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Ausgabe:

April/2019

Spalte:

360–362

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hedley, Douglas

Titel/Untertitel:

The Iconic Imagination.

Verlag:

New York u. a.: Bloomsbury Academic 2016. 320 S. Kart. £ 25,99. ISBN 978-1-44119463-3.

Rezensent:

Anna Niemeck

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Westerkamp, Dirk: Ikonische Prägnanz. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2015. 187 S. m. 43 Abb. Geb. EUR 25,90. ISBN 978-3-7705-5937-4.
Hofmann, Peter: Bildtheologie. Position – Problem – Projekt. Paderborn: Ferdinand Schöningh 2016. 220 S. = ikon. Bild + Theologie. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-506-78449-0.


Douglas Hedley, Professor für Religionsphilosophie an der Universität Cambridge, untersucht in The Iconic Imagination, diesem letzten Band seiner Trilogie zur religiösen Imagination, wie Bild und Einbildungskraft verbunden sind und jene in ihrer vermittelnden Funktion als Träger des Transzendenten fungiert. Das erste der acht Kapitel nähert sich dem Bild im Kontext der Kunstgeschichte. Entgegen der gegenwärtigen Ansicht, ein Bild sei autonom zu verstehen, plädiert Hedley für ein platonisches Verständnis vom Bild, das das Bild als Inhaber nicht-propositionaler Wahrheit (vgl. 29) und Transzendenz als notwendig für die Bedeutung von Bildern versteht. Das zweite Kapitel beleuchtet das Problem der menschlichen Einzigartigkeit und der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit. In Übereinstimmung mit der (kultur-)anthropologischen Forschung definiert Hedley die Imagination als unvermeidlich und deren Repräsentation im Bild als Ausdruck des menschlichen Vermögens des Wählens (vgl. 45 f.). Im dritten Kapitel widmet sich Hedley der anagogischen Dimension der Imagination, die während der Betrachtung von Schönheit auf das Göttliche hinzuweisen vermag. Hier bezieht sich der Autor schlaglichtartig auf den Romantiker Samuel Taylor Coleridge und die Philosophen Roger Scruton und Robin George Collingwood. Unter besonderer Berücksichtigung von C. S. Lewis’ Roman »Till We Have Faces« untersucht das vierte Kapitel die Bedeutung von imaginärer Narration für die Formung von Moralität. Freiheit, so Hedley, kann nur aus dem Sehen, Interpretieren und Anwenden von Bildern heraus entstehen (vgl. 118). Die darauffolgenden Kapitel erkunden die Wichtigkeit des Symbols als Repräsentation einer höheren Realität in niederer Form, den Stellenwert von Idolatrie und Ikonoklasmus in monotheistischen Religionen und das Verhältnis von Mythologie und Geschichte. Danach beschreibt Hedley das ästhetische Vermögen der natürlichen Welt und die Johannes-Offenbarung als eine paradigmatische kontemplative Vision der Welt (vgl. 218). Abschließend befürwortet Hedley Transzendenz, wertschätzt die Bilder als be­deutsam für die Vorstellung vom Unendlichen durch das Sichtbare und Temporäre und als Quelle für die Bejahung der Welt (vgl. 259). Hedley demonstriert anhand mannigfaltiger Beispiele der Geistesgeschichte – von Plotin über Augustin bis Jonas –, aber vor allem auf Grundlage platonischer Metaphysik und romantischer Hochachtung der Imagination eine in vielerlei Hinsicht aktuell anschlussfähige Affirmation der Einbildungskraft.
Dirk Westerkamp, Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, publiziert mit seinem Aufsatzband Ikonische Prägnanz ein Deutungsmodell vormoderner Kunst, das den Anspruch verfolgt, zeit- und handlungskonzentrierte Bildwerke zu ergründen (vgl. 34). Bereits die Einleitung nimmt anhand von zehn sinnverwandten Wortgruppen eine forschungsgeschichtliche Zusammenführung auf die Theorie der ikonischen Prägnanz vor. Diese stützt sich vor allem auf Ernst Cassirers Begriff der »symbolischen Prägnanz« und G. E. Lessings Forderung der Darstellung des »prägnantesten Augenblick[s]«. Ikonisch prägnant, so Westerkamp, sind Bildwerke zu bezeichnen, »in denen ein aus Gestaltqualitäten komponiertes Ganzes die Totalität eines bestimmten Handlungs- und Sinnzusammenhangs auf den jeweils anschaulichen und evidenten Moment verknappt, durch den ein Optimum an Bedeutung und ›Geschehensdichte‹ präsentisch durchscheinen kann« (27). Dabei geht es um keinerlei Eindeutigkeit in der Interpretation, denn so kommt es Westerkamp auch auf »die Möglichkeit der Suspension eindeutiger Bestimmung« (16) an. Zwei große Abschnitte widmen sich dann in jeweils drei Unterkapiteln der »philosophischen Ikonologie« (34), der Untersuchung konkreter Kunstwerke mit verdichteter Komplexität und Konzepten zu derselben. Beginnend mit Jan Lievens und Rembrandts Gemälden der Opferung Isaaks, werden Einwände gegen Lessings Laokoon-Schrift selbst diskutiert und Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Kunst erörtert. Kapitel zwei untersucht weitere Bildbeispiele anhand von Szenen aus Platons Phaidon und Symposion auf ihre verschieden gewichteten, verdichteten Handlungsmomente und deckt verwendete »Strategien des Zeigens« (76) auf. Dann erläutert Westerkamp, wie Bilder die eigentlich undarstellbare Zeit entzeitlicht, simultan, sich entziehend oder schwankend darstellen können.
