Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2019

Spalte:

1314–1316

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 12: Bibliographie. Hrsg. v. G. Ueding.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2015. X, 1035 S. Lw. EUR 179,95. ISBN 978-3-11-035412-6.

Rezensent:

Wilfried Engemann

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 11: Register. Hrsg. v. G. Ueding. Bearb. v. O. Kazich unter Mitwirkung v. G. Kalivoda. Berlin u. a.: De Gruyter 2014. XV S., 1250 Sp. Lw. EUR 179,95. ISBN 978-3-11-026872-0.


Publikations- und Zeitdruck, fehlende Finanzmittel, die zunehmende Online-Verfügbarkeit von Texten und andere Umstände der heutigen Buchproduktion haben dazu geführt, dass Register – zumal Sachregister – in wissenschaftlichen Publikationen deutlich zurückgegangen sind. Soweit es sie noch gibt, handelt es sich recht häufig um automatisch erstellte, zu einem einzelnen Begriff dutzende Fundstellen auflistende Verzeichnisse, die nicht gerade dazu einladen, mit einem Buch auch zu arbeiten, nachdem man es gelesen hat. Dabei bieten weitsichtig eingerichtete Register Leserinnen und Lesern nicht nur die Möglichkeit, rasch nachvollziehen zu können, wo und in welchem Zusammenhang in einem Werk ein bestimmter Begriff aufscheint; durch zusätzliche Kontextangaben, untergeordnete Kategorien, Verweise auf Parallelen und Synonyme etc. kann ein Register darüber hinaus dazu beitragen, auf Themen und Fragestellungen im Horizont eines Begriffs zu stoßen, an die man noch gar nicht gedacht hat. Sie erschließen Bücher nicht nur an der Oberfläche, sondern in ihrer Tiefe bzw. anhand ihrer Argumentationsmuster.
Schon mit der jahrelang vorbereiteten Präsentation des »Historischen Wörterbuchs der Rhetorik Online« auf der Homepage von De Gruyter war die Voraussetzung geschaffen worden, das gesamte Werk auf jede nur denkbare Weise mit wenigen Klicks zu durchsuchen. (Zu den komplexen Recherchemöglichkeiten dieser Ressource vgl. ThLZ 139 [2014], H. 7, Sp. 951–953.) Gleichwohl haben es sich Gert Ueding und sein Redaktionsteam nicht nehmen lassen, dieses geisteswissenschaftliche Standardwerk »klassisch« zu vollenden und den interessierten Leserinnen und Lesern buchstäblich zwei »Schlüssel«-Bände in die Hand zu geben, die es erlauben, mit dem Gesamtwerk anregend und zielgerichtet zu arbeiten.
Zunächst zu Band 11, dem Registerband, der die Inhalte und Personen des Lexikons mit insgesamt neun Verzeichnissen bzw. Übersichten erschließt:
1. Das Sachregister, dessen Prinzipien und facettenreiche Ge­brauchsmöglichkeiten vom Bearbeiter und Redakteur Ole Kazich in der Einleitung auf immerhin zehn Spalten eigens erläutert werden (müssen), präsentiert nicht nur die Lemmata der Bände 1–10, sondern auch Begriffe ohne eigenen Lexikoneintrag, sofern diese an den entsprechenden Fundorten tatsächlich behandelt und z. B. nicht nur in einer Aufzählung eher zufällig genannt werden. Damit bietet das Register keinen bloßen Index mit sämtlichen Fundstellen aller Begriffe (dessen wertvollste Eigenschaft darin bestünde, vollständig zu sein), sondern einen qualifizierten, Inhalte und Bedeutungen erfassenden, relevanten Index. »Das Register verzeichnet eine bestimmte Stelle, wenn dort zu dem in Frage stehenden Begriff eine Definition, Erläuterung, Umschreibung, Entgegensetzung oder ein Synonym zu finden ist« (X). Aus der Anordn ung und Darstellung der Fundstellen (Fettdruck, Standardschrift, Kursivierung, Trennungen mit Komma und Semikolon usw.) kann der Nutzer zudem schließen, ob es sich um den Ge­brauch dieses Begriffs in einem neuen Kontext, Fachgebiet usw. handelt. Die Einträge präsentieren somit eine verlässliche Ge­dächtnisspur des geisteswissenschaftlichen Diskurses sämtlicher rhetorisch relevanter Termini.
Um ein Beispiel zu geben, wähle ich das Hauptstichwort »Homiletik«, dessen grundlegende Erläuterung zunächst mit 3 1496 (für Band 3, Spalte 1496) an-gezeigt wird. Nach der Auflistung der üblichen Erschließungsstruktur (A. Definition, B. Geschichte: B. I Antike, B. II Mittelalter, B. III) mit den entsprechenden Un­terabschnitten und dazugehörigen Fundorten folgt nun eine autopsiebasierte Verweissequenz, die zu weiteren homiletischen Aspekten im Gesamtwerk führt. Diese Sequenz sieht in diesem Fall folgendermaßen aus – im Original natürlich untereinander aufgeführt: Akkomodation (1 309) – Allegorie, Allegorese (1 330) – Anagoge (1 472) – Ars praedicandi (1 1064) – Bibelrhetorik (1 1548) – Christliche Rhetorik (2 197) – Evangelium (3 27) – Gleichnis, Gleichnisrede (3 1000) – Homilie (3 1519) – Jesuitenrhetorik (4 717) – Kapuzinade (4 887) – Kerygma (4 934) – Kontroverstheologie (4 1302) – Leichenpredigt (5 124) – Luthersprache (5 677) – Pietismus (6 1191) – Predigt (7 45).
