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Ausgabe:

Mai/2019

Spalte:

508–516

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Dalferth, Ingolf U.

Titel/Untertitel:

God first. Die reformatorische Revolution der christlichen Denkungsart.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018. 298 S. Kart. EUR 28,00. 978-3-374-05652-1.

Rezensent:

Eilert Herms

Mit diesem Band legt Ingolf U. Dalferth eine Sammlung von zehn Texten (von 2012 bis 2018) zu den Themenbereichen Glaube, Leben und Denken im Glauben sowie Theologie vor als Darlegung des geistlichen Zentralanliegens der Reformation in seiner überdauernden Wahrheit und Orientierungskraft auch unter den heutigen Bedingungen der Spätmoderne. Die durch Themenschwerpunkt und Sachakzent verschiedenen Stücke müssten einzeln referiert und rezensiert werden. Weil von D. jedoch als Einheit gemeint (Titel, Vorwort, Klappentext), ist die Botschaft des Ganzen nachzuzeichnen und zu würdigen. Ein Risiko: Erstens ist diese Botschaft für den Rezensenten nur als sein eigenes Interpretationsergebnis greifbar, das D. jederzeit als unangemessen zurückweisen könnte, und zweitens kann der Rezensent nur auf eigene Faust unterstellen, dass D. auf dem Boden des heutigen evangelischen Christentums über dessen anhaltendes Inspiriertsein vom geistlichen Erbe der Reformation redet (was dieser selbst jedoch nirgends explizit offenlegt). Ausgehend von dieser Unterstellung lese ich die Sammlung als ein spezifisches Exemplar der Selbstbesinnung reformatorischer Theologie heute auf ihren Grund und Gegenstand, den christlichen Glauben als Orientierungskraft christlichen Lebens, und auf den Grund und Gegenstand dieses Glaubens: den Schöpfer-Gott in seiner Selbstoffenbarung.
Das Was und Wie von »Glaube« als Gottesverhältnis der Christen – unterschieden von »Glauben« als Schwachform des Wissens und Vertrauen auf andere Menschen (111 ff.) – ergibt sich aus dem Geschehen, das ihn »schenkt« (51), indem es ihn schafft. Das ist der dem Glaubenden »von anderswoher« »widerfahrene« (249) »Einfall« (216) Gottes, des Schöpfers, in das geschaffene Leben des Glaubenden, der von Letzterem nur in »Tiefenpassionalität« »erlitten« werden konnte und vermöge seines Charakters als die »Selbstvergegenwärtigung« von »Gottes Gegenwart« die »Gegenwart Gottes« des Schöpfers für das Geschöpf (den Glaubenden) bewirkt (227). Diese wiederkehrenden Wendungen sind für D. semantisch äquivalent mit der reformatorischen Rede vom Geschaffenwerden des Glaubens »durch Christus und den Geist« (154.250), die ihrerseits die Kurzformel für das Ostergeschehen ist (251–257): nämlich für das Handeln des Schöpfers durch Christus und den Geist als ein solches, welches uno actu Verschiedenes schafft (welches allein in Gott zusammenfällt): am Ort der Anhänger Jesu an Stelle ihrer alten Sicht des Kreuzes als Scheitern Jesu ihre neue Sicht, eben »die gottverdankte göttliche Sicht« seines Erhöhtseins zur Rechten Gottes; am Ort des Gekreuzigten schafft Gott für diesen die Diskontinuität zwischen seinem verzweifelten »irdischen Leben in den Tod« und »Jesu göttlichem Leben aus dem Tod«, und dies allein »in der Kontinuität seines (des Schöpfers) göttlichen Lebens«; zugleich mit dieser Verschiedenheit seines Wirkens am Ort Jesu und am Ort seiner Jünger schafft er aber auch die Verschiedenheit zwischen der Selbst- und der Fremderfahrung aller Beteiligten (Jesu und seiner Anhänger); sowie damit zugleich auch die Verschiedenheit zwischen dem, »was geschieht«, und dem, »wie es verstanden und erkannt wird«. Dieser österliche Charakter von Gottes Handeln durch Christus und den Geist, also der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers für das Geschöpf, schließt ein: dass sie jeweils Einzelne am unverwechselbaren Ort ihrer Existenz ergreift (293–297), dass sie diese Einzelnen in die Gemeinschaft des Glaubens versetzt, dass diese ursprünglich und bleibend Gemeinschaft Verschiedener ist (also Gemeinschaft im Streit, die als Einheit allein in dem sie schaffenden und erhaltenden Gotteshandeln real ist), und dies in bleibender Unterschiedenheit von ihrer nichtchristlichen Umwelt. Diesen österlichen Charakter des Handelns des Schöpfers durch Christus und den Geist findet D. im trinitarischen Denken erfasst (249 ff.281 ff.). Dieses bringt also ebenfalls nichts anderes zur Sprache als die Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers für seine davon betroffenen Geschöpfe, die Glaubenden. Weil diese sich auf den Schöpfer nicht anders beziehen als unter der Bedingung und in der Weise, wie sie sich durch ihn selbst, eben durch seine trinitarische Selbstvergegenwärtigung, auf ihn bezogen finden, ist der christliche Glaube radikaler Monotheismus: Er richtet sich auf den Schöpfer so, wie dieser selber sich selber durch Christus und den Geist gegenwärtig gemacht hat, also auf den sich ihm selbst vergegenwärtigenden Schöpfer selbst. Von anderen Monotheismen (etwa des Judentums, des Islams, aber auch der Philosophie [258 ff.]) ist christlicher Glauben dadurch unterschieden, dass es allein die Weise seines Geschaffenwordenseins durch die Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers ist, die das Ganze seines Was und Wie bestimmt.
