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Ausgabe:

Oktober/2019

Spalte:

1037–1038

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Drecoll, Volker Henning [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

750 Jahre Augustinerkloster und Evangelisches Stift in Tübingen. Hrsg. unter Mitarb. v. V. Bayha.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2018. XI, 443 S. = Colloquia historica et theologica, 3. Lw. EUR 99,00. ISBN 978-3-16-155646-3.

Rezensent:

A. B.

Das Tübinger Evangelische Stift genießt und verdient den Ruf einer einzigartigen theologischen Bildungsinstitution. Als herzoglich-württembergisches Stipendium wurde es 1547 in der Liegenschaft des aufgelösten Tübinger Augustinerklosters gegründet. Seitdem dient es als Pflanzschule des evangelischen Theologennachwuchses und erfreut sich bis heute robuster Vitalität. Indessen begann die Geschichte des Hauses nicht erst in der Reformationszeit, sondern reicht bis zu der 1262 erfolgten Etablierung des Tü­binger Augustinerklosters zurück.
Aus Anlass der 750. Wiederkehr dieses Datums veranstaltete der amtierende Stiftsephorus Volker Henning Drecoll im Jahre 2012 eine wissenschaftliche Fachkonferenz, die darauf abzielte, den einschlägigen Forschungsstand »in neue Perspektiven und Zusammenhänge« (V) zu rücken, ihn darüber hinaus aber auch substantiell fortzuschreiben. Die 20 Beiträge des Tagungsbandes erstre-cken sich, chronologisch geordnet, von den Anfängen der Tübinger Augustinereremiten (Michael Klaus Wernicke) bis zur Stiftsordnung von 1974 (Hans-Dieter Wille). Zwanglos lassen sich dabei drei komplementäre Zugriffsweisen erkennen.
So konzentrieren sich einige Studien auf institutionelle Um­bruchphasen des Tübinger Klosters und späteren Stifts. Dabei kommen beispielsweise die Verknüpfung mit den Anfängen der Universität Tübingen (Ulrich Köpf), die modellhafte Installation des herzoglichen Stipendiums (Hermann Ehmer) oder die in den 1920er Jahren erfolgte landeskirchliche Übernahme des Stifts (Jürgen Kampmann) in den gelehrten Blick. Als ebenso instruktiv erweisen sich verschiedene krisen- und kulturhistorische Kontextualisierungen, etwa für die Zeit des 30-jährigen Krieges (Sabine Holtz), für die urbane Einbettung des Stifts um 1800 (Johannes Michael Wischnath) oder die Literaturgeschichte des 19. Jh.s (Barbara Potthast). Und selbstverständlich finden sich auch prominente bzw. repräsentative Persönlichkeiten exemplarisch gewürdigt, wofür, wiederum stellvertretend, nur auf die profunden Studien zu Ja-kob Heerbrand (Volker Leppin), Friedrich Wilhelm Joseph Schel-ling (Christian Danz) und Ferdinand Christian Baur (Martin Bauspieß) verwiesen sei. Alle Beiträge enden mit einem Verzeichnis der je­weils konsultierten Quellen- und Forschungsliteratur. Ausführliche Personen- und Ortsregister erschließen den gewichtigen Band.
Weit über ein bloß lokalgeschichtliches Interesse hinausgehend bieten diese Konferenzakten höchst anregende, interdisziplinär bedeutsame Spezialuntersuchungen zur Kirchen-, Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte, aber auch zur Geistes-, Kultur- und Sozialgeschichte vom hohen Mittelalter bis an die Schwelle zur Gegenwart.