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Ausgabe:

April/2019

Spalte:

337–339

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Giesemann, Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Theologie des slowenischen Reformators Primož Trubar.

Verlag:

Wien u. a.: Böhlau Verlag 2017. 369 S. = Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte. Reihe A: Slavistische Forschungen, 87. Geb. EUR 50,00. ISBN 978-3-412-50927-9.

Rezensent:

Ľubomír Batka

Gerhard Giesemann war bis zu seiner Emeritierung Professor für Slavische Philologie an der Universität Gießen. Seine Kompetenz, Texte von Primož Trubar zu lesen und auch die jeweiligen Zitate ins Deutsche zu übersetzen, bildet eine wichtige Voraussetzung für seine gelungene Studie. Die zweite wichtige Voraussetzung, um eine Darstellung der Theologie des Reformators Primož Trubar (T.) zu bewältigen, ist die Kenntnis von charakteristischen Merkmalen reformatorischer Theologie. Der Vf. bewegt sich auch in diesem Um­feld sehr sicher und kompetent.
Zudem darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Vf. sich seit über zwei Jahrzehnten mit T. beschäftigt, insbesondere mit dessen Vorreden zu Bibel, Psalmen- und Lieddichtungen nebst anderen slowenischen Reformatoren. Zu betonen ist die klar artikulierte Be­mühung des Vf.s, den Theologen T. zwischen nationale, kulturelle (als etwa Begründer slowenischer Schriftsprache) und literarische (als Herausgeber des ersten slowenischen Buches) Deutungen zu positionieren. Die Hauptintention der im Jahre 2017 vorgelegten Monographie baut auf seinen Vorarbeiten auf, erweitert jedoch den Horizont von T.s theologischen Arbeiten.
Der Ausgangspunkt für seine Arbeit ist eine überbetonte Funktionszuweisung von T.s Leistung in der kulturellen Entwicklung slowenischer Geschichte, sei es in Bezug auf die Schaffung der slowenischen Schriftsprache oder in der Bemühung, um jeden Preis die Originalität von T.s Werk und Wirkung zu erweisen. Demgegenüber will der Vf. das Verhältnis des Slowenen zu Luther und zur Wittenberger Reformation angemessen darstellen und T.s theologische (lutherische) Prägung als Hauptmotivation für seine Übersetzungsarbeit bestimmen. T. ging es primär um den Unterricht im wahren christlichen Glauben. Die slowenische Sprache ist dabei lediglich ein Vehikel zur Verständigung über christliche Themen (28).
Das methodische Vorgehen des Vf.s fußt auf dem gründlichen und detaillierten Vergleich der theologischen Schriften T.s mit Luthers entsprechenden Werken und Aussagen, wie auch in abgeleiteter Weise mit Werken von Johannes Brenz, Philipp Melanchthon, Veit Dietrich, Flacius Illyricus und auch Huldrych Zwingli. Somit wird zugleich die Überbetonung des Einflusses des Humanismus in T.s Wirken gemindert, denn weder T.s Ausbildung noch seine örtliche Bindung geben genügend Anhaltspunkte dafür (36. 45.105). Das lutherische Erbe in T.s Theologie ist so stark präsent, dass zugleich alle Bemühungen, den Slowenen als einen Mittler in der innerprotestantischen theologischen Debatte zu deuten, als nicht haltbar abgelehnt werden müssen (63.209).
