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Ausgabe:

Mai/2019

Spalte:

465–466

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Williams, D. H. [Transl. and Ed.]

Titel/Untertitel:

Matthew. Interpreted by Early Christian Commentators.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2018. XXVIII, 570 S. = The Church’s Bible. Geb. US$ 65,00. ISBN 978-0-8028-2578-0.

Rezensent:

Cosmin Pricop

Im Rahmen der als The Church’s Bible betitelten und im Eerdmans Verlag veröffentlichten Kommentarreihe, deren Hauptherausgeber Robert Louis Wilken ist, erschien der dem Matthäusevangelium gewidmete Band, der D. H. Williams, Professor für Patristik und Historische Theologie an der Baylor University, zum Übersetzer und Herausgeber hat. Der Band, dessen genauer Titel Matthew. Interpreted by Early Christian Commentators lautet, besteht hauptsächlich, wie alle in derselben Reihe publizierten Bände, aus seitens unterschiedlicher Kirchenväter durchgeführten Auslegungen zum Matthäusevangelium bzw. zu unterschiedlichen Perikopen der er­wähnten neutestamentlichen Schrift.
Das Buch wird mit der Einleitung zu der ganzen Reihe (Series Preface) eröffnet (IX–X), die die Unterschrift von Wilken als Hauptherausgeber trägt. Zwei wichtige Feststellungen lassen sich aus diesem Vorwort herleiten:
a) Das Ziel der Reihe The Church’s Bible liegt darin, den Reichtum der kirchlichen klassischen Auslegungstradition der Bibel für Klerus, Sonntagsschule, Religionslehrerinnen und Religionslehrer und für alle ernsthaften Leserinnen und Leser verfügbar zu ma­chen, da heutzutage diese ältere Tradition der Bibelauslegung nur bruchstückweise (»only in bits and pieces«, IX) bekannt ist und die ganze geistliche Welt dahinter schattenhaft und undeutlich (»shadowy and indistinct«, IX) bleibt.
b) Das Hauptmerkmal der Reihe besteht in der Wiedergabe dieser patristischen Schriftauslegungen, die explizit im Rahmen von Kommentaren oder Homilien zu spezifischen biblischen Büchern zum Ausdruck gebracht wurden.
Nach diesem allgemeinen Vorwort kommt eine Art theologischer, Interpreting the New Testament betitelter Essay, als dessen Verfasser wieder Wilken zu nennen ist (XIII–XXI). Hier stellt Wilken zusammenfassend die eigene Perspektive hinsichtlich der Entstehung und Entwicklung von biblischen Texten und deren späteren patristischen Interpretationen dar, indem er von dem Ereignis der Auferstehung Christi als Hauptparadigma späterer Erzählungen und Verschriftlichungen ausgeht (XIII). Die Erinnerungen des Lebens und Wirkens Jesu Christi und besonders seiner Auferstehung als Inhalt der mündlichen Tradition wurden, so Wilken, durch Abfassung von heute als neutestamentlich bezeichneten Schriften zum selben Thema ergänzt, die als Bezugspunkt für die nachfolgenden Generationen von Christen, zu denen auch die Kirchenväter gehören, galten. Konkrete Aspekte patristischer Schrift- auslegungen, zu denen die Aktualisierung der Textbedeutungen für die jeweiligen Leser oder Zuhörer zählt, sind miteinbezogen.
Des Weiteren folgt die Einführung des Herausgebers und Übersetzers des Matthäus-Bandes, Williams (XXIII–XXVIII). Er anerkennt die Vorliebe der patristischen Auslegungstradition für das Matthäusevangelium, weil dessen Verfasser den umfassendsten Bericht über das Leben Jesu liefert (»From the unique details of Christ’s birth to his post-resurrection appearances, Matthew offers the fullest account of his life«, XXIII). Der Grund solcher Beliebtheit oder Popularität liegt für Williams in der Tatsache, dass Matthäus als Evangelium der Erfüllung oder Vollendung alttestamentlicher Prophezeiungen