An das Sachregister schließt sich (2.) das mehr als 400 Spalten in Anspruch nehmende Personenregister an. Es folgt sowohl quantitativen als auch substantiellen Kriterien: Namentlich registriert werden alle Personen, »deren Beitrag zum jeweiligen Thema von aufschlussreicher Bedeutung erscheint, weil sie in mindestens einem Artikel […] an mindestens zwei Stellen ausdrücklich genannt« (XIV) sind. Um die Nutzer bei Fundorten beispielsweise zu Aristoteles, Luther, Platon usw. nicht mit unnötigen Einträgen zu überfordern, wurden alle Einzelfälle geprüft und unter inhaltlichen Ge­sichtspunkten entweder aufgenommen oder gestrichen.
Als willkommene Hilfe bei der Erarbeitung der Systematik be­stimmter Themen und Begriffe wie »Argumentation«, »Bildung«, »Linguistik« oder »Dialog« usw. erweist sich (3.) die Sachgruppenübersicht. Unter der zuletzt genannten Sachgruppe (Dialog) finden sich z. B. Begriffe wie »Diskurs«, »Gespräch«, »Klatsch«, »Kolloquium«, »Rededuell«, »Talkshow« usw. mit den entsprechenden Fundstellen. Wer künftig vor der Herausforderung steht, entsprechende Sachgebiete im Rahmen eines Lehr- oder Fachbuchs zu erschließen, findet hier eine Fundgrube an Verweisen und Fragestellungen.
Ein Hilfsmittel ganz besonderer Art ist (4.) die ca. 80 Seiten umfassende Synopse der fremdsprachigen Begriffe, in der erstmals – aufgereiht an der alphabetischen Abfolge der deutschen Lemmata– die adäquaten griechischen, lateinischen, englischen und franzö-sischen Fachbegriffe samt ihren Synonymen aufgelistet werden. In einer Zeit, wo Übersetzungen zunehmend eine Rolle spielen und geisteswissenschaftliche Diskurse an Interdisziplinarität und In­ternationalität gewinnen, ist ein solches Glossar eine große Hilfe. Um aus den verschiedenen rhetorischen Diskursen heraus, die verschieden stark auf das Griechische oder das Lateinische rekurrieren bzw. in englischer oder französischer Sprache verfasst sind, korrekt auf all diese Begriffe Bezug nehmen zu können, werden sie zusätzlich – d. h. in jeder Sprache einzeln – in (5.) fremdsprachigen Lemmata-Registern erfasst, die sich über mehr als 200 Seiten erstrecken. Dabei wird das Register der griechischen Begriffe durch eine Um­schrift-Version ergänzt. Ein Register (6.) Deutsche (Alternativ-) Bezeichnungen zu allen fremdsprachigen Begriffen, zu denen ein deutschsprachiges Äquivalent ermittelt werden kann, schließt sich an diesen Teil des Werkes an. – Abgerundet wird der Band von einem (7.) systematischen Glossar, das »das System der tragenden rhetorischen Begriffe als Gesamtheit und Einheit« (XIV) bietet, so­wie einem (8.) Verfasser- und (9.) Übersetzerregister.
Die in Band 12 vorliegende Bibliographie ist das Ergebnis einer umfassenden Auswertung und Bearbeitung sämtlicher Artikel, Literatursektionen und Fußnotenapparate. Führten die Zitier-regeln in den Bänden 1–10 zu teilweise spartanisch abgekürzten bibliographischen Informationen, bietet dieser Band nun weit-gehend aufgelöste Abkürzungen sowie vollständige Namen und Titel. Am Ende eines jeden bibliographischen Eintrags wird auf einen oder mehrere Artikel bzw. Begriffe verwiesen, in denen die entsprechende Quelle benutzt wird. Bei der vorgeschalteten Quellenbibliographie der Antike wurde auf diese Verweise (sie wären zu zahlreich) verzichtet.
Als erfreuliches donum superadditum haben Herausgeber und Redaktionsteam sich die Mühe gemacht, zusätzlich zu der in den Bänden 1–10 referenzierten Literatur weitere ca. 6000 Einträge in die Bibliographie aufzunehmen und mit entsprechenden Artikel-Verweisen zu versehen. Dabei handelt es sich um fachlich wichtige, inhaltlich relevante Publikationen, die nach Redaktionsschluss der einzelnen Bände erschienen sind. Um diese Verweise von denen zu unterscheiden, die sich auf die tatsächlich im Historischen Wörterbuch der Rhetorik benutzte Literatur beziehen, wurden sie in eckige Klammern gesetzt.
Mit den Bänden 11 und 12 wurde ein Projekt erfolgreich vollendet, das seit dem Erscheinen des ersten Bandes 1992 in der Fachwelt von sich reden machte. Die Besprechungen der einzelnen Bände des HWRh in der Theologischen Literaturzeitung haben aus verschiedenen Perspektiven einerseits auf die universale Relevanz, andererseits auf die konkreten Konsequenzen rhetorischer Fragestellungen für die Geisteswissenschaften – nicht zuletzt für die Theologie – hingewiesen. Dem entspricht es, dass sich die Skepsis gegenüber einer theologischen Rezeption, Vertiefung und Weiterentwicklung rhetorischer Argumentationsmuster im Laufe der letzten 30 Jahre nicht nur gelegt hat, sondern als Anachronismus empfunden wird, wo immer diese Skepsis noch aufscheint.
Gleichwohl sind die sich aus einer rhetorischen Betrachtung der Kommunikation des Evangeliums ergebenden analytischen und gestalterischen Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft. Möge der durch die beiden abschließenden Bände – das Register und die Bibliographie – leicht gemachte Zugang zu diesem Standardwerk der Rhetorik dazu führen, dass auf das Potential der darin präsentierten Einsichten und Perspektiven dankbar und mit Gewinn zugegriffen wird.