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Ausgabe:

März/2020

Spalte:

206–208

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Ehmann, Johannes

Titel/Untertitel:

Die badischen Unionskatechismen. Vorgeschichte und Geschichte vom 16. bis 20. Jahrhundert.

Verlag:

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2013. 807 S. m. zahlr. Tab. = Veröffentlichungen zur badischen Kirchen- und Reformationsgeschichte, 3. Kart. EUR 39,90. ISBN 978-3-17-022649-4.

Rezensent:

Thomas K. Kuhn

Die Evangelische Kirche in Baden ist eine der wenigen Landeskirchen, die nicht – wie in Preußen und seinen Provinzen – im frühen 19. Jh. im Zuge der protestantischen Einheitsbestrebungen und Kirchenreformen nur eine Verwaltungsunion, sondern 1821 eine Konsensus- respektive eine Bekenntnisunion schufen. Durch diese Vereinigung reformierter und lutherischer Konfessionen bekamen die badischen Gemeinden eine neue Bekenntnisgrundlage, die in Bekenntnisschriften und Katechismen Niederschlag fand. Neben der »Urkunde über die Vereinigung beider Evangelischen Kirchen in dem Großherzogtum Baden« vom 26. Juli 1821, die sich schon zu zentralen theologischen Aspekten in aller Kürze äußerte, sollte – wie es die Urkunde ankündigte – binnen Jahresfrist ein »gemeinschaftliches Lehrbuch« erscheinen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Lehrbuch – vor allem für den Konfirmationsunterricht und die Katechese – war indes schon seit 1810 laut geworden und ging insofern mit der Genese des Unionsgedankens einher. Der Plan der Synode, ein solches Lehrbuch bis zum Jahresende 1822 zu veröffentlichen, erwies sich allerdings als unrealistisch, denn heftige Debatten schlossen sich an die vorgelegten Entwürfe an.
Die vorliegende, überaus umfangreiche Studie des Heidelberger Kirchenhistorikers und Vorsitzenden des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Kirche in Baden Johannes Ehmann zeichnet nicht nur diese Entwicklungen und Kontroversen im Kontext der Union und der »Unionskatechismen im 19. Jahrhundert« detailliert und präzise nach, sondern widmet sich ausführlich einerseits der Vorgeschichte evangelischer Katechismen des badischen Territoriums und seiner angrenzenden Gebiete sowie andererseits der »Katechismusfrage im 20. Jahrhundert«. In einer Schlussbetrachtung geht der Vf. der Frage nach dem Katechismus in heutigen Bildungskontexten nach, bevor er im Anhang neben der Bibliographie und einem Namensregister (in Auswahl) schwerer zugängliche Quellen abdruckt (561–807). Diese Präsentation zahlreicher Quellentexte aus der Zeit von 1545 bis 1827 ist überaus dienlich für das eigene Studium oder auch für den Unterricht. Insgesamt hat das fleißige Werk den Charakter eines ergiebigen Kompendiums oder Studienbuches, für dessen Erschließung allerdings ein Sachregister hilfreich gewesen wäre.
Der Vf. konzentriert sich bei seinen Analysen vornehmlich auf die offiziell autorisierten und gedruckten Katechismen, nimmt aber auch nichtautorisierte Katechismen und vor allem die ge­druckt vorliegenden sogenannten Privatkatechismen des späten 18. und frühen 19. Jh.s in den Blick. Die katechetische Praxis hingegen wird für die untersuchten Epochen kaum thematisiert. Für die Zeit vor der Union beschreibt der Vf. nach einem auf das 20. Jh. konzentrierten Forschungsüberblick zunächst Katechismen in lutherischer, danach in reformierter Tradition. So kommen hier beispielsweise die Katechismen von Thomas Lindner (1545), Johannes Brenz (1535–1557) und Johann Jakob Eisenlohr (1708) vor wie auch der Heidelberger Katechismus (1563), der Genfer (1563) und Zweibrücker Katechismus (1588) oder auch Georg David Klaibel (1801). Im 19. Jh. werden neben anderen die Katechismen von Wilhelm Köster (1802), Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1804, 1821, 1827), Johann Ludwig Ewald (1816), Johann Peter Hebel (vor 1826/28) und Carl Ullmann (1855) analysiert.
