Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2019

Spalte:

653–655

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Langpape, Wolfram

Titel/Untertitel:

Hierarchie der Wahrheiten als ökumenisches Modell. Potentiale interkonfessioneller Verständigung ausgehend von den trinitarischen Dogmatiken Edmund Schlinks und Dumitru Stăniloaes.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Neukirchener Theologie) 2018. 348 S. Kart. EUR 50,00. ISBN 978-3-7887-3206-6.

Rezensent:

Michael Plathow

Erschöpfung und Stillstand im ökumenischen Dialog zwischen evangelischen und orthodoxen Kirchen zeichnet sich gegenwärtig ab. Der ekklesiologische Status der evangelischen Kirchen erfährt keine Anerkennung durch die orthodoxen Kirchen; auch die wechselseitige Anerkennung der Taufe ist nicht vorauszusetzen. Darum will Wolfram Langpape in seiner Heidelberger Dissertation »neue Verständigungsmöglichkeiten« (15) erforschen vom gemeinsamen Fundament der Trinitätslehre her mit dem ökumenischen Modell der »Hierarchie der Wahrheiten«: Beim evangelischen Ökumeniker Edmund Schlink (1903–1984) und beim rumänisch-orthodoxen Theologen Dumitru St ăniloae (1903–1993) erschließt das gemeinsame trinitarische Fundament interkonfessionelle Konvergenzen durch die Hermeneutik der »Hierarchie der Wahrheiten«. Einbezogen in die vergleichende Darstellung werden eigene Stellungnahmen von L. (326 ff.) sowie eigene Anregungen für weitere ökumenische Dialogthemen (335 f.).
Der Skopus der Arbeit zielt auf die ökumenische Bedeutung des trinitarischen Glaubens als bei Schlink und Stăniloae gemeinsames fundamentum fidei und hermeneutischer Schlüssel des Mo­dells der »Hierarchie der Wahrheiten«: Der Trinitätslehre als Quellgrund zugeordnet, erweisen sich weitere theologische Aussagen als Ableitungen, für deren Differenzen das trinitarische Zentrum ökumenische Annäherungen und Konvergenzen eröffnet.
Das für Schlink und Stăniloae gemeinsame fundamentum fidei der Trinitätslehre zeigt sich:
– in der Verkündigung der Taten des dreieinen Gottes, im selbstoffenbarenden Handeln der ökonomischen Trinität. Stăniloaes Ak­zentuierung der Schöpfungsmittlerschaft des Logos der Logoi, die auf den Gemeinschaftswillen Gottes verweisen, schließe die Teilhabe an der innertrinitarischen Gemeinschaft ein.
– In der trinitarischen Heilsgeschichte offenbart sich das Gegenüber der trinitarischen Personen. Stăniloaes dogmatische Beschreibung der dreifachen hypostatischen Subsistenz des We­sens und Subjektes Gottes, deren Einheit in der vollkommenen perichore-tischen Interdependenz besteht, entspreche bei Schlink der den Geheimnischarakter wahrenden »parallelen Aussagereihe« der unitas in trinitate und trinitas in unitate personaler Gemeinschaft (329).
– Ferner besteht eine Entsprechung darin, dass der Offenbarung der ökonomischen Trinität die doxologische Verherrlichung der im­manenten Trinität – im gottesdienstlichen Leben verortet – antwortet. Schlink insitiere dabei – gegen metaphysische Vorstellungen – darauf, dass die biblische Sprachwelt die Begriffsinhalte be­stimmt.
– Konvergenzen zwischen Schlink und Stăniloae erkennt L. in der Wertung des Filioque und der palamitischen Energienlehre.
Stăniloae lehnt das Filioque ab. L. sieht in der Interpretation des– mit J. Moltmann – Hervorgangs des Geistes vom Vater des Sohnes als Hervorgang des Geistes ex Patre per Filium eine konvergierende Möglichkeit. Schlink misst der kontroversen Diskussion um das Filioque eine untergeordnete Bedeutung bei, indem er die Be­kenntnisformulierung der Ost- und Westkirche komplementär verknüpft.
– L. bedenkt weiter als »Mittelgröße« (317) zwischen der Wesens-trinität Gottes und der Freiheit seiner Taten bei Schlink den vorzeitlichen trinitarischen Liebesratsschluss, dem bei Stăniloae die unerschaffenen Energien entsprächen, die vom Wesen Gottes ausstrahlen und die freie Form seiner Selbstmanifestation in der Welt darstellen.
