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Ausgabe:

Oktober/2019

Spalte:

1061–1063

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Murphy, Karen R. J.

Titel/Untertitel:

Pentecostals and Roman Catholics on Becoming a Christian.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2018. 308 S. = Global Pentecostal and Charismatic Studies, 28. Kart. EUR 59,00. ISBN 978-90-04-35516-3.

Rezensent:

Uwe Swarat

Zu den ausführlichsten bilateralen ökumenischen Dialogen, die seit ca. 50 Jahren auf Weltebene geführt werden, gehören die Ge­spräche zwischen dem Vatikan und der Pfingstbewegung. Seit ihrem Beginn 1972 hat mittlerweile schon die sechste Runde stattgefunden. Die Abschlussberichte aller Dialogrunden (außer der jüngsten) sind in der Buchreihe »Dokumente wachsender Übereinstimmung« (DwÜ) in deutscher Übersetzung zugänglich:
1972–1976: Final Report of the Dialogue Between the Secretariat for Promot-ing Christian Unity [SPCU] of the Roman Catholic Church and the Leaders of Some Pentecostal Churches and Participants in the Charismatic Movement within Protestant and Anglican Churches (DwÜ I, 476 ff.)
1977–1982: Final Report of the Dialogue Between the SPCU of the Roman Catholic Church and Some Classical Pentecostals (DwÜ II, 581 ff.)
1985–1989: Perspectives on Koinonia. The Report of the Third Quinquennium of the Dialogue between the Pontifical Council for Promoting Chris-tian Unity [PCPCU] of the Roman Catholic Church and Some Classical Pentecostal Churches and Leaders (DwÜ II, 599 ff.).
1990–1997: Evangelization, Proselytism and Common Witness. The Report from the Fourth Phase of the International Dialogue Between the Roman Catholic Church and Some Classical Pentecostal Churches and Leaders (DwÜ III, 602 ff.).
1998–2006: On Becoming a Christian. Insights from Scripture and the Pa-tristic Writings with Some Contemporary Reflections. Report of the Fifth Phase of the International Dialogue between Some Classical Pentecostal Leaders and the Catholic Church (DwÜ IV, 869 ff.).
2011–2015: »Do not Quench the Spirit«. Charisms in the Life and Mission of the Church. Report of the sixth Phase of the International Catholic-Pen-tecostal Dialogue, ISPCU 147 (2016/I), 47–62 (wird in DwÜ V erscheinen).
Während in der ersten Gesprächsrunde auch Vertreter der charismatischen Bewegung beteiligt waren, wurde die Teilnehmerschaft in den folgenden Runden auf Wunsch des Vatikans auf Vertreter des sogenannten »klassischen« Pfingstlertums beschränkt, d. h. auf Personen, die ihre geistlichen Wurzeln in der Azusa-Street-Erwe-ckung (Los Angeles 1906) haben und die pfingstlerische Lehre von der Geisttaufe vertreten. Nach dieser Lehre ist die Geistestaufe eine zweite Geisterfahrung des Gläubigen (nach der Bekehrung als ers­ter) und verbunden mit der Fähigkeit zur Zungenrede (Glossolalie) als ihrem Kennzeichen.
Die vorliegende Untersuchung widmet sich der fünften Dialog-runde. Römisch-katholischer Ko-Vorsitzender dieser Runde war Fr. Kilian McDonnell (USA), pfingstkirchlicher Ko-Vorsitzender Cecil M. Robeck Jr., Senior Professor of Church History and Ecumenics am evangelikalen Fuller Theological Seminary in Pasadena, California (USA). Robeck ist zugleich Betreuer der Ph.D.-Dissertation, mit der Karen R. J. Murphy 2013 in Fuller promoviert wurde und die in dem hier zu besprechenden Buch seit 2018 gedruckt vorliegt. Man bekommt in dieser Arbeit also im Wesentlichen die Interpretation des Untersuchungsgegenstands aus der Sicht einer direkt Beteiligten. Darin liegt die Chance, der Intention der Autoren auf einer der beiden Seiten sehr nahe zu kommen, aber auch die Gefahr, dass der nötige kritische Abstand nicht gewahrt wird.