Zunächst das Was: Die Selbstvergegenwärtigung Gottes versetzt den Glaubenden in die Gegenwart des »Schöpfers«, den »Grund alles Lebens, Denkens und Seins« (177), d. h. dessen, der »die Wirklichkeit alles Möglichen« (27.170), also »im strengen Sinne« überhaupt allein »ist« (169), nämlich über Sein und Nichtsein entscheidend (270), ohne den nichts möglich und real ist (280) und der alles, was von ihm unterschieden ist, in schöpferischer Freiheit (43. 102 f.) als das von ihm gewollte Gute (61.277) verwirklicht. Damit findet der Glaubende sich »eingebettet« (223) in das Leben des Schöpfers, in es hineinversetzt als in denjenigen Horizont, der jedes »Jenseits« oder »Außerhalb« ausschließt (293). Er umfasst also auch die Existenz des Glaubenden im Ganzen seiner Welt, und zwar so, dass er diese als das Geschaffene vom Schöpfer unterscheidet. Diese Grunddifferenz zwischen Schöpfer und Geschöpf ist für den Glaubenden artverschieden von allen Differenzen innerhalb des Ge­schaffenen, umgreift die Letzteren sämtlich, fundiert sie alle und relativiert sie (aufeinander und auf die Grunddifferenz) (29.47.288). Das gilt auch für den Unterschied des Menschseins gegenüber seiner Welt und allem in ihr, der darin besteht, dass es (also alle Menschen) nicht anders kann (können), als selber im Geschaffenen mit diesem (also mit sich selbst und ihrer Welt) eigenverantwortlich-bewusst effektiv umzugehen (56.80), und zwar unter der unausweichlichen Alternative, dies im Glauben, »glaubend« (66), zu tun (unter Anerkennung der Grunddifferenz und Orientierung der Lebensführung an ihr) oder im Unglauben, »nicht glaubend« (un­ter Ignorierung und Unbeachtetlassen der Grunddifferenz) (123–132). Nur für den Glauben sind diese Unterschiede sichtbar, aber als solche, die faktisch universal, für alle Menschen, gelten. Für alle gilt aus Sicht des Glaubens: Unglaube ist der »Normalzustand« (290). Auch der Glaubende hat ihn als eigenen im Rücken. Freilich nur als den, der als solcher sichtbar gemacht wurde durch die Selbstvergegenwärtigung von Gottes Gegenwart für den Glaubenden. Durch diese ist somit der Schöpfer dem Glauben als der gegenwärtig, welcher am Menschen (Luthers Kollektivsingular aus »de homine« wird festgehalten und damit der biblische Heilsuniversalismus) kontinuierlich »baut« (72 ff.), ihn auf seine Vollendungsgestalt hin heilszielstrebig »transformiert« (53). So viel zu dem, was dem Glauben aufgrund der Selbstvergegenwärtigung der Gegenwart Gottes gegenwärtig ist.
Wie ist dadurch dem Glaubenden dies alles gegenwärtig? Jedenfalls als die Bestimmtheit – nota bene: als tiefenpassiv (also Werk des Schöpfers) erlittene und keineswegs durch eigenaktive Setzung geschaffene Bestimmtheit – der Gegenwart des eigenen Lebens des glaubenden Menschen; und das heißt: als Bestimmtheit der Exis-tenz (des Daseins), somit also der Selbsterschlossenheit des Glaubenden (der Erschlossenheit seines geschaffenen Selbstseins für ihn selber), welche einschließt: die Erschlossenheit des Ganzen seiner geschaffenen (d. h. im Gotteshorizont lozierten) Welt und alles Seienden in dieser seiner Welt, also seiner Bezogenheit auf Umwelt in all ihren möglichen und realen Bestimmtheitsgestalten. Damit ist für den Glaubenden sein innerweltlich-umweltbezogenes Le­ben als die Zumutung gegenwärtig, es eigenverantwortlich zu führen in bewusster Orientierung an einem angemessenen Denken dieses seines glaubenden Existierens (die Lebensart [Lebensform] des Glaubens ist orientiert durch die Denkungsart [Denkform] des Glaubens [17]).