Besondere Erkenntnisgewinne vermittelt L. zum einen – entsprechend der soteriologischen Ableitung nach dem ökumenischen Modell der »Hierarchie der Wahrheiten« – der differenzierten Konvergenz im Synergie- und Theosis-, zum andern im Kirchenverständnis zwischen Schlink und Stăniloae.
Eine »komplexe Pneumatologie« lasse – mit Schlink und Stăniloae – ein synergetisches Tun des Menschen allein in der Heilswirklichkeit des Geistes zum Ausdruck bringen. Auch die Theo-sislehre stelle – mit Schlink, der finnischen Lutherforschung und dem evangelisch-rumänisch-orthodoxen Dialogergebnis von 1988– 1991 – keinen Widerspruch zur evangelischen Rechtfertigungs-lehre dar. Entsprechungen zeigen ebenfalls Schlinks Verständnis der Gottebenbildlichkeit als Bestimmung zur Teilhabe an der imago trinitatis und Stăniloaes Anteilhabe des Menschen an Gott, d. h. an der Sohnesbeziehung des Sohnes zum Vater.
Gemeinsam gründen nach Schlink und Stăniloae auch die Kirchen im trinitarischen Heilshandeln Gottes, und zwar als Gemeinschaft der Glaubenden in Abbildung der innertrinitarischen Ge­meinschaft; der eschatologischen Vollendung entgegen wandert sie durch die Liebe des dreieinen Gottes. Dabei geht Schlink von der »kopernikanischen Wende« (333) aus, nach der die evangelischen und orthodoxen Kirchen, wie auch die anderen, von Christus her und auf Christus hin leben. Stăniloae spricht von einer abgestuften Zugehörigkeit, die erst mit der Übereinstimmung im Dogma und im Amt der orthodoxen Kirchen die voll verwirklichte Kirchengemeinschaft einschließt. Während nun aber für Schlink durch die gemeinsame Taufe als Tat des dreieinen Gottes sich die Einheit in Christus ekklesial anzeigt, sieht Stăniloae einen orthodoxen Verzicht der »Wiedertaufe« nur nach dem Oikonomia-Prinzip für möglich an. L. bedauert als eine empfindliche Störung in­nerhalb bestehender Gemeinschaftsstrukturen diesen noch ausstehenden Verzicht auf die »Wiedertaufe«; dasselbe gilt für die Feststellung der »10. Begegnung des Bilateralen Theologischen Dialogs zwischen Rumänischer Orthodoxer Kirche und der EKD« (2002), dass die Koinonia der Kirchen »immer auch die eucharistische Gemeinschaft« impliziert (Anm. 704).
Für die beiden ökumenischen Theologen – und das wird betont – sind jedoch noch weit darüber hinausgehende Formen konziliarer Gemeinschaft gegeben: die Weitergabe des apostolischen Zeugnisses; die heilige Schrift, ihre Auslegung, ihre Bedeutung in Liturgie und Spiritualität der Kirchen; die Glaubensantworten in Gebet und Lobpreis; die Charismen im Leben der Gemeinden und Kirchen. Angesichts weiter zu behandelnder ökumenischer Themenfelder in Theologie und Kirchen stellt L. am Schluss ausblickend fest: »Sollte es auf der Ebene der kirchlichen Dialoge gelingen, die hier für Schlink und St ăniloae ausgesprochene Wahrnehmung, dass die für das Modell der Hierarchie der Wahrheiten vorauszusetzende grundsätzliche Übereinstimmung im trinitarischen Fundament der Dogmatik besteht, zu bestätigen, stellte dies m. E. einen wichtigen Schritt in der Annäherung mit den orthodoxen Kirchen dar.« (336)
Den auf der Basis des gemeinsamen Glaubens an den dreieinen Gott mit Hilfe des Modell der »Hierarchie der Wahrheiten« nachgewiesenen Annäherungen und Konvergenzen zwischen dem evangelischen Ökumeniker Schlink und dem rumänisch-ortho-doxen Theologen Stăniloae ist im Blick auf den gemeinsamen ökumenischen Weg der Kirchen theologisch zuzustimmen. Dabei vermitteln besonders die differenziert argumentierenden Ausführungen zum Synergie- und Theosis- sowie zum Kirchengemeinschafts-Verständnis Erkenntnisgewinne.
Dem ins Stocken geratenen interkonfessionellen Dialog mit den orthoxen Kirchen vermag L.s Arbeit Impulse zu geben, indem er Themenvorschläge für weitere ökumenische Gespräche und Forschungsaufgaben benennt: »das Handeln des Geistes«, »die in der Trinität bestehenden Gemeinschaftsstrukturen der Kirche« (336). Dem ist mit Begeisterung nachzugehen.