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Ausgabe:

Juli/August/2019

Spalte:

785–786

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

[Kolb, Robert]

Titel/Untertitel:

From Wittenberg to the World. Essays on the Reformation and its Legacy in Honor of Robert Kolb. Ed. by Ch. Arand, E. H. Herrmann, D. L. Mattson.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018. 358 S. m. 3 Abb. = Refo500 Academic Studies, 50. Geb. EUR 90,00. ISBN 978-3-525-53126-6.

Rezensent:

Risto Saarinen

Der amerikanische Reformationshistoriker Robert Kolb hat jahrzehntelang in Nordamerika und auch Europa sein Fach durch grundlegende Studien zu Luther und zum lutherischen Konfessionalismus geprägt. Im englischsprachigen Raum ist er als Mitherausgeber der heutigen amerikanischen Ausgabe des Konkordienbuches (mit T. Wengert) sowie als Herausgeber von Oxford Handbook of Martin Luther (mit I. Dingel und L. Batka) bekannt. In der neuen kritischen Ausgabe der lutherischen Bekenntnisschriften hat er die Edition von Katechismen mitgestaltet.
Zur vorliegenden Festschrift haben viele leitende Reformationsforscher aus Nordamerika und Zentraleuropa beigetragen. Darüber hinaus enthält der Band Aufsätze von Kirchenleitern des konfessionellen Luthertums, vor allem der amerikanischen Missouri-Synode, in deren theologischem Seminar in St. Louis Kolb sein akademisches Leben verbracht hat. Durch Kolbs persönliches Engagement hat das konservative Luthertum in Amerika eine be­trächtliche Kompetenz in historischer Theologie aufgebaut.
Lubomir Batka (21–46) behandelt Luthers Psalmenauslegung von 1530. Er zeigt im Detail, wie die gleichzeitigen Ereignisse der fortschreitenden Reformation Luthers Auslegung gestalten. Nach vielen Enttäuschungen kehrt Luther in gewissem Sinne zurück zur Demutstheologie seiner Klosterzeit. Allerdings betont er das äußere Wort auf neue und reformatorische Weise.
Amy Nelson Burnett (47–66) untersucht die Vorbereitung für den Empfang des Abendmahls in den frühen Jahren der Reformation. Anstatt von äußeren Handlungen werden in den refor-matorischen Schriften die geistliche Haltung, der Glaube und die Einstellung der Christen hervorgehoben. Dadurch entsteht in den Vorbereitungsmahnungen eine gewisse Innerlichkeit. Interessanterweise fragt Nelson Burnett, ob diese Innerlichkeit nur für die gebildeten, höheren sozialen Klassen gemeint ist, während die populären Katechismen mehr Wert auf das einfache Memorieren der Glaubenssätze legen.
In seinem Beitrag zur Rechtfertigungslehre von Georg Karg (1512–1576) untersucht Erik H. Herrmann (93–107) das Problem des sogenannten aktiven Gehorsams im frühen Luthertum. Er zeigt, wie die Gerechtigkeit Gottes bzw. Christi im reformatorischen Verständnis nicht als moralisch oder gesetzlich zu verstehen ist. Trotzdem kehrt ein gewisser Nomismus zurück in die lutherische Theologie der zweiten Generation. Die Gefahr eines Antinomismus kann dabei als Hintergrundfaktor festgestellt werden.
Richard A. Muller (173–192) analysiert die Stellung des frühneuzeitlichen Luthertums zur natürlichen Theologie. Er bietet wenig beachtete Quellentexte zu den lutherischen Auseinandersetzungen mit Suarez und kommt zu der überraschenden Schlussfolgerung, dass die Lutheraner die Theologie der Schöpfung vernachlässigt hätten. Die deutschsprachige Sekundärliteratur zu dieser Frage (etwa von Gustaf Wingren bis zu Walter Sparn) diskutiert Muller allerdings nicht.
Mary Jane Haemig (67–80) studiert die reformatorischen Ad­ventspredigten zu Lukas 21,25–26 zwischen 1530 und 1580 und Paul Robinson (193–205) Luthers Predigten von der Auferstehung. Scott Hendrix (1–92) analysiert Luthers Aussagen über den Bauernkrieg und Daniel L. Mattson (143–172) seine Kenntnis vom Islam. Timothy Wengert (207–228) interpretiert die Theologie der Confessio Augus-tana variata. Irene Dingel (249–262) erläutert das komplexe Ver-hältnis zwischen Reformation und konfessioneller Identität. Mark Mattes bietet eine kurze Einleitung zu Luthers theologischen Schönheitsgedanken (291–308). Werner Klän (263–290) erläutert die hermeneutische Einsicht, der gemäß das biblische Wort als der Wohnort Gottes zu verstehen ist. Robert Rosin (309–326) vergleicht die hermeneutischen Einsichten des Luthertums mit diversen mo­dern-philosophischen Ansätzen. Zwei Beiträge behandeln Luthers Katechismen: Guntis Kalme (109–122) erläutert ihre Subjektbezogenheit (»für mich«) und Charles P. Arand (229–248) ihre Sprache des Geschöpf-Seins.
Sehr hilfreich ist die erstaunlich umfangreiche »Robert Kolb Bibliography. 2017–1968« (327–355). Kolbs Produktivität stammt zum Teil aus seinen jährlichen langen Aufenthalten in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Wie die Herausgeber treffend bemerken, Kolb ist wahrscheinlich »the only professor at an American seminary whose wristwatch is permanently set to German time« (15). Deswegen ist er seit Jahrzehnten ein Brückenbauer zwischen europäischer und amerikanischer Reformationsforschung und ein hoch geachteter und wegweisender Mitarbeiter in vielen umfangreichen Forschungsprojekten.