Der Vf. formuliert seine These folgendermaßen: »Die Analyse dieser Texte kristallisiert deutlich heraus, dass sich T. in wesentlichen dogmatischen Fragen streng an Luther oder seine Gewährsleute hält.« (10) »Trubar ist trotzdem kein slowenischer Luther.« (64) Der Nachweis seines rechten Glaubens dient auch der Abwehr einer falschen Anklage der Irrlehre (63). Originell an T. ist seine Volkstümlichkeit in Sprache und Ausdrucksweise zur Umsetzung seines missionarischen und seelsorgerlichen Anliegens. T. füllte sein theologisches Arbeitsfeld als Prediger, Tröster, Helfer und Vermittler für sein Volk, das in einer katholischen und muslimischen Umgebung lebt (91.104).
An dieser Stelle muss jedoch kritisch nachgefragt werden, ob der Gebrauch des Begriffs »Volk« durch den Vf. nicht zu »romantisch« ist. Ein Blick auf die Wirkungsgeschichte von T.s Werken anhand historischer Quellen würde diese eher vage Entität »Volk« (be)greifbarer und überzeugender machen. Es kann auch gefragt werden, ob das Anliegen des Vf.s, die »lutherische Karte« hochzuhalten, nicht dazu geführt hat, dass T.s theologische Arbeit am Ende in den unterschiedlichen Facetten nur als Verdolmetschung, Übertragung, Paraphrasierung, Erläuterung und Verdeutlichung er­scheint (350).
Die Monographie ist in neun Kapitel gegliedert. Nach einführenden grundlegenden Überlegungen, einer Erörterung von T. als Begründer der Schriftsprache im zweiten Kapitel wie auch einer umfangreichen Bestimmung des theologischen Umfelds von T. im dritten Kapitel folgen Kapitel, in denen T.s Hauptwerke analysiert werden. Der Vf. schreitet von der ersten Ausgabe von T.s Katechismus-Übersetzung von 1550 (Kapitel IV), über T.s zweite und erweiterte Katechismus-Übersetzung von 1555 (Kapitel V) bis zum »Catechismus in der Windischen Sprache« von 1550 (Kapitel VI) voran. Es folgen die »Lange Vorrede« von 1557 (Kapitel VII), T.s Vorreden zum Matthäus-Evangelium und den Briefen (Kapitel VIII) und ab­schließend T.s Psalmenkommentare und Psalmennachdichtungen (Kapitel IX). Der Exkurs zur »Slowenischen Kirchenordnung« von 1564 befindet sich auf S. 275–301, und T.s »Articuli« werden im 3. Kapitel auf S. 72–84 behandelt. Die Lektüre der Monographie er­leichtern die jeweiligen kurzen Resümees am Ende der Kapitel und ein Ergebnisertrag am Ende des Buches (348).
Das vorliegende Buch zeichnet eine gute stilistische Qualität aus. Der umfangreiche Anmerkungsapparat garantiert die wissenschaftliche Qualität des Werkes. Als Bereicherung für ein Studium von T.s Theologie kann die Verwendung der Transkription der slowenischen Texte gewürdigt werden, zumal der Vf. auch immer eine Übersetzung ins Deutsche bietet. Lediglich kann die Verwendung der Alandschen »Luther Deutsch«-Ausgabe (siehe 19, Anm. 6) als Quellenbasis für Luthers Texte moniert werden. Für den wissenschaftlichen Umgang mit Luthers Texten ist die kritische Ausgabe seiner Werke (WA) zu nutzen.
Das Buch des Vf.s kann von Theologen begrüßt werden. Verständlich ist sein Bemühen, T. »ins rechte Licht zu rücken«. Sicherlich wird er damit bei der slowenischen Audienz nicht nur auf Einverständnis stoßen. Aber in Anbetracht einer Absenz von slowenischen lutherischen theologischen Arbeiten dieses Umfangs kann das Buch als ein wertvoller (theologischer) Beitrag deutscher Provenienz (nebst Oskar Sakrausky) zur historisch gerechten Deutung T.s eingestuft werden. Für die weitere Diskussion bleibt offen, ob die Deutung des Lutheraners Primož Trubar, der keine eigene Theologie geschaffen hat, lediglich aus sicheren Quellen aufmerksam abgeschrieben und für sein Volk in slowenischer Sprache nur erklärt und verdeutlicht hat, nicht als zu schlicht auch für die Theologie erscheint.