Angemessen ist dies Denken, wenn es das Was des Glaubens nicht abstrakt erfasst, abgesehen vom Wie seines Gegenwärtigseins, sondern konkret: als durch das Wie seines Gegenwärtigseins konstituiert und zu denken gegeben. Solche Angemessenheit er­reicht das Denken des Glaubens nur unter zwei Bedingungen:
– Erstens denkt es Glaube nicht als eine Haltung des »theorein«, sondern des »prattein«: als Weise des Vollzugs des innerweltlich-umweltbezogenen Existierens, die »glaubend« (Adverb) geschieht, also versetzt in den »Gotteshorizont«, und somit motiviert und orientiert durch das Ziel der Existenz, das dort liegt, wo schon ihr Ursprung liegt: im ewigen Leben des Schöpfers (132.196 ff.269 ff.).
– Zweitens hält das angemessene Denken des Glaubens fest, dass Glaube die Bestimmtheit der innerweltlichen Existenz des Glaubenden und nicht seiner innerweltlichen Umweltbezogenheit ist, also auch nicht gegenwärtig wie deren Relate. Letztere sind den Menschen als Bestimmtheiten ihres innerweltlichen Gegenübers auf eine Weise (nämlich durch »Erfahrung«) und in einer Gestalt (nämlich als »Phänomen«) so präsent, dass sie von außen »beobachtet«, in ihrer vom Beobachter (relativ) unabhängigen Seinsweise hinreichend angemessen »begriffen« und damit Inhalt eines »Wissens« werden können, das einen planmäßig-wirksamen erfolgreichen Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt (und dadurch mit ihrem Umweltverhältnis, also der jeweiligen situativen Gestalt ihres In-der-Welt-Seins, im ganzen) ermöglicht; und dies, ohne dass ihnen, was diese Umweltinstanzen selber in sich sind, »von innen« zugänglich wäre; wohingegen dem Menschen das andere Relat seines ihm in Gegenwart jeweils gegenwärtigen bestimmten Umweltverhältnisses in dieser seiner Eigenart gar nicht wie Umweltinstanzen durch »Erfahrung« und in Gestalt von »Phänomenen« präsent ist und somit nur von innen und gar nicht von außen durch Beobachtung zugänglich (280). Das konkrete Denken des Glaubens erfasst dessen Was, Gott, nur im Wie seines Gegenwärtigseins, also nur im Effekt seines Zustandegekommenseins durch die Selbstvergegenwärtigung der Gegenwart Gottes, und somit auf keinen Fall als durch »Erfahrung« vermitteltes »Phänomen« (91 u. ö.), aber ebenso auf keinen Fall als einen durch menschliche Denktätigkeit bestimmten »Begriff« (296), sondern ausschließlich als »Index« für das Hier-und-jetzt-für-Dich-Gegenwärtigsein-Gottes, wie es durch dessen Selbstvergegenwärtigung durch Christus und den Geist »hier und jetzt für Dich« geschaffen ist (291 ff.). D. schärft diese zweite Angemessenheitsbedingung des Denkens des Glaubens (gen. subj. und obj.) immer wieder ein. Werde nämlich der Unterschied zwischen der Bestimmtheit der innerweltlichen Existenz des Menschen als Freiheitswesen, die ihm selber gegenwärtig ist, als seine von ihm selbst in Freiheit zu vollziehende Existenz und der Bestimmtheit seiner mög lichen und realen Umweltinstanzen nicht mehr gesehen, anerkannt und praktisch respektiert, könne auch der Umgang der Menschen mit sich und ihresgleichen nicht mehr unterschieden werden von ihrem Umgang mit Umweltinstanzen – mit Instanzen also, deren bestimmte Existenz in der Umwelt von anderem(n) nur für diese(s) andere(n) gegenwärtig ist, jedoch nicht mehr gegenwärtig für sie selbst als Bestimmtheit ihrer Existenz als Freiheitswesen in der Welt und eingebettet in deren »Gotteshorizont«.
Das von solch angemessenem Denken des Glaubens orientierte Leben des Glaubens ist wesentlich verantwortlicher Selbstvollzug endlicher Freiheit am Ort jedes einzelnen Glaubenden, und zwar uneingeschränkt vernünftiger Vollzug (70 f.), der in unvertretbarer Verantwortlichkeit, orientiert an eigener Einsicht, alle im Denken des Glaubens erfassten Differenzen respektiert: also im »Gotteshorizont« seiner menschlichen Existenz und der Existenz seiner Welt die Geschöpflichkeit von beidem respektiert, dadurch zu einem wahrhaft menschlichen (63.220 ff.) Umgang (jenseits trügerischer Selbstverabsolutierung) mit allen Menschen als »Nächsten Gottes« befreit (62) sein eigenes Tun als Teilhabe am freien Wirken Gottes diesem als sein Werkzeug überlässt (61), somit sich verlässt auf die sich selbst vergegenwärtigende Gegenwart des Schöpfers als absolut Erstes und Letztes (16.175), und dies im Vertrauen darauf, dass das Wollen und Wirken des Schöpfers die Verwirklichung des Guten ist (43.47.53.61.109.277), also »hoffend« (154.163.256 f.264) auf dessen finales Realwerden und die Teilhabe an ihm.
