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Ausgabe:

November/2019

Spalte:

1147–1149

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Quick, Laura

Titel/Untertitel:

Deuteronomy 28 and the Aramaic Curse Tradition.

Verlag:

Oxford: Oxford University Press 2017. XIV, 214 S. = Oxford Theology and Religion Monographs. Geb. £ 69,00. ISBN 978-0-19-881093-3.

Rezensent:

Eckart Otto

Die Dissertation von Laura Quick, Assistant Professor in Princeton, wendet sich erneut Dtn 28 zu als dem Kapitel, das neben Dtn 13 in Bezug auf die Frage nach dem neuassyrischen Einfluss in Gestalt des Loyalitätseides des assyrischen Königs Asarhaddon (VTE) auf das Deuteronomium besonders in der Diskussion steht, wobei für die Vfn. trotz des neuen Fundes eines Exemplars der VTE neben denen aus Nimrud in Tell Ta’jinat, dem antiken Kunulua, Hauptstadt der assyrischen Provinz Patina, die Frage der Vermittlung zentral ist. Diese beantwortet sie negativ, da in Juda keine etablierte Keilschriftkultur erkennbar sei, so dass auch dem Schreiber von Dtn 28 die VTE wohl nicht in akkadischer Sprache vorgelegen haben. Stattdessen treten für die Vfn. aramäische Flüche einer nord-westsemitischen Fluchtradition in den Vordergrund für das Verständnis von Dtn 28. Geht allein damit die Vfn. noch nicht über die bisherige Diskussion zu Dtn 28 hinaus, so ist doch die Prämisse, mit der sie in ihrer Studie das bisherige methodisch-hermeneutische Koordinatensystem in der Diskussion von Dtn 28 verschiebt, recht neu, wenn sie die Frage nach dem Einfluss von Texten auf Dtn 28 zur Frage nach seiner Einbindung in ein Geflecht von Intertextualität umwandelt, die nach den in Texten gemeinsam geteilten auch mündlichen Traditionen fragt, an denen Dtn 28 Anteil habe.
Da nur das Aramäische als Vermittlungssprache neuassyrischen Einflusses auf das Deuteronomium infrage komme, sei auch nach dem aramäischen Einfluss nord-westsemitischer Tradition auf Dtn 28 zu fragen. So wird zunächst eine nord-westsemitische Tradition von Vergeblichkeitsflüchen (futility curses) aus den Texten der Inschriften aus Tell Fecherije, Sfire und Bukān erhoben. Die Übereinstimmungen in Syntax und Motivik der futility-curses auf diesen Inschriften sind der Vfn. Hinweis darauf, dass sich in diesen Texten eine nord-westsemitische Tradition niedergeschlagen habe, die weder hethitisch noch mesopotamisch ableitbar sei. Dort, wo in neuassyrischen Texten futility-curses belegt sind, seien sie auf aramäischen Einfluss zurückzuführen. »During the first millen-nium, the West Semites apparently began to couch the state of ab­ject misery in terms of futility: of maximum effort but minimal gain.« (103) Die zahlreichen biblischen Belege der futility-curses vor allem im corpus propheticum zeigen, dass auch Israel und Juda in der ers­ten Hälfte des 1. Jt.s Anteil an dieser nord-westsemitischen Tradi-tion hatte. Damit stellt sich der Vfn. die Frage, wie sich die futility-curses in Dtn 28 zu den neuassyrischen Fluchmotiven verhalten, wobei sie eine Parallele zwischen der Abfassung der In­schrift von Tell Fecherije und Dtn 28 darin sieht, dass hier wie dort Flüche der nord-westsemitischen Tradition mit solchen aus neu-assyrischem Kontext verbunden sind, wobei die Inschrift von Tell Fecherije das Modell für die Literaturgeschichte von Dtn 28 abgeben soll.
Die Inschrift von Tell Fecherije besteht aus einem ostsemitisch und einem westsemitisch geprägten Teil, die beide jeweils bilingual in akkadischer und aramäischer Sprache dargeboten werden. Die bisherige Forschung hat einen komplizierten Prozess der Fortschreibungen in der Inschrift rekonstruieren können (cf. F. M. Fales, Syria 60 [1985], 233–250 mit tragfähigen sprachhistorischen Argumenten), wobei der literarische Ausgangspunkt wohl der ak­kadisch geschriebene ostsemitische Teil ist, der in einem zweiten Schritt ins Aramäische transponiert wurde. Daran schloss in einem dritten Schritt ein bilingualer Schreiber den westsemitischen Teil an und passte die Fortschreibung so weit dem vorgegebenen Teil an, dass er die Fortschreibung in akkadischer und aramäischer Sprache abfasste. Die Vfn. lehnt derartige Rekonstruktionen der Text-geschichte der Inschrift mit dem Argument ab, sie könnten nicht erklären, warum überhaupt eine westsemitische Fortschreibung angefügt worden sei. Stattdessen will die Vfn. die Inschrift als eine literarische Einheit verstehen, die von einem Schreiber als Sym-biose aus aramäischen und assyrischen Traditionen verfasst worden sei. Dass es sich um eine Symbiose handelt, ist für den Endtext, so wie er uns jetzt vorliegt, durchaus richtig, wie auch der Vfn. dar in zuzustimmen ist, dass die Eigenständigkeit des aramäischen Textes gegenüber dem akkadischen unterbestimmt wird, wenn