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Ausgabe:

April/2019

Spalte:

348–349

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Fornet-Ponse, Thomas [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Heilsgeschichte und Weltgeschichte. Das Wirken Gottes in der Welt und die Geschichtlichkeit von Glaube und Theologie.

Verlag:

Münster: Aschendorff Verlag 2017. 182 S. = Jerusalemer Theologisches Forum, 32. Kart. EUR 34,00. ISBN 978-3-402-11037-9.

Rezensent:

Michael Murrmann-Kahl

Mit »Heilsgeschichte« versuchte im 19. Jh. J. Chr. K. von Hofmann die biblischen »Heilstatsachen« vorm Ansturm der modernen his­torischen Kritik noch einmal zu retten. Damit wird allerdings der Hiatus zwischen Heils- und Profangeschichte als unüberwindbar gesetzt. An diesen Problemhorizont erinnern immerhin die abgedruckten vier studentischen Beiträge, die sich zumindest über Lexika informiert haben (115–133). Der derzeitige Leiter der Bildungsabteilung bei Missio Aachen Thomas Fornet-Ponse hat einige ökumenische Beiträge aus dem 42. Theologischen Studienjahr Je­rusalem 2015/16 (im Studienhaus Beit Josef) herausgegeben. Aus seiner Einleitung (7–19) entnimmt man, dass es zum Leitthema zahlreiche Lehrveranstaltungen gegeben hat, die aufgrund vieler Absagen in diesem Band nur bruchstückhaft dokumentiert sind (11 ff.). Dadurch bleibt der Debattenkontext reichlich unkonturiert, einschlägige Autoren aus dem 19. und 20. Jh. (wie O. Cullmann, L. Goppelt) wurden kaum herangezogen (außer bei Becker, 21–25, s. u.). Da auf Jerusalem gleich drei Weltreligionen materielle und spirituelle Ansprüche erheben, hätte es nahegelegen, die unterschied lichen Wahrnehmungen allein schon der jeweiligen »Heilsgeschichte« zu thematisieren, von den Konflikten mit der historisch-kritischen Forschung ganz zu schweigen.
Die Neutestamentlerin Eve-Marie Becker problematisiert die Einschätzung, der Evangelist Lukas sei der erste Geschichtsschreiber und Erfinder der christlichen »Heilsgeschichte« gewesen, und verweist demgegenüber auf die Priorität des Markus (21–32). Die Göttinger Systematikerin Christine Axt-Piscalar informiert zuverlässig über die Theologie ihres Lehrers Wolfhart Pannenberg (33–45). Wenn Pannenberg an der Faktizitätsbehauptung der Auferweckung Jesu festhält, kann er das allerdings nur um den Preis des Vorwurfs einer prinzipiellen »Voreingenommenheit« des von den Wissenschaften bestimmten modernen Weltbildes, dem er sich selbst nicht entziehen kann (41 ff.). Dass er sich mit seinem Programm »Offenbarung als Geschichte« in der Nachbarschaft der Heilsgeschichte wohlgefühlt hätte, kann man freilich bezweifeln. Für die Praktische Theologie steuert Alexander Deeg (Leipzig) einen Beitrag zur politischen Dimension des Gottesdienstes bei (77–94). Am Beispiel der Kasualpredigt von Reverend Robert Jeffress zur Amtseinführung von US-Präsident D. Trump wird die »richtige« und »falsche« Art und Weise diskutiert, auch gegenwärtig mit einem Eingreifen Gottes in den Geschichtslauf zu rechnen (78 ff.93). Letztere Erwartung sei aber grundsätzlich durch das »starke Subjekt« und den Historismus so eingeschränkt, dass die »neuzeitliche theologia tristis« auf die Verabschiedung Gottes aus der Welt hinausliefe (92). Man würde Deegs Ausführungen zum Gottesdienst und speziell zum Fürbittengebet (81 ff.) überzeugter folgen, wenn sie nicht mit einer eindimensionalen und selbst reichlich tristen Wahrnehmung des Neuprotestantismus erkauft wären. Die Reiseleiterin in Israel Tamar A. Avraham schildert ein Fallbeispiel des modernen jüdischen Messianismus und religiösen Zionismus. Im Gefolge des Sechs-Tage-Krieges 1967 legitimiert der Oberrabbiner Shlomo Goren (1918–1994) die Eroberung des Tempelbergs und der Klagemauer ideologisch und liturgisch (95–114). Die Eroberung durch die Armee gilt ausdrücklich als ein heilsgeschichtliches Er­eignis im Rahmen der messianischen Erlösung (102).
Der Herausgeber Thomas Fornet-Ponse ist mit drei Beiträgen vertreten, einmal zur kontroverstheologischen Debatte über die Rechtfertigungslehre (47–75), sodann zum christlich-islamischen Austausch zusammen mit dem Islamwissenschaftler Hureyre Kam (135–143) und schließlich mit seiner eigenen Abschiedsvorlesung von 2016 auf dem Laurentius-Klein-Lehrstuhl für Biblische und Ökumenische Theologie über die Bedeutung der Archäologie für die Systematische Theologie (145–178). Diese liegt auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen sind die archäologischen Funde für die biblische Exegese relevant (154 ff.). Nicht ganz klar wird dabei, wie im Kollisionsfall zwischen biblischen Behauptungen und archäologischen Fakten zu verfahren ist (155). Zum anderen erinnert die Archäologie durchgängig an die Geschichtlichkeit des christlichen Glaubens (159 ff.). Schließlich belege sie auch die Auffassung einer anthropologischen Konstante des Menschen als homo religiosus (167 ff.). Da man in letzterem Fall weit in die prähistorische Zeit zurückgehen muss und die Deutung der Befunde meist kontrovers geblieben ist, scheint das Bemühen, »Religiosität als anthropologisches Universal« (177) auf diesem Weg zu sichern, auf eher schwachen Füßen zu stehen.