die Theologie brauche Philosophie, muss also auch sagen, wozu und inwieweit.« (58)
Ohne Zweifel ist das »Erbe der Scholastik« hochzuhalten, findet sich doch hier eine klassische Antwort zum Verhältnis von Theologie und Philosophie, doch fragt man sich, ob die platonisch-neuplatonische Tradition, die leider nicht thematisiert wird, nicht ebenso bedeutsam war/ist für die Theologie. Mit großem Aufwand und in aller Breite wird z. B. der Konstruktivismus beleuchtet, um dann am Ende doch zu einem recht spärlichen Ergebnis in Bezug auf das Verhältnis zur Theologie zu kommen (vgl. Kraml, 133). Ähnlich ist es auch hinsichtlich des Verhältnisses der Theologie zum französischen Poststrukturalismus, das Zaborowski u. a. anhand von Julia Kristeva deutlich zu machen sucht (188–193). Dass manche Ge­danken einer Philosophin, die sich selbst als »nicht gläubig« bezeichnet, für die Theologie interessant sein mögen, reicht aber nicht aus, um hier für das Thema wirklich fündig zu werden.
Die offizielle Ernennung des Thomas von Aquin zu »dem« Philosophen der römisch-katholischen Kirche, wie das in der Enzyklika »Aeterni Patris« (1879) von Leo XIII erfolgt ist, war sicherlich genauso verfehlt wie das Ansinnen des Protestantismus, von ihren Philosophen zu verlangen, sie sollten die Idee der Persönlichkeit als ihr höchstes ontologisches Prinzip bejahen, weil dies dem Geist der Reformation am meisten entspräche. Hier wird nämlich übersehen, dass Philosophie notwendig ein plurales Gepräge besitzt und dass aus diesem Grund eine bestimmte historische Gestalt der Philosophie keinen Anspruch auf Alleingeltung erheben kann; wobei es sich natürlich von selbst versteht, dass bestimmte Formen der Philosophie (atheistische oder agnostische) für die Theologie ungeeignet sind. Wenn die Ausführungen von Göcke zuweilen den Anschein erwecken, als ob die analytische Philosophie heute für die Theologie quasi alternativlos sei (vgl. 245), dann unterliegt er hier dem soeben genannten Selbstmissverständnis der Philosophie. Das hat damit zu tun, dass sich bestimmte Formen der analytischen Philosophie als »wissenschaftliche Philosophie« verstehen. Aber dieser Begriff ist äußerst missverständlich, verwischt er doch damit den entscheidenden Unterschied zwischen der Philosophie und den Einzelwissenschaften. Wenn es dann bei Göcke unter der Überschrift »Katholische Theologie als Wissenschaft« auch noch heißt: »Katholische Theologie ist die wissenschaftliche Reflexion des Katholizismus«, dann ist der kritische (katholische) Rezensent/Leser schon etwas irritiert.