man den aramäischen Text nur als Targum zum akkadischen Text deutet. Doch die synchrone Lesung der Inschrift durch die Vfn. lässt nicht die politische und religionspolitische Dimension der Fortschreibung in der Inschrift erkennen, geht es doch in ihrer Fortschreibung darum, dass, nachdem Guzana zur assyrischen Provinz geworden war, ein Bedarf gesehen wurde, die assyrische Kultur und Sprachkultur mit der der indigenen Bevölkerung zu vermitteln und sie ihr so nahezubringen. Das aber war ein erst zweiter Schritt, nachdem mit der ursprünglichen Inschrift zunächst die assyrische Herrschaft in akkadischer Sprache dokumentiert wurde, so dass mit der Fortschreibung eher ein Prozess zunehmender Indigenisierung assyrischer Herrschaft vorliegt, nicht aber ein Zeugnis der Ausweitung des Herrschaftsgebiets des Adad-id’i.
Mit der synchronen Lesung der Tell Fecherije-Inschrift ist für die Vfn. der Weg gewiesen für die Interpretation von Dtn 28. In einem Prozess von Intertextualität soll der Schreiber von Dtn 28 das Kapitel verfasst haben als ein »playful interplay of shifting textual motifs from traditions East and West, taking the Neo-Assyrian treaty tradition as an inspiration but ultimately juxtaposing this with native literary conventions« (159), wobei der Schreiber nicht aus konkreten Texten, sondern einem »pool of traditions« ge­schöpft haben soll.
Der Vfn. ist darin zuzustimmen, dass Dtn 28,20–44 nicht pauschal als Übersetzung von Flüchen der VTE zu verstehen ist, sondern in Dtn 28 eine Verbindung von Flüchen einer westlichen und einer östlichen Fluchtradition vorliegt. Doch nicht überzeugen kann die These, dass die neuassyrischen Flüche nicht durch die Rezeption der VTE in das Kapitel Dtn 28 gelangt seien. Dazu sind die Übereinstimmungen bis in den Wortlaut hinein zu eng. Auch erklärt sich die Redaktion der Flüche in Dtn 28 aus der in den VTE, wenn auch die These, die Anordnung der Flüche in Dtn 28,20–44 sei durch den Fluch bei den großen Göttern in VTE § 56 geleitet, so H. U. Steymans (OBO 145, 300–312), sich nicht bewährt hat. Wie bei der Inschrift von Tell Fecherije bleibt aufgrund der synchronen Lesung von Dtn 28 durch die Vfn. der politische Kontext der Verbindung unterschiedlicher Fluchtraditionen in diesem Kapitel unscharf. Die Vfn. sieht durchaus gegen C. Crouch (ANEM 8) antiassyrisch-subversive Impulse in Dtn 28 am Werk. Doch da sie der Meinung ist, dem Schreiber von Dtn 28 können für die futility-curses kaum die Flüche in den Inschriften aus Syrien wie die aus Tell Fecherije vorgelegen haben, müsse die Verbindung über eine Traditionsbildung auch mündlicher Art erfolgt sein, was auch für die neuassyrischen Flüche gelte, da eine Keilschriftkultur in Juda gefehlt habe. Es habe sich in Dtn 28 also um eine »subversion in the written-oral context« gehandelt. Doch wie in Tell Fecherije sind auch politische und religionspolitische Intentionen mit dieser Verbindung ausgedrückt, wenn die neuassyrischen Flüche aus den VTE §§ 39–42; 49; 52; 63–65 rezipiert und in Dtn 28,22a.29b.30–32.38–40 mit indigenen Flüchen wie die futility-curses verbunden wurden. Das Problem der Tradierung dieser letzteren Flüche stellt sich überhaupt nicht, da sie biblische Parallelen insbesondere im corpus propheticum haben, also indigen israelitisch-judäische Flüche sind und nur als solche Anteil an einer nord-westsemitischen Fluchtradition haben. Bei der Verbindung der indigenen Flüche mit den neuassyrischen Flüchen der VTE geht es um deren Indigenisierung im Zuge ihrer Integration in das Deuteronomium.
Die Rezeption der neuassyrischen Loyalitätseide hat einen subversiven Charakter und dient politischen und religionspolitischen Zwecken der Emanzipation von der assyrischen Macht. Während es in der Inschrift der Stele von Tell Fecherije um eine von der assyrischen Seite betriebene Stabilisierung ihrer Herrschaft durch Integration in die vorgegebene westsemitische Kultur geht, intendiert die Indigenisierung des vorgegebenen neuassyrischen Textmaterials in Dtn 28 gerade die Emanzipation von assyrischer Herrschaft. Deutlicher als in der Inschrift von Tell Fecherije und Dtn 28 kann die unterschiedliche Lage zwischen einer im 9.–8. Jh. n. Chr. gerade neu konstituierten assyrischen Provinz Guzana in Syrien und einem Vasallenstaat Juda angesichts des Niedergangs der assyrischen Herrschaft im 7. Jh. n. Chr. kaum zum Ausdruck kommen.
Die Vfn. hat eine Dissertation von beachtlicher Argumentationsdichte vorgelegt, die zu weiterer Diskussion über Dtn 28, einem Schlüsseltext des Deuteronomiums, Anlass geben wird. Hervorzuheben ist die philologische Expertise der Vfn. und die Klarheit ihrer Argumentationsführung, was insgesamt die Studie zu einem wichtigen Beitrag zur Deuteronomiumsforschung macht.