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Ausgabe:

Mai/2019

Spalte:

538–539

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hastetter, Michaela C., u. Stefanos Athanasiou [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

»Ut unum sint«. Zur Theologie der Einheit bei Joseph Ratzinger/ Papst Benedikt XVI.

Verlag:

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet 2018. 188 S. = Ratzinger-Studien, 13. Geb. EUR 24,95. ISBN 978-3-7917-2939-8.

Rezensent:

Michael Plathow

Anlässlich des 90. Geburtstags von Joseph Ratzinger widmet der »Neue Schülerkreis Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.« diese Festschrift dem Jubilar. Zwölf Beiträge ordnen die »Theologie der Einheit« des Professors, Kardinals und Papstes ein zum einen in den 50. Jahrestag der Aufhebung der Exkommunikationen von 1054 am 7.12.1965 durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras von Konstantinopel; zum andern wird an die Bedeutung des Reformationsgedenkens 2017 für den Dialog der Wahrheit und der Liebe erinnert. Dabei werden wegen des Stillstands auf dem ökumenischen Weg die Voraussetzungen, Perspektiven und Impulse von Ratzingers »Theologie der Einheit« aufgezeigt.
Den Rahmen der Festschrift bildet zum einen der grundlegende Aufsatz von Kurt Kardinal Koch »Dienst an der vollen und sichtbaren Einheit. Das Ökumeneverständnis von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.« (10–38) und dessen Predigt vom »Lebenszeugnis der Liebe Gottes in ökumenischer Gemeinschaft« (178–183). Christoph Kardinal Schönborns persönliches Zeugnis zu »Visionen für die Zukunft der Ökumene« (172–177) zeigt mit dieser Predigt eine symphonische Einheit. Kurt Kardinal Kochs Aufsatz römisch-katholischerseits entspricht orthodoxerseits die Studie des griechisch-orthodoxen Metropoliten von Austria und Exarchen von Ungarn und Mitteleuropa Arsenios Kardamakis »50 Jahre Dialog der Liebe und der Wahrheit. Perspektiven für die Zukunft« (39–58).
Wie die genannten, so zeigen die weiteren Beiträge des »Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.« die durchgehende ökumenische Perspektive von Ratzingers »Theologie der Einheit«, und zwar unter pastoralem, theologischem und kirchenrechtlichem Aspekt. Sie weisen auch auf Ratzingers Distanz zu individualistischen (73), relativistischen (75.93) und säkularistischen Denkweisen (72.158) wie auch zum theologischen Intellektualismus (85).
Vor allem aber ist es das Anliegen, Grund und Quelle von Ratzingers Ökumeneverständnis als im Christusglauben (38.128) verwurzelt zu betonen, d. h. im Glauben an den dreieinen Gott »mit der Kirche« (51), wodurch sich Ratzingers Anfrage an das bei Luther (mit Paul Hacker) vermutete individualistische Verständnis von Heilsgewissheit andeutet (127.138). Dem Jubilar geht es beim ökumenischen Dialog um den »gottmenschlichen Offenbarungsdialog« (66) gelebter Heilserfahrung (73), um – wie Stefanos Athanasiou schreibt – eine »enhypostatische Theologie«, die im Wort Gottes Gott selbst sucht und findet (89). Am Beispiel des von Ratzinger reformierten Taufritus (22.2.2013) – und zwar aufgrund einer kritischen Anfrage von Damaskinos Papandreou 1976 – expliziert der Kirchenrechtler Christoph Ohly, mit Ratzinger in Abgrenzung von einem ekklesiologischen Pluralismus, dass die Teilkirchen die Ge­samtkirche repräsentieren, die in der katholischen Kirche verwirklicht ist (114.141).
Für eine reformierend-reformatorische Ökumene bedenkt Mi­chaela C. Hastetter die personal-existentielle, institutional-kommunitäre und atmosphärische Dimension (132–147); und Daniel Burns weist auf die geistlichen Impulse, die von Ratzinger für den Dialog der Wahrheit und der Liebe ausgehen: gemeinsames Gebet (150.167); theologischer Dialog und geschwisterliche Freundschaft (153), gemeinsames Zeugnis (155) und gerade auch die »Ökumene der Märtyrer« (163.175).
Ratzingers »Theologie der Einheit«, ausgerichtet auf die sichtbare Einheit, hat ihr spirituelles Fundament im Christusglauben, und – wie Kurt Kardinal Kochs Beitrag endet – »indem Papst Benedikt XVI. in seiner ganzen Verkündigung Christus in den Mittelpunkt gestellt hat, wird er als großer Ökumeniker in der heutigen Zeit in Erinnerung bleiben« (38).
Die Beiträge dieser Festschrift anlässlich von Papst Benedikt XVI. 90. Geburtstag zeigen eindringlich Ratzingers im gemeinsamen Glauben an Christus wurzelnde und davon Zeugnis gebende »Theologie der Einheit«; theologische Differenzen werden nicht ausgeblendet. Zugleich eröffnen die Aufsätze, einschließlich Erfahrungsberichten, ökumenischem Zeugnis und Predigt, an­schaulich und konkret die im interkonfessionellen Tagungsgeschehen bisweilen zu kurz kommende oder vergessene Perspektive des geistlichen Ökumenismus. Mahnung und Zuversicht, Ermutigung und Anregung sprechen aus den einzelnen Beiträgen des »Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.« für den gemeinsamen ökumenischen Weg, »damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast« (Joh 17,21).
Den an der Theologie von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. Interessierten und den ökumenisch Engagierten vermittelt das Buch mehr als Erkenntnisgewinne. Gern empfehle ich das Buch für Stunden beruhigter Lektüre.