Diese Sicht des Lebens des Glaubens schließt ein, dass schon der Glaube selbst und jeder Glaubende den Glauben denkt. In besonderer Weise aber die Theologie, die auf dem Boden des Glaubens, der Bedingung ihrer Möglichkeit, steht (138) und deren Aufgabe somit keine geringere ist als die Aufgabe schon des Glaubens selbst: Gott (in seiner Selbstvergegenwärtigung durch Christus und den Geist hier und jetzt für mich und dich) zu denken (142). Aber auf dem Boden des Glaubens arbeitet Theologie auch in Distanz und Unterschied zu ihm (138 ff.): erstens, indem sie die Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers in Christus durch den Geist so denkt, wie das Evangelium sie bezeugt, und somit das kritische Urteil über die Evangeliumsgemäßheit von Denken und Leben des Glaubens ermöglicht (kirchliche Theologie) (156 ff.); zweitens, indem sie den Glauben als Geschöpf der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers im Kontext zeitgenössischer Wissenschaft denkt (akademische Theologie) (156 ff.); drittens als »gesellschaftsbezogene« Theologie, die in verschiedenen »Bildungs-« und »Fortbildungszusammenhängen« die Grundunterscheidungen des Glaubens kritisch zur Geltung bringt (157 ff.).
Theologie, an die o. a. Angemessenheitsbedingungen des Denkens des Glaubens gebunden, wird »fragwürdig« als kirchliche Theologie, wenn sie Inkonsistenzen in Bekenntnis und Verkündigung zulässt und Freiheit und Vielfalt des Glaubens in der Glaubensgemeinschaft nicht schützt (156); »fragwürdig« als akade-mische Theologie, wenn ihr Denken nicht gegenüber einem »überbordenden Konstruktivismus« an der Frage nach »Wahrheit« festhält (160 f.), wenn sie das Denken des Glaubens in glaubensfremde Ganzheitszusammenhänge einordnet, eine religionswissenschaftliche Fremdbetrachtung des Glaubens übernimmt, den Glauben als Phänomen in der Erfahrungswelt – sei es als bloß his-torisches, psychisches oder soziales Phänomen – be­trachtet oder (gegen beide o. a. Angemessenheitsbedingungen verstoßend) den Glauben als theoretische Haltung gegenüber Mensch, Welt und Gott konzipiert, der mit dem »Beweis« für die Existenz Gottes steht und fällt; aber auch, wenn sie nicht im Gesamtbereich von Wissenschaft die Unverzichtbarkeit einer scientia practica, wie sie selbst eine ist (159 f.187 ff.), verteidigt; und »fragwürdig« als »gesellschaftsbezogene Theologie«, wenn sie nicht kritisch nach dem Verhältnis zwischen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit vertretenen Programmatiken und der Denk- und Lebensform des Glaubens fragt und nicht einerseits der Identifikation des Glaubens mit solchen Programmatiken und andererseits dem Entwurf »utopischer Gegenwelten zur faktischen Gesellschaft« widerspricht (157).
Die vorliegenden Texte sind nicht für Anfänger, nicht fürs Ge­meindeseminar oder Grundstudium. Ihre Einsichts- und Thesenfülle steht im umgekehrten Verhältnis zur Kürze ihrer meisten (auch gerne durch Doppelsinn und Paradoxie provozierenden) Sätze und erschließt sich erst dem zu erheblicher Zeitinvestition bereiten gründlichen, auch theologisch, philosophisch und historisch erheblich vorgebildeten Leser. Der freilich wird die Treffsicherheit bewundern, mit der hier das Grundanliegen der Reformation aufgegriffen und rekonstruiert wird: das Fundament der christlichen Denk- und Lebensform, eben »Glaube«, radikal als Ge­schöpf seines Grundes und Gegenstandes, das heißt: der österlichen Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers in Christus durch den Geist (Lk 24,34; 1Kor 15,3b–8), ernst zu nehmen. Der Band bietet, was er verspricht: eine bedeutende Vergegenwärtigung des geistlichen Erbes der Reformation.
