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Ausgabe:

Oktober/2019

Spalte:

1029–1030

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Park, Jeung Keun

Titel/Untertitel:

Johann Arndts Paradiesgärtlein. Eine Untersuchung zu Entstehung, Quellen, Rezeption und Wirkung.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018. 269 S. = Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 248. Lw. EUR 60,00. ISBN 978-3-525-57088-3.

Rezensent:

Thomas Illg

Das »Paradiesgärtlein« Johann Arndts (1555–1621), ein thematisch gegliedertes umfangreiches Gebetbuch, wie auch dessen Predigtwerke stehen, was die Forschungsanstrengungen betrifft, immer noch hinter Arndts Büchern »Von wahrem Christentum« zurück. Wie die bisherige Forschung insbesondere in Untersuchungen des »Wahren Christentums« gezeigt hat, ist Arndts theologischer Ansatz nicht durchgehend homogen, das liegt auch an seinem In­teresse an spätmittelalterlichen Quellen und seiner Rezeption pa­racelsistischer Konzepte. Die Erforschung anderer Teile des Arndtschen Œuvres ist deshalb dazu geeignet, die bisherige Wahrnehmung der Theologie und Frömmigkeit Arndts zu ergänzen und weiter zu differenzieren. Bereits mehrfach wurden Untersuchungen des »Paradiesgärtleins« als Forschungsdesiderat gekennzeichnet. Daher ist es erfreulich, dass sich Jeung Keun Park diesem Werk Arndts widmet. Die vorliegende Monographie ist die sprachlich überarbeitete Fassung seiner Dissertationsschrift, die in Marburg von Hans Schneider betreut wurde.
Zunächst rekonstruiert P. die Abfassungsgeschichte des Werkes aus den bislang greifbaren Informationen der Arndtforschung, berücksichtigt aber auch die Briefüberlieferung. Zudem stellt er Verbindungen zu weniger bekannten Frühschriften Arndts her und zeichnet das Werden des »Paradiesgärtleins« so in die biographischen Koordinaten Arndts ein. Der zweite Teil ist den reformatorischen und außerreformatorischen Quellen des »Paradiesgärtleins« gewidmet; einbezogen werden schwerpunktmäßig Johann Habermanns »Christliche Gebet für alle Not vnd Stende« (1567), Martin Mollers »Soliloquia de passione Jesu Christi« (1587) und (pseudo-)bernhardinische sowie (pseudo-)augustinische Texte und nicht zuletzt Arndts Umgang mit biblischen Texten. P. kann darüber hinaus Arndts bislang nicht bekannte Rezeption des spanischen Mystikers Alphonso de Orosco nachweisen. Anhand von Archivmaterial belegt P., dass Arndt 1606 gemeinsam mit anderen Schriften den »Hortus sacer« des spanischen Mystikers in der Übersetzung von Aegidius Albertinus erwarb. Den dritten Hauptteil bilden Untersuchungen zur Wirkung des »Paradiesgärtleins« auf die lutherische Frömmigkeit des 17. Jh.s und auf den Pietismus.
P. referiert zunächst den Forschungsstand mit Blick auf die Benutzung des »Paradiesgärtleins« in der geistlichen Lyrik und Lieddichtung, etwa durch Johann Heermann, Andreas Gryphius, Paul Gerhardt, Quirinius Kuhlmann, Johann Rist oder Johann Scheffler, um dann auf Rezeptionen in der evangelischen Gebetsliteratur des 17. und 18. Jh.s sowie auf Spuren des »Paradiesgärtleins« in evangelischen Gesangbüchern einzugehen. Arndts Gebetbuch gilt Park gemeinsam mit Johann Gerhards »Meditationes Sacrae« (1606) als wichtigste Vermittlungsinstanz bernhardinischer Frömmigkeit im Luthertum. Mit Blick auf die pietistische Rezeption geht P. vornehmlich auf Aussagen Speners und Franckes ein und erkennt eine prägende Kraft der Arndtschen Frömmigkeit. Wie P. nachweisen kann, bezog sich Francke in seiner 1695 veröffentlichten Schrift über das rechte Beten direkt auf Arndts »Paradiesgärtlein«. Auch mit Blick auf den Pietismus kennzeichnet P. Arndt als Vermittler bernhardinischer Frömmigkeit, seine Studie be­schränkt sich hier auf Speners »Soliloquia et Meditationes Sacrae« (1716). Eine um­fangreiche Bibliographie der selbständigen, also nicht gemeinsam mit dem »Wahren Christentum« veröffentlichten Ausgaben des »Paradiesgärtleins« bis 1913 beschließt die Ar­beit.
