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Ausgabe:

September/2019

Spalte:

892–895

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McDowell, Catherine L.

Titel/Untertitel:

The Image of God in the Garden of Eden. The Creation of Humankind in Genesis 2:5–3:24 in Light of mīs pî pīt pî and wpt-r Rituals of Mesopotamia and Ancient Egypt.

Verlag:

Winona Lake: Eisenbrauns 2015. IX, 245 S. = Siphrut, 15. Lw. US$ 47,50. ISBN 978-1-57506-348-5.

Rezensent:

Michaela Bauks

Diese Studie ist die überarbeitete Fassung einer Dissertation (Harvard, 2009) und behandelt den zweiten Schöpfungsbericht in religionsgeschichtlicher Perspektive. Fokus ist die »Gottebenbildlichkeit«, die neben Gen 1,26–28 konzeptuell auch für Gen 2 voraus-gesetzt wird. Die Vfn. beruft sich auf die bereits von A. Schüle beigebrachten mesopotamischen Mundwaschungs- bzw. Mundöffnungsritualtexte (1. Jt. v. Chr. Ninive und Babylon; vgl. A. Berlejung und C. Walker/M. B. Dick). Diese Texte dienten als (literarische) Vorlage für die Entfaltung der Anthropogonie in Gen 2, die in Analogie zur Herstellung von Götterstatuen und deren Belebung als »Gottebenbildlichkeit« zu charakterisieren ist, obwohl die einschlägigen Termini ṣælæm und demût (Gen 1,26 f.) fehlen. Anders als Schüle, der Gen 2–3 als eine jüngere Überarbeitung der Gottebenbildlichkeitsvorstellung in Gen 1 hinsichtlich einer differenzierteren Darstellung der Mann-Frau Relation und des Weisheitsbegriffs, beides Primärziele menschlicher Existenz, ansieht, geht es für die Vfn. in dem Konzept um die Beziehung Mensch – Gott (18). Sie unterzieht die Hypothese, dass Gottebenbildlichkeit in beiden Schöpfungsberichten das zentrale Thema sei, nicht nur einer ausführlichen Prüfung der biblischen und altorientalischen Paral-lelen, sondern ergänzt die mesopotamischen Belege durch das ägyptische wpt-r (Mundöffnungs-)Ritual, das im Kontext der Kultbildherstellung wie der Wiederbelebung eines Toten im Jenseits be­gegnet.
Die Untersuchung von Gen 2–3 (Kapitel 2; 22–42) setzt ein mit der Entscheidung, die Edenerzählung erst in 2,5 beginnen zu lassen (26–35.41): 2,4a orientiert sich semantisch an Gen 1,1–2,3; 2,4b an 2,5–3,24, der gesamte Vers ist demnach ein sekundärer Brückenvers, gebildet in Analogie zu den Toledot in 5,1; 6,9; 10,1 etc. (vgl. G. J. Wenham, F. W. Cross; für E. Otto oder A. Schüle gehört V. 4 zur nachpriesterlichen Erzählung Gen 2–3). Doch bleibt dies weiterhin wenig ausgeführt und ist wegen der Strukturnähe von Gen 2,4b–7 zu den Anfängen altorientalischer Schöpfungstexte sowie der indeterminierten zweiten Nennung von »Erde und Himmel« in V. 4b fragwürdig (vgl. Bauks, Die Welt am Anfang). Wenig zielführend ist auch die Zweiteilung der Erzählung in »Paradise Given« (2,5–25) und »Paradise Revoked« (3,1–24), die mit der sich anschließenden Dreiteilung (2,5–17 und 2,18–25 neben 3,1–24) konkurriert: Teil I und II folgen einem Problem-Lösungs-Schema, wohingegen Teil III eine Lösung vermissen lässt, da in der Übertretung »a very significant boundary« in der Gott-Mensch-Relation überschritten ist, so dass der Zustand des »Wie-Gott-Sein« mit der Trennung von Gott durch Vertreibung endet (vgl. das »Öffnen der Augen« bzw. das »Öffnen des Mundes«, das in Mesopotamien und Ägypten positiv konnotiert ist, anders das Öffnen der Augen in 3,7).
Kapitel 3 (43–116) enthält eine ausführlichere Besprechung der beiden mesopotamischen Vergleichstexte und ihrer Editionsgeschichte. Die babylonische Version schildert die Götterbildherstellung als Geburtsritual, so dass Geburtsanleihen und Werkstatt-Semantik verwoben sind (z. B. Geburtsziegel der Belet-Ili, waladu »gebären«; 69–80.115 f.; anders Berlejung). »Manufacture did not preclude birth, nor did birth preclude manufacture. The two modes of creation functioned concurrently to produce not a representa-tion of the divine but, as indicated by the birthing language and imagery in the pīt pî, as well as by the animation of the image’s sensory organs and the offerings of food, drink, clothing, and shelter (in the temple), what was considered to be a physical, living manifestation of an otherwise invisible reality« (85). Die Funktion des ägyptischen wpt-r-Rituals besteht darin, Statuen bzw. Mumien zu (re)animieren und zum Hören, Sehen, Schmecken, Atmen etc. zu befähigen. Das Mundöffnungsritual aus dem Grab des Rechmire (N. R., 15. Jh.; Textedition E. Otto) assoziiert Götterbildherstellung ebenfalls mit Geburtsterminologie (§ 9–17). Auch wenn die ägyptischen Rituale dem Totenkult entstammen, zeigen sie doch einen ähnlichen Aufbau und vor allem vergleichbare Etappen (Herstellung in der Werkstatt; Geburt der Statue auf dem Weg in den Garten bzw. in das Grab/die Totenkapelle vor ihrer finalen Aufrichtung).