Dessen Apostrophierung als »Revolution der christlichen Denkungsart« ist allerdings ein Missgriff: Die evangelische Bewegung verstand sich eben (und versteht sich bis heute) als Bewegung einer »Reform« (im Italienischen noch immer: reforma) mit keiner anderen Absicht, als innerhalb der schon real existierenden Glaubensgemeinschaft mit deren realem Fundament, dem österlichen Offenbarungsgeschehen, in dessen souveräner Eigendynamik ernst zu ma­chen unter Beiseitesetzung der gedanklichen Verkennung und praktischen Verstellung dieser Dynamik durch das römisch-katholische Selbstmissverständnis des kirchlichen Amtes (und aller seiner, auch schultheologischen, Folgen). Die Selbstbezeichnung der evange-lischen Bewegung als »Revolution« übernimmt und bestätigt das römisch-katholische Vorurteil ihr gegenüber (28) (insbesondere dann, wenn sie sich, wie in den vorliegenden Texten, mit einer Sicht auf die Kirche zwar als Geschöpf der Osteroffenbarung [141.253], aber nirgends als Instrument von deren geschichtlicher Selbstkontinuierung [Eph 3,10] verbindet); und sie verundeutlicht, dass das auf die gesamte real existierende Christenheit gerichtete Reforminteresse vom spirituellen Erbe der Reformation nicht zu trennen ist, also, wo dies heute lebt, auch seinerseits lebt. Überhaupt kennt der Glaube nur eine radikale Existenzverwandlung: die österliche; und die ist aus seiner Sicht keine „Revolution“: weder in Gottes Wollen und Wirken (sondern dessen Exekution), noch im Geschaffen- und Erhaltenwerden des Menschen (sondern gehört zur Verwirklichung seiner geschöpflichen Bestimmung durch seinen Schöpfer selbst). Darüber hinaus wären semantische Klärungen erforderlich.
Erstens bezüglich der sprachlichen Summenformel, mit der D. die Dynamik des Offenbarungsgeschehens durchgehend anspricht: »Selbstvergegenwärtigung der Gegenwart Gottes in unserer (oder für unsere) je eigenen Gegenwart« (16 f. u. immer wieder). Einheit und Eigenart des dadurch bezeichneten Geschehens werden erst deutlich, wenn die vorliegende Polysemie der Rede von »Gegenwart« aufgehellt wird (Bezeichnung des hier zu »denkenden« Unterschieds und des [radikal asymmetrischen] Zusammenhangs der jeweiligen Referenz der verschiedenen Verwendungen von »Gegenwart«); erster unverzichtbarer Schritt: die Klarstellung des Verhältnisses der Referenz von »Gegenwart« überhaupt und der von »Zeit« (Erstere als Konstitutionsbedingung der Letzteren). – Zweitens: bezüglich der Rede von »Erfahrung«, »Erleben«, »Phänomen«, »Erscheinung«. Die Referenz dieser Ausdrücke wird einerseits (auf der Linie Kants) auf Sachverhalte in unserer Umwelt eingeschränkt unter emphatischer Zurückweisung ihrer Verwendung zur Bezeichnung von Bestimmtheiten des menschlichen Selbst-, Welt- und Gottesverhältnisses (wer etwas sieht, sehe nicht ebenso zugleich sich selbst: 52.80.147.239); aber auch dieser Bestimmtheiten ihrer Existenz sind Menschen irgendwie »inne« (sonst könnten sie gar nicht besprochen werden), kein Wunder also, dass jene Ausdrücke häufig auch zur Bezeichnung dieses Inneseins (seines Zustandekommens, seiner epistemischen Eigenart und seines Gehalts) vorkommen (53.178.198.235.256. 281.282). Vermeidbare Äquivokationen, oder »denkend« aufzuhellende Poly-semie? Für letztgenannte Aufgabe könnte D. sich die Kant überholende disziplinierte Erweiterung der Rede von »Erfahrung«/»Phänomen« im Idealismus (Hegel) und in der Phänomenologie (Husserl, Heidegger) zunutze machen (ein Ansatz dazu: D.s Erinnerung an Husserls Krisisschrift [179]). – Drittens: Die »Grundunterscheidung Schöpfer/Geschöpf« ist eine ontologische. Das wird nicht hinreichend klar, wenn »Wirklichkeit« sowohl zur Bezeichnung des einen als auch des anderen (147) und schließlich auch der asymmetrischen Einheit beider (287) verwendet wird. Nur Gott »ist« (169); wie wäre der davon unterschiedene ontologische Status des Geschaffenen sprachlich zu bezeichnen? Ähnlich klärungsbedürftig: der sogenannte Exis-tenzoperator »es gibt«. Einerseits soll seine Prädikation von einem Sachverhalt diesen »in die Erfahrungswelt« (im kantisch eingeschränkten Sinne: 152.216) verweisen, andererseits wird »es gibt« auch prädiziert von »Glaube« (213.246), von »Welt«, von »Gott« (93), sogar von »Gott ohne die Welt« (167.276) – das kann so wohl nicht bleiben.