Die Untersuchung zeigt anschaulich, dass Union und Katechismus in ein »unauflösliches und zugleich spannungsreiches Verhältnis geraten« waren (330). Der erste Unionskatechismus war und blieb in den unterschiedlichen theologischen Lagern umstritten, und die 1836 erschienene, überarbeitete Fassung beruhte auf keinem tragfähigen Kompromiss. Anhand der Katechismusgeschichte gelingt es dem Vf. einerseits, die theologischen Transformations- und Ausdifferenzierungsprozesse, wie sie insbesondere das 19. Jh. prägten, anschaulich zu machen. Andererseits wird gleichfalls evident, dass die Vermittlung von Glauben und Wissen von Kirche und Theologie zunehmend als zentrale Aufgaben erkannt wurden. Hatte man bis in die Mitte des 19. Jh.s hinein den Katechismus wesentlich als Unterricht verstanden, der sich an den reformatorischen Bekenntnissen orientierend zum persönlichen Bekenntnis anleiten sollte, so suchte der theologische Liberalismus seit den 1860er Jahren nach anderen und neuen Wegen. Diesen Debatten um den »Katechismus als religionspädagogisches Problem« in den Jahren 1860 bis 1882 widmet sich der Vf. in einem eigenen ausführlichen Teil. In dieser »liberalen Epoche« orientierten sich die neuen Katechismen zum Teil an den aktuellen Bildungsmaximen und schufen sich damit neue Probleme.
Hatte das 19. Jh. in Baden drei (bzw. vier) Unionskatechismen generiert, so erschien im 20. Jh. nur noch einer: der bis heute gültige Katechismus aus dem Jahr 1928/29. Daneben gab es allerdings eine Vielzahl privater Entwürfe sowie zwei Preisausschreiben der Landeskirche zur Gewinnung eines Katechismus. Insgesamt gesehen scheinen so viele überlieferte Entwürfe aus dem 20. Jh. vorzuliegen, dass eine ausführliche Einzelwürdigung im Rahmen der vorliegenden Darstellung nicht mehr möglich war. Diese Vielzahl der Entwürfe ist Ausdruck einer ausgeprägten Bildung theologischer Fraktionen, wie sie beispielsweise in den synodalen Debatten über einen badischen Katechismus deutlich wurde. In den Diskursen spielte die sich im 20. Jh. wissenschaftlich immer stärker etablierende Religionspädagogik eine zentrale Rolle: Hatte sie zu­nächst den Katechismus mitgetragen, so sollte sie diesem im letzten Drittel des 20. Jh.s sehr kritisch gegenüberstehen. In diesen sich erheblich wandelnden religionspädagogischen Kontexten – für die exemplarisch der Übergang von der »Evangelischen Unterweisung« hin zum »Hermeneutischen Religionsunterricht« steht – ist das Scheitern der 1966/67 in Angriff genommenen Katechismusneubearbeitung in Baden zu verorten, welches das vorläufige Ende der Katechismusgeschichte in Baden bedeutete. Als problematisch sollte sich hier zudem erweisen, dass man die Religionslehrer nicht in die Arbeit an einem neuen Katechismus einbezogen hatte.
Resümierend hält der Vf. zwar fest, dass die badischen Unionskatechismen eigentlich immer zu spät kamen: Sie »waren reaktiv und wurden entsprechend als reaktionär empfunden« (479). Aber insgesamt versteht er sein Buch mit all dem breit darlegten historischen Anschauungsmaterial durchaus als Einladung, »auch in der badischen Unionskirche wieder einmal über einen Katechismus nachzudenken« (499).