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Ausgabe:

November/2019

Spalte:

1175–1176

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hezser, Catherine

Titel/Untertitel:

Bild und Kontext. Jüdische und christliche Ikonographie der Spätantike.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2018. VII, 213 S. m. Abb. = Tria Corda, 11. Kart. EUR 24,00. ISBN 978-3-16-156609-7.

Rezensent:

Katrin Kogman-Appel

Als Ergebnis einer Vortragsreihe (Tria Corda in Jena) ist »Bild und Kontext« kein umfassendes Handbuch zum Thema Kunst in der Spätantike, sondern ein handliches Büchlein, das vier spezifische Be­reiche im Vergleich beleuchtet. Wie man der Website des Verlags entnehmen kann, handelt es sich bei Büchern dieser Serie um Darstellungen in »komprimierter Form« vorgelegter Forschungsergebnisse. Diesem Anspruch werden Catherine Hezsers Betrachtungen durchaus gerecht. Das Verhältnis zwischen jüdischer und christlicher Kunst der Spätantike beschäftigte die Forschung jahrzehntelang, besonders aber zwischen den 60er und 90er Jahren des 20. Jh.s.
Das erste Kapitel behandelt die »Bedeutung des Visuellen in der Spätantike« und stellt einen Rahmen her, in dem christliche und jüdische Kunst im Vergleich betrachtet werden können. Es folgen Diskussionen zu drei Themen, die sorgfältig gewählt wurden und die Bildkultur der Spätantike repräsentativ vorzustellen vermögen. Die Bindung des Isaak steht für den biblischen Hintergrund der beiden Religionen; die Geschichte von Leda und dem Schwan zeigt anschaulich, wie mit mythologischen Themen umgegangen wurde; eine Betrachtung vom Kreuz und der Menorah beleuchtet, wie die beiden Gruppen bildliche Symbole entwickelten. Eine Grundthese des Buches ist die Annahme des Konkurrenzverhaltens der beiden Religionen zueinander. Diese Annahme wird in der Forschung gelegentlich vertreten und H. bezieht sich auswahlweise auf vorwiegend jüngere Beiträge. Dass ein solches Konkurrenzver halten immer wieder auf die in den beiden Religionen geübten Bildsprachen wirkte, besonders im 5. und 6. Jh., steht außer Zweifel. Trotzdem wäre ein etwas differenzierteres Vorgehen geboten. Mosaike in Israel aus dem 6. Jh. müssen hier grundsätzlich anders betrachtet werden als die Wandmalereien in Dura Europos aus den 40er Jahren des 3. Jh.s. Auch wenn der kleine christliche Kultraum in der Stadt aus der gleichen Zeit die Präsenz einer christlichen Gruppe bezeugt, ist es zweifelhaft, dass der Umgang mit dieser im Fokus der jüdischen Auseinandersetzung mit der Verbildlichung biblischer Themen stand.
Die Ausführungen sind um einen rezeptionsästhetischen An­satz bemüht (ohne freilich voll und ganz dessen methodologische Konsequenzen zu berücksichtigen) und gehen oft von der Annahme aus, dass die Bedeutung von Bildern nicht nur mit den Intentionen von Auftraggebern und Künstlern zu tun hat, sondern bei den Betrachtern liegt und sich daher konstant ändert. Die kunst-historische Forschung ist in diesem Punkt seit vielen Jahren um einen Mittelweg bemüht. Eng damit im Zusammenhang steht die häufig genannte Feststellung, dass die jüdische Kultur der Spätantike eine vorwiegend mündliche Kultur gewesen sei. Mit der Betonung dieses Umstandes stellt H. eine besonders in der Vergangenheit häufig angewandte Forschungsmethode in Frage, nämlich die Beleuchtung jüdischer Bildwerke vor dem Hintergrund der spät antiken Auslegungsliteratur, des Midrasch, ja sie geht sogar so weit, diese als »unzulässig« zu bezeichnen (156), spricht ihr also die Legitimität ab. Midraschim liegen der modernen Forschung nur in ihren schriftlichen Endfassungen vor. Die Kritik an der früher mitunter naiv gehandhabten Midraschliteratur als Quelle zum Verständnis jüdischer Kunst ist also durchaus gerechtfertigt. Allerdings scheint mir die resultierende Annahme von Synagogen, in denen sich ein Großteil dieser Kunst befindet, als einer Institution, der die Rabbinen ambivalent gegenüberstehen, etwas überspitzt. Damit greift H. die lang schon widerlegte These Good-enoughs auf, dass sich die spätantike jüdische Kunst weitab von den rabbinischen Eliten bewegt habe und andere Gruppen repräsentiere.
Das Problem liegt nicht in einer dichotomischen Trennung rabbinischer Kreise von anderen Gruppen, ja nicht einmal in der Gegenüberstellung von schriftlichem Text zu mündlicher Überlieferung, sondern es liegt vielmehr in der Tatsache, dass die Medialität der Bildsprache sich grundlegend von jener der Texte unterscheidet. Ein Bild ist eben nicht nur einfach eine Übersetzung eines Textes in ein Bildmedium, bzw. wenn es diesem nicht genau entspricht, dessen Gegenteil, sondern es ist ein grundlegend anderes Medium. Von Bildsprache als solcher und deren Medialität ist nun allerdings in dem kleinen Büchlein kaum je die Rede. Dass beispielsweise Torritis Apsismosaik in Santa Maria Maggiore aus dem späten 13. Jh. in einem Atemzug mit dem spätantiken Programm behandelt wird, nur weil automatisch davon ausgegangen wird, dass Torriti seine Vorlage unverändert kopierte, schießt weitab vom Ziel und führt zu Folgerungen, die der kunsthistorischen Er­fahrung krass entgegenstehen.
Nichtsdestotrotz gelingt es den Ausführungen, ungeschulten Lesern die Materie näherzubringen. Die Auswahl der Literaturquellen, auf denen sie beruhen, ist repräsentativ gewählt und er­zeugen zumeist ein ausgewogenes Bild des gängigen Diskurses. H.s Text bringt die Diskussion konzise und prägnant auf den Punkt. Während also die Bildsprache als kulturelles Medium zu kurz kommt – ein Umstand, der durch die höchst bedauerliche Tatsache, dass der Text nur von 17 winzigen Schwarz-weiß-Abbildungen be­gleitet ist, noch deutlicher wird –, ist viel von Forschungsmeinungen die Rede und von historischen Zusammenhängen, ohne die man zweifellos diese Ikonographie nicht verstehen kann.