M. sieht die Bedeutung der pfingstlerisch-katholischen Dialoge u. a. darin, dass die Dialogpartner die Mehrheit in der weltweiten Christenheit repräsentieren. Von der übrigen Christenheit würden sich beide durch ihre Offenheit für Wunder und durch ihre Überzeugung vom Fortbestehen der im Neuen Testament bezeugten übernatürlichen Charismen unterscheiden. Dass es zwischen Ka­tholiken und Pfingstlern in vielen Teilen der Welt auch erhebliche Spannungen gibt, wird nicht verschwiegen, aber (zu Recht!) als ein weiterer Grund für den Dialog angesehen.
Zu den Hauptdifferenzen zwischen Katholiken und Pfingstlern gehört das Verständnis von Bekehrung. M. skizziert die Differenz folgendermaßen: Für Pfingstler ist die Bekehrung die nicht-sakramentale bewusste Annahme der Christusbotschaft, durch die man überhaupt erst ein Christ wird. Für Katholiken ist Bekehrung ein komplexer sakramentaler Prozess, zu dem auch das Leben als Jünger Jesu gehört. Vor diesem Hintergrund widmete sich die fünfte Dialogrunde der Frage, wie man ein Christ wird. M. untersucht die Kapitel des Dialogberichts unter Berücksichtigung der Protokolle und der vorgetragenen Positionspapiere sowie im Kontext der vier älteren Berichte. Eine Besonderheit der fünften Runde besteht darin, dass es zum ersten Mal zur gemeinsamen Auslegung von Bibel- und Kirchenvätertexten kam. Inhaltlich wurde neben dem Thema Bekehrung auch das Verständnis von Glaube, Geisttaufe, christlicher Erfahrung und Jüngerschaft behandelt. Aus Umfangsgründen können hier nur zwei dieser Themen angesprochen werden.
Der Hauptfortschritt des fünften Berichts zum Thema Bekehrung besteht nach Meinung M.s darin, dass Bekehrung nicht länger entweder als Ereignis (so die Pfingstler) oder als Prozess (so die Katholiken) verstanden wird, sondern als beides, sowohl als auch. Diesen Konsens führt sie auf das gemeinsame Schrift- und Väterstudium zurück. Noch nicht überwunden werden konnten Differenzen in der Verhältnisbestimmung von Bekehrung und Wassertaufe. Während für Katholiken beide eng zusammengehören, weil die Taufe in Christus und die Gemeinschaft der Kirche eingliedert, verstehen Pfingstler die Taufe als ein Mittel, den Glauben eines bereits Bekehrten zu stärken. Die Bekehrung ist für Pfingstler in erster Linie ein innerer Vorgang, während die Taufe ein bloß äußerlicher Akt ist.
Das heikelste Gebiet war offenbar das der Geisttaufe. Nach pfingstlerischem Verständnis gehört sie nicht zum Christwerden, also im Grunde auch nicht zum Thema der Dialogrunde. Manche pfingstlerischen Teilnehmer fürchteten, der Dialog werde den an­fänglichen Geistempfang, die Geisttaufe und die Wassertaufe zu stark miteinander verschmelzen. Im Abschlussbericht heißt es dann aber zur Zufriedenheit der Pfingstler, dass der Heilige Geist zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten des christlichen Lebens empfangen wird (die Pfingstler unterscheiden sie als Bekehrung und Geisttaufe, die Katholiken als die Sakramente Taufe und Firmung), und dass die Geisttaufe eine persönliche, trinitarische und umgestaltende Offenbarung pneumatologischer Bevollmächtigung und christologischer Gegenwart sei. Nicht einig wurde man sich bei den Geistesgaben (Charismen) – ob sie natürlicher oder übernatürlicher Art, momenthaft oder habituell seien und ob sie durch Taufe und Firmung oder durch die Geisttaufe empfangen werden.
Am Schluss ihrer Dissertation stellt M. fest, dass Katholiken und Pfingstler die Wege, auf denen jemand ein Christ wird, zwar unterschiedlich beschreiben (sakramental oder nicht-sakramental), das erhoffte Ziel aber ebenso dasselbe ist wie viele Elemente, die sie als grundlegend für das Christwerden ansehen. Die Ähnlichkeit zwischen Katholiken und Pfingstlern sei bei diesem Thema größer als ihre Unterschiede. Man sieht: Die Dialog-Ökumene lebt und bringt selbst relativ fernstehende Traditionen einander näher.