Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2019

Spalte:

583–584

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kreuch, Jan

Titel/Untertitel:

Das Amos- und Jesajabuch. Eine exegetische Studie zur Neubestimmung ihres Verhältnisses.

Verlag:

Göttingen (Neukirchen-Vluyn): Vandenhoeck & Ruprecht (Neukirchener Theologie) 2014. 222 S. = Biblisch-Theologische Studien, 149. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-7887-2873-1.

Rezensent:

Katrin Zehetgruber

Jan Kreuch ist seit Februar 2018 Inhaber der Pfarrstelle der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Martinus in Deutsch Evern bei Lüneburg. Promoviert wurde K. mit seiner 2011 erschienenen Arbeit »Unheil und Heil bei Jesaja. Studien zur Entstehung des Assur-Zyklus Jesaja 28–31«. In dieser Arbeit kommt K. zu dem Schluss, dass ein Großteil des Assur-Zyklus in zeitlicher Nähe zum Propheten Jesaja entstanden sei, und versucht diese These anhand von Vergleichen mit assyrischer Propaganda zu stützen. In seiner Studie vergleicht K. nun Amos- und Jesajatexte und geht dabei der Frage einer potentiellen Abhängigkeit zwischen den Texten nach, die gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen.
Im Rahmen seiner Einleitung (Kapitel 1), in welcher K. die Fokusverschiebung in der Prophetenforschung vom historischen Propheten zur literarischen Tradentenprophetie kurz skizziert, kommt er auf sein Hauptanliegen zu sprechen. Dieses besteht darin, die Prophetenbücher in ihrer diachronen Schichtung auf Abhängigkeiten, Beeinflussungen und Wechselwirkungen zu untersuchen (vgl. 6). Kapitel 2 ist methodischen Vorbemerkungen gewidmet. In der Auseinandersetzung mit und Abgrenzung von den Positionen von Uwe Becker, Reinhard Gregor Kratz und Oswald Loretz zum traditionellen Am-Bild (2.1) kommt K. zu dem Fazit, dass die genannten Forscher gegen die traditionelle Sicht, wonach im Rahmen des Am-Buches »mit einem substantiellen Anteil von Texten aus dem 8. Jh. v. Chr. zu rechnen ist« (27), keine überzeugenden Gegenkonzepte vorlegen. In Unterabschnitt 2.2 legt K. dann zunächst die Methodik seiner Untersuchung dar. Entsprechend dem Zweck der Studie, das intertextuelle Verhältnis der Am- und Jes-Schrift zu bestimmen, wählt K. methodisch einen Dreischritt (vgl. 38): Im Anschluss an die Übersetzung werden beide Texte zunächst unabhängig voneinander datiert (1.); statt auf Stichwortverbindungen wird das argumentative Gewicht auf inhaltlich orientierte Kriterien gelegt (2.) und Argumente, die mehrere Textdimensionen betreffen, werden auf mögliche Einflüsse geprüft (3.).
Die Exegesen der infrage kommenden Texte (Amos 2,7 und Jes 10,1 f.; Amos 2,7; 3,10 und Jes 3,14 f.; Amos 3,8.12 und Jes 31,4 f.; Amos 4,1–3 und Jes 3,16 f.24–4,1; Amos 4,4 f.; 5,4–6.14 f.21–25 und Jes 1,10–17; Amos 4,6–12 und Jes 5,25; 9,7–10,4; Amos 5,1 f. und Jes 1,21–26; Amos 5,7.10.12b und Jes 5,20.23; Amos 5,11–12a und Jes 5,8–10; Amos 6,1–7 und Jes 5,11–13; Amos 6,1–7 und Jes 28,1–4; Amos 6,8–11 und Jes 3,1–9; Amos 9,1–4 und Jes 6; Amos 9,9 f. und Jes 28,14–22; Amos 9,11.14 f. und Jes 1,7 f.; 58,11 f.; Jes 6,11b–13 und die Amos-Verkündigung insgesamt) bilden den Hauptteil der vorliegenden Arbeit im 3. Kapitel des Buches (41–172). Die fundierten und detaillierten Exegesen folgen dabei stets demselben Muster aus Übersetzung, Datierung und der Bestimmung des Verhältnisses der Texte. An den Hauptteil schließt sich dann im 4. bis 6. Kapitel die Benennung von form-, traditions-, redaktions- und kompositionsgeschichtlichen Bezügen an (173–187).
Im buchbeschließenden 7. Kapitel muss K. als Ergebnis seiner Fragestellung festhalten, »dass es kaum stichhaltig zu belegende Bezüge zwischen dem Amos- und Jesaja-Buch gibt« (195). Trotz dieses weit-hin negativen Ergebnisses von nur geringen Text-Textbezügen – so reicht die Indizienlage nach K. nur im Fall der Überschriften Amos 1,1 und Jes 1,1 sowie von Amos 9,11.14 f. und Jes 1,7 f.; 58,11 f., um eine Bezugnahme zwischen den Texten zu vermuten (vgl. ebd.) – ist er in der Lage, für spätere literarische Stufen wichtige Bezüge aufzuzeigen:
So habe die Vorstellung vom Tag JHWHs ab der exilischen Zeit aus dem Am-Buch Eingang in das Jes-Buch (u. a. Jes 2; 13; 24–27; 28,21; 34,8; 61,2; 63,4) gefunden; dem Schluss des Amos-Buches in Amos 9,11.14 f. habe in nachexilischer Zeit das Jesaja-Buch mit Jes 1,7 f.; 58,11 f. als Vorbild gedient und die Überschrift des Am-Buches habe sich an der Überschrift des Jesaja-Buches orientiert (vgl. ebd.). Über den Aufweis dieser Bezüge hinaus kann K. dabei zeigen, dass die Be­einflussung auf den späteren literarischen Stufen dialogisch in beide Richtungen verlaufen ist. Er kommt abschließend zu dem Fazit, »dass der historische Prophet Jesaja vermutlich keine Kenntnis der Verkündigung des Propheten Amos hatte« (196). Zur Erklärung der vorhandenen Gemeinsamkeiten zwischen »authentischen Texten der beiden Propheten« (ebd.) führt K. den gemeinsamen Traditionshintergrund (Israeliten; JHWH-Glaube) sowie die vergleichbare so­ziale Situation im 8. Jh. an.
Auch wenn teilweise eine deutlichere Trennung der synchronen und diachronen Überlegungen wünschenswert gewesen wäre, leis-tet die Studie von K. einen kundigen Beitrag zu der seit Langem diskutierten Frage nach dem Verhältnis zwischen der Amos- und der Jesaja-Schrift. Über die inhaltlich fundierten Ergebnisse hinaus sind dabei die gute Lesbarkeit sowie die klare und leserfreundliche formale Gestaltung der Arbeit hervorzuheben.