Die folgenden Kapitel des zweiten Teils stellen als ikonisch prägnant frühchristliche Reliefs tragischer Szenen, vor allem Schmerzenskinddarstellungen, vor, fragen nach den Umständen der Nicht-Umsetzung einer Ikonographie des lachenden Christus und nehmen eine Typologisierung der Mandorla vor. Ohne Nachwort endet Westerkamps Buch leider etwas abrupt, kann aber nichts-destotrotz als eine überaus lehrreiche exemplarische Studie zur Ikonologie verstanden werden, die anhand ihrer Leitworte einen Zugang zu Bildern mit inszeniertem »Da« aufschlüsselt (vgl. 30).
Der Augsburger Fundamentaltheologe Peter Hofmann legt mit Bildtheologie. Positionen – Problem – Projekt seine nunmehr zehnte Monographie vor. Hierin wird das Projekt einer Bildtheologie nicht nur als diskutabel, sondern als notwendig herausgearbeitet. Es geht in diesem Beitrag also vornehmlich nicht um die Verteidigung einer bestimmten Position innerhalb der Bildtheologie an sich, sondern um eine Rechtfertigung der Disziplin als solcher (vgl. Vorwort). Das Buch gliedert sich dem Titel entsprechend in drei Abschnitte. Zunächst geht Hofmann der Frage nach, was ein Bild ist und welche Rolle die Theologie bei ihrer Beantwortung einnehmen kann. Hierin stellt er sich dem methodologischen Problem, den nicht-begrifflichen Mehrwert von Bildern begrifflich zu fassen. Dabei zeichnet er zum einen kommentierend Debatten innerhalb des Bilddiskurses, vor allem die Position Hans Beltings, nach. Zum anderen zeigt er auf, dass die skizzierten bildtheoretischen Debatten zum Teil strukturisomorph zu Diskursen innerhalb der Theologie sind. Vor allem die Frage nach dem Verhältnis von An­schauung und Begriff stehe im Zentrum beider Disziplinen. So geht es jeweils darum, die Grenzen begrifflichen Denkens herauszuarbeiten. Schließlich resümiert Hofmann, dass die Fragen nach dem Bild und der Offenbarung strukturell identisch sind, da Gott in der Offenbarung – genau wie Bilder – nicht nur auf etwas von sich Unterschiedenes verweist, sondern im selben Maße sich selbst zeigt. Diese Ambivalenz zwischen Verweisen und doch Gegenwärtigsein kann als verbindende Eigenschaft verstanden werden (vgl. I. Position). Der zweite Abschnitt präzisiert, in welcher Hinsicht Bilder für die Theologie problematisch sind und warum sie seit den theologischen Ursprüngen stets ein umstrittenes Thema waren. Zentral sind für Hofmann hierbei die Arbeiten Joseph Ratzingers und die Nachgeschichte des zweiten Konzils von Nicäa (787) (vgl. 67 ff.). Auch wenn Hofmann dann würdigend auf die negative Theologie eingeht, stellt er sie schließlich als problematisch heraus, da man mit ihr nur eine Pluralität von gleich Gültigem annehmen kann. »[D]as unbedingt Gültige, wäre nicht als es selbst und damit einzigartig präsent […]. Darum wären auch alle Spuren dieser Art gleich gut und gleich gültig.« (81) Hofmann glaubt deshalb, dass die Fundamentaltheologie eine demonstrationes ist und dies nur sein kann, da Gott sich in der Welt objektiv zeigt (vgl. 83). Dies ist schließlich auch die Grundlage seiner Bildtheologie.
Der dritte Komplex nimmt nach zwei Unterkapiteln mit Vorüberlegungen zu weiteren Charakteristika des Bildes sowie Bemerkungen zu der vera ikon als exemplarischem Kultbild (vgl. 139 ff.) nun eine konstruktive Entwicklung des Projektes auf. Die historische und systematische Zusammengehörigkeit von Bild, Sakrament und Kirche wirft »das letztlich christologische Problem auf, wie das Unsichtbare des Göttlichen sich mit dem menschlich Sichtbaren einigen könne.« (167) Für die Ikone bedeutet das, dass sie »Bildzeuge neben dem Wortzeugnis« (177) und gleichzeitig Medium der »Verähnlichung« im Geschehen der similitudo ist. Damit wird der verstehende Blick des Betrachters zur Antwort auf das Urbild (vgl. 183) und der Betrachter letztlich selbst ikonisiert (vgl. 204).
Hofmanns Buch stellt eine detailreiche und akribische Studie zu den Bildkonzepten der Theologiegeschichte, ihren heutigen Komplikationen und Aufgaben dar.