Terminologische Probleme verweisen auf offene Sachfragen:
a) Für den Rezensenten ist die erste und grundlegende: Das Denken des Glaubens (gen. subj.) fängt an mit Gott. Kann es das anders, als indem es mit dem anfängt, womit Gottes Zuwendung zum Menschen selbst anfängt: mit der geschaffenen Welt-des-Menschen? Nach biblischem Zeugnis: Nein.
b) Dann weiter: Ist es für den Glauben mit der Treue Gottes zu sich und seinem Geschöpf vereinbar, dass Gott an dieser seiner Grundgabe, eben der geschaffenen Welt-des-Menschen, nicht als dem durch ihn selbst gesetzten Boden (der durch ihn selbst gesetzten Voraussetzung) für sein gesamtes weiteres schaffendes, fortbauendes, umbauendes und vollendendes Wirken am Geschaffenen festhält?
c) Die Grundgabe ist real in der schaffenden Gegenwart Gottes und für diesen gegenwärtig kraft ihres Charakters als Welt-des-Menschen, aber zugleich auch real gegenwärtig für den Menschen in dessen geschaffener Gegenwart – was also ist dem Menschen mit seiner geschaffenen Welt gegenwärtig, wenn nicht vermittelst dieser der sie schaffende, erhaltende und fortbildende Schöpfer selbst? Sind Personen für Personen überhaupt anders selbst gegenwärtig als vermittelst ihrer Äußerungen, von denen jede selbst ihr Zu­rückbleiben hinter dem Leben ihres Autors bezeugt? Kann – aus Sicht des Glaubens – dem Menschen der Schöpfer in seinem Wollen, Wirken und Werk überhaupt anders gegenwärtig werden und sein als vermittelst seines schöpferischen Wirkens seines Werkes, der Welt-des-Menschen, und seines Wirkens an diesem?
d) Wenn Nein, kann dann von der Grunddifferenz »Schöpfer/ Geschöpf« anders die Rede sein als auf dem Boden einer Grunddifferenz im Geschaffenen: nämlich dem Unterschiedensein des glaubenden (adverbial) vom nichtglaubenden Existieren, des Existierens im Licht der Wahrheit über die Realität der Welt-des-Menschen vom Existieren jenseits dieses Lichts?
e) Wenn Nein, was gehört dann – für den Glauben – ursprünglich und wesentlich zur geschaffenen Welt hinzu? Offenbar strictissime alles, was in der Welt Menschen gegenwärtig, Ereignis (von »Eräugnis«), also so »Erscheinung« (zu-»sehen« gegeben) wird, dass es ihnen aufgrund dessen gewiss (über jeden nicht selbstwidersprüchlichen Zweifel erhaben) ist, nämlich gewiss als durch sie selber in eigener Verantwortlichkeit angemessen zu-verstehen und aufgrund dessen dann auch immer irgendwie, mehr oder weniger angemessen, verstanden (dazu gehören [aus Sicht des Glaubens]: nicht nur das Erscheinen [zu-sehen und Zu-verstehen-Gegebenwerden] von Relaten des Umweltverhältnisses des Menschen, sondern auch das Relat seines Selbstverhältnisses [das Ich – dessen konstitutive Flüssigkeit nicht erst Nietzsche, sondern schon Schleiermacher sah], ferner das Relat seines Weltverhältnisses sowie durch und an diesem auch das Relat seines Gottesverhältnisses; ja: in der Welt der Geist Gottes [Gen 2,7] und das Ab- und Ebenbild des schöpferischen Herrseins [Gen 1,26 f.] im Menschen sowie der eigene Logos des Schöpfers [Joh 1,14] im Evangelium Jesu Christi). Kann der Glaube »Welt« enger denken?
f) Wenn Nein, wie verhält sich der Glaube dann in Treue zu dieser Weite seines Denkens von Welt zu seiner – diese Weite nicht kennenden, nicht denkenden und lebenspraktisch nicht ernst nehmenden – nichtglaubenden Umwelt? Ist nur das Leben im Glauben »menschlich«, das im Unglauben »unmenschlich« (63, 220 f.224 f.). Nein, beides sind Weisen des Menschseins (220). Kann der Glaube die Differenz zwischen ihnen anders bestimmen als so: Während das Menschsein im Glauben die reale Existenz des »Menschen-in-der-Wahrheit (über seine Welt, sein Geschöpf- und Sündersein)« ist, ist das Menschsein vor und jenseits des Glaubens bestimmt zum Sein-in-dieser-Wahrheit, sie ist ihm aber noch nicht offenbar geworden, es existiert noch nicht »in ihr«, denkt und lebt sie noch nicht? Zwar kann der Glaube jeden dort (vor und jenseits des Weltdenkens des Glaubens) vorkommenden praktischen und denkenden Umgang mit Innerweltlichem und Welt »integrieren«, aber kann er das anders als nach der Regel von 1Thess 5,21, also je so, dass er einen derartigen Weltumgang und ein derartiges Weltdenken unbesehen als seines übernimmt, und nicht vielmehr nur so, dass er ihm jeweils den Ort zuweist, der ihm in der konkreten Weite des glaubenden Denkens von Welt zu­kommt (also auch unter Bestreitung der Möglichkeit einer gegenüber dem vorwissenschaftlichen Welt-Denken Neutralität prätendierenden Wissenspraxis)? Und:
g) Wenn Nein, wie hat der Glaube dann über I. Kant zu denken: über dessen Rede von »Phänomen«, »Erfahrung«, »Wissen«, »Welt« und »Gott«? Auf dessen Linie gilt: »Man sieht mehr als sich zeigt.« (236), nämlich Welt, Gott, Leben über den Tod hinaus und Freiheit, wobei freilich das ohne Erscheinung »Gesehene« ontologisch nur mehr als regulative Idee und Fiktion in Betracht kommt (91). Jedoch, kann der Glaube bezweifeln: »Es zeigt sich ( er­scheint [202], wird Menschen zu-sehen gegeben: ophthenai) mehr als sich aufzeichnen lässt!«? Und was ergibt sich daraus für das Verhältnis des Glaubens zum Gesamtbestand dessen, was heute »Wissenschaft« = »Science« heißt, und seinem Anspruch auf Letztorientierung des Zusammenlebens? Kann es für den Glauben mehr sein als »die halbe Wahrheit« (die, wenn und soweit sie sich als »ganze Wahrheit« ausgibt, die ganze Unwahrheit ist)?