Im vierten Kapitel (117–177) arbeitet die Vfn. neben den kultischen und königlichen Bezügen in dem biblischen Gottebenbildlichkeits-Konzept außerdem den Aspekt der Filiation heraus (120–123): Ausgehend von Gen 5,1–3 charakterisiert das hebräische Lexem ṣælæm Elohîm als »Vater der Menschheit«, der mit Verweis auf die Gottebenbildlichkeit das Blut eines jeden getöteten Menschen einfordert (9,6) und darin der verwandtschaftlichen Verpflichtung eines go’el, »der als Verwandter handelt« (F. M. Cross), nachkommt – allerdings fehlt das Verb in Gen 9,5–6 (anders 2Chr 24,25; Ps 9,13). Für das Nomen demût ist angesichts des parallelen Gebrauchs von ṣælæm und demût in der Bilingue von Tell Fecheri-yeh (vgl. Gen 6,1–3) zwar weitgehende Übereinstimmung, aber keineswegs die Gleichheit mit Gott vorauszusetzen. Gen 6,1–3 zielt auf die Vererbbarkeit von Gottebenbildlichkeit, die aber aus Sicht von Gen 2–3 ambivalent ist (3,6.22 ff.). Die Vfn. untersucht weiterhin die Bedeutung der Gottessohnschaft, um den Aspekt der Filiation zu stärken (131–136). Während Tiere u. a. Spezies »nach ihrer Art« ( l + mîn) geschaffen sind, ist der Mensch »nach der Art Gottes« gebildet, ein Pattern, der im altorientalischen Denken in der Gottessohnschaft des Königs zum Ausdruck gebracht ist, wie es assyrische Texte seit dem 13. Jh. in der Kombination von Bildherstellung und göttlicher Geburt belegen. Die ägyptische Lehre des Merikare verweist auf die Übertragbarkeit auf alle Menschen. Biblisch begegnet das Motiv der Vaterschaft JHWHs in 2Sam 7,14 in Bezug auf Salomo (vgl. Ps 2,7), in Dtn 32,6; Jer 3,19; 31,9; Ex 4,22–24 auf Israel. Aus diesen Beobachtungen schließt die Vfn., dass Gottebenbildlichkeit in Gen 1,26 ff. auf kinship, kingship und cult zielt, die auf jeden Menschen als »König« der Schöpfung applizierbar ist, und das Göttliche präsent macht (136 f.). Über den Prozess der Götterbildherstellung und -konsekration in altorientalischen Ritualtexten ist Übertragbarkeit hergestellt (kinship in 2,23; kingship in 2,15 »königlicher Gärtner«; cult »Tempelgarten« in Eden). Zentral für ihre Argumentation ist der häufig dem Handwerkergott Ea/Enki zugewiesene Tempelgarten als Ort der Belebung des Götterbilds. Ea ist für Erstellung und Belebung verantwortlich, ähnlich wie im Grab des Rachmire Ptah im Park oder aber in Gen 2–3 JHWH im Garten. Adams Installierung (nûḥ hif.; 2,15), die Bekleidung bzw. »Krönung« (3,21[?]; vgl. Ps 8,6) wie auch das Öffnen der Augen deutet die Vfn. als Rudimente des altorientalischen Rituals. Eine Tabelle am Ende stellt die drei analysierten Ritualtexte Gen 2–3 gegenüber, um die Vergleichbarkeit zu dokumentieren. Doch präsentieren die in Gen 2–3 begegnenden fünf der insgesamt vierzehn untersuchten Prozessschritte einen eher spärlichen Befund. Trotz der vertiefenden Betrachtung des bereits von A. Schüle ausgearbeiteten Konzepts kann die Arbeit die Bedenken an der Vergleichbarkeit von Gen 2–3 mit Mundöffnungsritualen nicht zerstreuen. Auch die am Ende gestellte Frage, ob zwischen den altorientalischen und biblischen Konzepten historische/genetische Abhängigkeit oder lediglich typologische Vergleichbarkeit bestehe, ist nicht überzeugend beantwortet. Zu Beginn der Studie äußert die Vfn. Skepsis gegenüber der Anschauung, dass Gen 2 das mit der Tempelzerstörung fehlende Götterbild der Exilzeit durch eine analog zum Götterbildritual komponierte Anthropogonie (H. Niehr) ersetzen wolle (16 f.). Am Ende entwirft sie ein alternatives Modell historischer/genetischer Abhängigkeit der zweiten Schöpfungserzählung von mesopotamischen Mundöffnungsritualen, dessen Beweislast allein auf der ähnlichen Erzählstruktur und der Installierung Adams in dem tempelähnlichen Garten liegt (175 f.). Selbst das Argument der Geburtsterminologie in den zitierten Ritualtexten ist in Gen 2–3 nicht belegt (denn 2,4a–b sekundär).
Das letzte Kapitel thematisiert die Abhängigkeit der Bildentwürfe in Gen 1 und 2 voneinander, die durch die Themen »kinship, kingship, and the identification of human beings as images of God« verbunden sind (178). Der Kultaspekt tritt in den Hintergrund. Gen 2–3 ist im Eigentlichen eine spätvorexilische Erzählung, die mit Gen 1 eine Explizierung hinsichtlich der Bildhaftigkeit des Menschen im Bezug auf Gott erhält, welche den inneren Zusammenhang von Götterbildherstellung und Menschenschöpfung mittels des Gedankens der Filiation ausbaut.
Die Studie ist sehr materialreich und sorgfältig ausgearbeitet. Dennoch überzeugt die These nicht, dass Gen 1 und 2–3 sich mit der Gottebenbildlichkeit dergestalt auseinandersetzen, dass die altorientalische Götterbildherstellung ein zentraler Topos der biblischen Menschenschöpfung wurde, der Verwandtschaft, Königtum und Kult miteinander verband.