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Ausgabe:

Mai/2019

Spalte:

491–492

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Pedersen, Daniel James

Titel/Untertitel:

The Eternal Covenant. Schleiermacher on God and Natural Science.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2017. XII, 187 S. = Theologische Bibliothek Töpelmann, 181. Geb. EUR 99,95. ISBN 978-3-11-054080-2.

Rezensent:

Anne Käfer

Der ewige Knoten zwischen christlichem Glauben und Naturwissenschaft sowie Schleiermachers Lösung für das Verhältnis von beiden sind Thema dieses Bandes. Daniel James Pedersens Unter-suchung beabsichtigt aufzuzeigen, welches Verhältnis Schleier-macher für angemessen hält. Zu diesem Zweck wird vor allem Schleiermachers »Der christliche Glaube« in einem Nachdruck derjenigen englischen Übersetzung herangezogen, die von D. M. Baillie und anderen aus dem Jahr 1928 stammen soll; welche Auflage der Glaubenslehre dieser Übersetzung vorgelegen hat, ist nicht angegeben.
P. wendet sich zunächst dem naturwissenschaftlichen Kontext des frühen 19. Jh.s zu. Hierbei verweist er auf erste Vorläufer der Evolutionstheorie von Charles Darwin. Dessen Großvater Erasmus Darwin habe bereits in ähnlicher Weise wie sein Enkel von der Entstehung der Arten gehandelt. Und Schleiermachers Ausführungen wiederum stimmten mit den Überlegungen von Erasmus Darwin überein; dieser habe eine Evolutionslehre aufgestellt, »which completely coheres with Schleiermacher’s« (39). Doch Schleiermacher habe nicht nur die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit rezipiert, sondern insbesondere auch Einsichten des Philosophen Leibniz. P. stellt fest, Schleiermacher wie Leibniz gingen davon aus, dass Gott gemäß seiner Weisheit die Welt geschaffen habe.
Das von Leibniz wie Schleiermacher geteilte »argument from divine wisdom« lasse keine absoluten Wunder zu (49). Doch nicht nur dieses Argument, sondern »[a]ll of Leibniz’s major moves in his argument against miracles are repeated in The Christian Faith« (59). Schleiermacher gehe wie Leibniz von einer teleologisch verfassten Schöpfung des allmächtigen Gottes aus, deren Entwicklung zu einem göttlichen Ziel vorherbestimmt sei. Auch werde von Schleiermacher dementsprechend die Welt als ursprünglich vollkommen angenommen. Selbst die freien Wirkursachen seien hierin inbegriffen. Da sie von Gott schlechthin abhängig seien, könnten sie niemals der vorherbestimmten Vollkommenheit entgegenstehen; »no attempt to render the perfection of the world merely potential can succeed by appeal to free causes once their absolute dependence on God is granted« (66).
Da der gesamte Schöpfungsprozess von Gott schlechthin ab­hängig und in Weisheit geschaffen sei, müssten absolute Wunder ausgeschlossen sein; sie stünden im Widerspruch mit der Annahme »of a single Whence on which we find ourselves absolutely dependent« (94). Mit seiner Verneinung absoluter Wunder werde Schleiermacher, wie P. treffend bemerkt, im Gegensatz zu seinen Kritikern, der »God-world relation« gerecht (94): »Ironically, in light of the history of attacks against him, it is Schleiermacher who, un-like his opponents, not only values, but actually sustains a sufficient creator-creature distinction.« (96)
Nach P.s Urteil geht Schleiermacher in entscheidenden Einsichten einig mit Leibniz, nicht aber mit dessen Lehre von der besten aller möglichen Welten. Vielmehr folge er Spinoza, der selbst jedoch die teleologische Ausrichtung des Naturprozesses ablehne, in der Annahme von Naturnotwendigkeiten, und zwar »precisely to deny God transworld identity by denying that there are any possible worlds for God to have identity in« (126).
Schleiermacher verbinde die Überzeugung von einem durch Notwendigkeit ausgezeichneten Naturprozess, der also naturwissenschaftlich erforschbar sei, mit der Annahme einer zielgerichteten Schöpfung. Indem er so Einsichten von Leibniz mit denen von Spinoza verknüpfe, gelange er zu dem Ergebnis, dass Gottes Weisheit einzig und allein in der einen geschaffenen Welt zum Ausdruck komme. Dies unterstreicht P., indem er darauf hinweist, dass Schleiermacher die Schöpfung Gottes als göttliches Kunstwerk verstehe; es verdanke sich der göttlichen Weisheit und gründe in der Liebe Gottes.
Dieses Schöpfungsverständnis führt P. zu der Frage nach dem Woher des Bösen angesichts der Liebe Gottes, ehe er schließlich darlegt, welche Lösung des Knotens seinem Urteil nach von Schleiermacher für angemessen gehalten wird. »[A] cooperative union, a friendship, between theology and science in pursuit of a shared perfection« sei im Sinne Schleiermachers (167). Solche Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Disziplinen hält P. gerade auch heute für angebracht, um das Kunstwerk Gottes, das sich den Naturnotwendigkeiten gemäß entwickele, besser verstehen zu können.
P. gibt in seiner Untersuchung den Positionen von Leibniz und Spinoza viel Raum, so dass die von ihm festgestellten Bezugnahmen Schleiermachers gut mitvollzogen werden können. Dies ist lohnend für das Verständnis Schleiermachers. Bedauerlich ist aber, dass Schleiermacher nahezu ausschließlich in einer alten englischen Übersetzung, ohne Angabe des zugrundeliegenden Originals wiedergegeben wird und auch die Auseinandersetzung mit den reichhaltigen deutschsprachigen Schleiermacherinterpretationen überaus rar ausfällt. Bei den von P. aufschlussreich behandelten Themen ist für die Zukunft internationaler Wissenschaftsaustausch sehr zu wünschen.