h) Vermag der Glaube den kritischen Dialog mit seiner nichtglaubenden Umwelt zu führen, ohne in seinem Denken von Welt einerseits die Unterschiedenheit der Dimensionen des ihm (nota bene:) in seiner Welt zu-verstehen Gegebenen (im menschlichen Umweltverhältnis, im Selbstverhältnis, im Weltverhältnis und im Gottesverhältnis) bezeichnend und denkend festzuhalten, aber ebenso zugleich auch ihr unlösliches Aufeinanderbezogensein vermöge der Gleichursprünglichkeit ihres Gegenwärtigseins (Gegebenseins) angemessen zu verstehen, kraft deren alle diese Gegebenheitsdimensionen verschiedene Weisen der Anteilhabe an demselben sind: eben an dem Gegenwärtig- und Gegebensein, das sie alle in ihrer Unterschieden- und Aufeinanderbezogenheit umfasst, so dass sie sämtlich in dieser ihrer je eigentümlichen Korrelativität an­gemessen bezeichnet und gedacht werden müssen? Können Vollzugsmodi für eine dieser Verstehensdimensionen unter Ausschluss anderer gelten, die für das Verstehen und Denken überhaupt we­sentlich sind? Treten sie dann nicht vielmehr in jeder der Dimensionen auf, freilich in jeder auf andere Weise? Welches sind diese Vollzugsmodi des Bestimmtwerdens von uns Zu-verstehen-Vorgegebenem und des von diesem verlangten Rezipierens und Konzipierens des Zu-verstehen-Vorgegebenen? Angenommen, »fühlen« »bemerken«, »sehen«, »wahrnehmen«, »beobachten«, »vorstellen« (»imaginieren«: nicht bedeutungsgleich mit »fingieren«), »bestimmen«, »denken« werden zur Bezeichnung solcher wesentlicher Vollzugsmodi des Verstehens eingeführt und verwendet, kann ihre Referenz dann auf eine Dimension des Zu-Verstehenden eingeschränkt werden?
i) Wenn Nein, dann ist zwar mit Recht zu bestreiten, dass über jeden kohärenten Zweifel erhabene Gewissheit je durch »Beweise« zustande kommt (213). Aber kann dann ebenso auch bestritten werden, dass einerseits auch die vor und jenseits des Glaubens vorkommenden Verständnisse von Welt in deren jeweiligem Bezogensein auf ihren von ihr unterschiedenen Grund ebenfalls ins Welt- und Gottesdenken des Glaubens – kritisch! – zu »integrieren« sind und dass andererseits auch das Verstehen von Welt und Gott im Glauben nicht um angemessene »Beschreibungen« (135) des ihm Vorgegebenen herumkommt und auch nicht um einen »be­stimmten Begriff« von Welt als Schöpfung und einen ebenso »bestimmten Begriff« des Schöpfers als des Durch-sich-selbst(eben sein eigenes Wirken und Werk)-für-uns-bestimmten-an-sich-für-uns-Unbestimm-baren (251 ff.)? Kann dann bestritten werden, dass das Denken des Glaubens das Wirklichkeitsverständnis (die »Metaphysik«) des Denkens vor und jenseits des Glaubens unter Überholung seiner Abstraktheiten in das konkrete »Wirklichkeitsverständnis« (die konkrete »Metaphysik«) des Glaubens einholt?
k) Dann fragt sich weiter: Kann der Glaube davon absehen, dass sich der Schöpfer schon vor seiner Selbstvergegenwärtigung in Christus durch den Geist in der Gegenwart und für die Gegenwart von Menschen (durch die geschaffene Welt in der geschaffenen Welt) so selbstvergegenwärtigt hat, dass diese ihn aufgrund dessen unabweisbar zu-verstehen und auch schon immer irgendwie verstanden haben (Röm 1,21 f.)? Kann bestritten werden, dass – für den Glauben – die Frage nur sein kann: Wie und wo hebt in der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers schon vor Ostern im Geschehen von Welt (in dem an der Welt des Menschen bauenden Tun des Schöpfers) diejenige Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers an, die in der Inkarnation des Logos (der 2. Person der Trinität) und im Geschick des inkarnierten Logos ihre in via unüberholbare, auf die Vollendung der Welt vorauszeigende Weise erreicht hat (Hebr 1,1)?