betrachtet werden kann. Dies unterstütze für Williams die späteren patristischen übertragenen, typologischen oder geistlichen Deutungen (XXIV), von denen der Übersetzer auch manche Beispiele in seiner Einführung gibt. Williams erklärt außerdem auch den Grund für die Einbeziehung mancher patris-tischer Auslegungen, die antijüdische Züge aufweisen, indem er die Bedeutung deren ursprünglicher Kontexte hervorhebt. Wie im Falle von Wilken (XVIII–XIX) positioniert und profiliert auch Williams dezidiert die Tradition der patristischen, vor allem geistlich-übertragenen Bibelauslegungen als notwendige Ergänzung und zum Teil sogar als Gegenüber zur gängigen akademisch-exegetischen Herangehensweisen an biblische Texte: »Unlike modern scholarly exegesis practiced in academic circles, patristic exegesis took place within the Church and for the Church […] For that reason, interpretation was not governed by the supposed original in­tention of the biblical author, nor could the word of God be comprehended by imposing on biblical texts a single meaning.« (XXVI) Hinweise zu der Gestaltung und Organisierung der Gesamtarbeit schließen die Einführung ab.
Den Hauptinhalt des Bandes bildet die Wiedergabe der Auslegungen zum gesamten Matthäusevangelium (oder nur zu ausgewählten Teilen davon) von 38 patristischen Autoren aus unterschiedlichen Kontexten, Traditionen und Wirkzonen. Alle Verfasser gehören zu den ersten sieben Jahrhunderten christlicher Ära. Die erwähnten Interpretationen sind an der Kapiteleinteilung bzw. der Perikopenteilung jedes Kapitels des Evangeliums orientiert. Das Herangehen an jedes Kapitel ist wie folgt gestaltet: Zu Beginn findet sich eine knappe Einleitung des Übersetzers, die den Inhalt und die wichtigsten Themen des behandelten Kapitels präsentiert; es folgt die Wiedergabe des biblischen Textes einer Peri-kope oder eines Abschnittes aus dem jeweiligen Kapitel; nach dem biblischen Zitat sind die patristischen Texte angegeben, die die je­weilige Perikope oder den jeweiligen Abschnitt auslegen. Eventu-elle Erklärungen oder Bemerkungen des Übersetzers bzw. Herausgebers sind in Fußnoten zu finden.
Der Band endet mit zwei Anhängen (die übersetzten patristischen Autoren und die Textquellen für die Übersetzung) und mit drei Indizes (Namen, Subjekte und Bibelstellen).
Williams stellt somit ein sehr wichtiges und zugleich notwendiges Instrument zur Verfügung, das die Aufmerksamkeit der Bibelexegeten hinsichtlich des Matthäusevangeliums auch auf die patristische Auslegungstradition der benannten neutestament-lichen Schrift lenkt. Für eine erste Orientierung innerhalb der pa­tristischen Schriftauslegung sowohl der interessierten Leserschaft im Allgemeinen als auch der Bibelexegeten im Besonderen schafft das Buch eine hilfreiche Basis, die gewissermaßen mit anderen ähnlichen Initiativen wie Biblia Patristica oder eher noch Ancient Christian Commentary on Scripture vergleichbar ist. Nichtsdestoweniger lässt sich die Frage stellen, inwiefern die von Wilken im Rahmen seiner Series Preface mit Recht geäußerte, die aktuelle bruchstückhafte Kenntnis der patristischen Bibelexegese betreffende Sorge anhand des vorliegenden Matthäus-Bandes der The Church’s Bible Reihe (wie anhand aller Bände der Reihe) tatsächlich und we­sentlich verbessert bzw. vervollständigt wird. Nicht nur die ganze patristische Erfahrung der Schriftexegese, sondern auch jeder pa­tristische Autor als Bibelexeget bildet ein umfangreiches, komplexes, vielschichtiges und oftmals unübersehbares Universum, für dessen sachgemäße Wahrnehmung mit Sicherheit nicht nur eine Lektüre in Auszügen genügt.