Die Lektüre wie auch die quellenkritischen Untersuchungen leiten P. zu der These, Arndt integriere durch seine Rezeption mittelalterlich-mystischer Quellen nicht-lutherische Elemente in seine theologische Konzeption und gebe eine Meditationsmethode vor, die orthodox-lutherischen Vorgaben nicht entspreche (190. 195). Insbesondere bezieht sich P. hier auf Passagen, in denen Arndt die Passionsmeditation und die unio der Glaubenden mit Christus thematisiert.
P.s Analyse der Mystikrezeption Arndts und seine Aussagen zur lutherischen Mystikrezeption erweisen sich m. E. aber als wenig stichhaltig. Denn weder stellt P. den bei Arndt erhobenen, als un-lutherisch bezeichneten Befunden eine konzise Darstellung der be­treffenden Lehrpunkte aus lutherischer Perspektive zur Seite, anhand deren Differenzen zu erkennen wären, noch führt er Vergleichstexte unbestritten lutherischer Autoren an. Die »Meditationes Sacrae« Johann Gerhards, auf die P. nicht nur an einer Stelle eingeht, wären geeignet, um die Bernhard- und Mystikrezeption beider Autoren vergleichend zu analysieren. Auch ein Vergleich der Aussagen Arndts mit der Unio-mystica-Lehre Philipp Nicolais hätte die Texte des »Paradiesgärtleins« in einem anderen Licht erscheinen lassen. Beide Autoren nennt P. selbst. Hinzu kommt, dass P. die ausgewählten Textbeispiele kaum nutzt, um Arndts Rezeptionsweise präzise zu beschreiben, in den meisten Fällen beschränkt er sich auf den Nachweis, dass Arndt eine bestimmte Quelle zitiert.
P.s Bewertung der Quellenwahl Arndts ist durch die Aussagen Albrecht Ritschls und Paul Althaus’ geprägt, besonders Ritschl hatte mittelalterlich-mystische Konzepte als unlutherisch ge­kennzeichnet. Die jüngere kirchengeschichtliche Forschung ist je­doch zu einer neuen, Ritschl widersprechenden Einschätzung ge­langt. An diesen Forschungsstand schließt P. nicht an. Auf andere Ergebnisse der Arndtforschung, etwa Arndts Verständnis der Heiligen Schrift, seine Erkenntnislehre wie seine Verbindung zum sogenannten mystischen Spiritualismus geht P. nur im Stil kurzer Andeutungen ein, hier wäre eine klarer argumentierende und differenzierter angelegte Analyse hilfreich. Mehrfach wirken P.s Analysen zu stark gepresst, da er wichtige Thesen nur an einzelnen Belegstellen festmacht, auf eine Überprüfung seines Urteils an weiteren Passagen des »Paradiesgärtleins« aber verzichtet.
Um den theologischen Gehalt des Werkes, Arndts Mystikrezeption und die Stellung des »Paradiesgärtleins« zum vielschichtigen theologischen Ansatz Arndts präzise zu bestimmen, sind weitere differenzierter angelegte Studien notwendig. In formaler Hinsicht fallen einige sprachliche Ungereimtheiten auf, die das Textverständnis teilweise erschweren. Trotzdem gibt P. in seiner Studie wichtige Hinweise zur Entstehung, Rezeption und Druckgeschichte des »Paradiesgärtleins« sowie zur Quellenkritik. Sein gründliches Referat der Forschungsergebnisse zu den genannten Punkten wie auch seine quellenkritischen Forschungen bilden eine wichtige Grundlage für die weitere Erforschung des »Paradiesgärtleins«. Hier liegt m. E. die Stärke der Studie.