l) Weiter: Wie verhält sich die Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers für die Propheten (Jes 6,1 ff.) zu der schon (wie Luther in Übereinstimmung mit Paulus sah und einschärfte) abermals »früher«, schon im paradiesischen Urstand, erfolgten Selbstvergegenwärtigung Gottes für den geschaffenen Menschen durch die Gabe des (Natur)Gesetzes (des grenzziehenden Verbots Gen 2,16 f.)?
m) Kann – aus Sicht des Glaubens – die Differenz der dadurch ge­schaffenen menschlichen Existenz-unter-dem-Gesetz zur menschlichen Existenz-unter-dem-Evangelium, die durch das Ostergeschehen geschaffen wird, anders bestimmt werden als die Differenz zwischen nichtglaubender Existenz, die als solche keineswegs Un­gewissheit hinsichtlich der Schöpfer/Geschöpf-Differenz ist, wohl aber Existenz im durch Trug inspirierten Misstrauen gegen den Schöpfer (so wiederum Luther), und glaubender Existenz, die als solche hingeris-sen ist vom im Geschick des inkarnierten Logos unverstellt und trugzer-reißend Gegenwärtiggewordensein Gottes als weltschaffender Wahrheit und Gnade und aufgrund dessen nun in restlosem Vertrauen auf und Hingabe an diese weltschaffende Wahrheit und Gnade sich selbst vollzieht (»das Ihre tut«)?
n) Muss – aus Sicht des Glaubens – nicht das Denken dieser Differenz als Gottlosigkeit versus Gottesgegenwart (oder als bloß möglicher versus aktuell realer Gottesgegenwart) ebenso zurückgewiesen werden wie die metaphorische Vorstellung der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers für das Geschöpf als »Re­so­nanz«-geschehen (das die Existenz des Resonanzbodens vor und außerhalb der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers vorstellt, und damit dies Geschehen nur noch als ein solches, welches den Resonanzboden zum Schwingen bringt, nicht aber radikal als Geschehen, das ihn schon geschaffen hat, ihn erhält und an ihm fortbaut)?
o) Schließlich zurück zur Ausgangsfrage: Ist dem Glauben die Grunddifferenz Schöpfer/Geschöpf anders zu verstehen gegeben denn als Differenz in der ewigen Gegenwart des Schöpfers, die einzig und allein »ist« (als das eine und einzige Wirkliche alles »wirkt«), außerhalb deren aber nichts möglich und nichts real ist, so dass alles vom Wirken des Schöpfers Gewirkte (jedes mögliche seiner Werke) zwar wesentlich von diesem seinem Wirken verschieden, aber nicht außerhalb seines Wollens und Wirkens real ist (Luther: Während unsere Werke unser Wollen und Wirken überdauern, werden Gottes Werke samt und sonders von seinem schaffenden Wollen und Wirken überdauert [WA 18, 616,2–12]); so dass alle durch das Wollen und Wirken des Schöpfers gesetzten Differenzen als solche (Differenzen) nur real sind als umgriffen von der Einheit seines Wollens und Wirkens? Muss nicht der Glaube jede Vorstellung, die das, was der Schöpfer durch sein Wollen und Wirken als von sich verschieden gesetzt hat, außerhalb seines Wollens und Wirkens setzt, zurückweisen als falsches Denken der Schöpfer/Ge­schöpf-Differenz? Kann der Glaube Geschaffenes, mögliches und reales, anders als »eingebettet« (39) in das, also auch umgriffen von dem, Wollen und Wirken des Schöpfers denken, also durch ihn selbst von ihm unterschieden in ihm (nämlich in seiner Gegenwart, aus der nichts Mögliches und Reales herausfallen kann)? Kann er reales Heil und reales Unheil (Gericht) denken, wenn er nicht alles geschaffene Reale in der unentrinnbaren Einheit des einen und einzigen schöpferisch Wirklichen (Wollenden und Wirkenden) denkt? Kann er also die Einheit der Realität der Schöpfer/Geschöpf-Differenz anders als im wohlbestimmten Begriff des »Panentheismus« denken? Muss er nicht eine Verachtung des Panentheismus, die von der falschen Unterstellung lebt, dieser Gedanke ziehe den realen Unterschied des Geschaf-fenen gegenüber dem Schaffenden ein (290.294), als unevangelisches (un- reformatorisches) Denken des Glaubens zu­rückweisen (insbesondere angesichts der Tat-sache, dass einflussreiche theologische Schultraditionen des späten 19. und frühen 20. Jh.s unter dem Einfluss problematischer philosophischer Hintergrundorientierungen – nämlich kantianischer und platonischer – die Neigung zu dieser verkürzten Sicht des Schöpfer/Geschöpf-Verhältnisses habituell gemacht haben)?
Alle Texte des vorliegenden Bandes regen zu weitreichenden Fragen an. Eine faszinierende Lektüre, Seite für Seite.