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Ausgabe:

April/2019

Spalte:

327–329

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jantsch, Torsten

Titel/Untertitel:

Jesus, der Retter. Die Soteriologie des lukanischen Doppelwerks.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2017. XV, 398 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 381. Lw. EUR 139,00. ISBN 978-3-16-155189-5.

Rezensent:

Gottfried Schimanowski

Die 2015/2016 in München angenommene Habilitationsschrift von Torsten Jantsch begründet eingehend die für das Lukasverständnis und seine Soteriologie grundlegende These, »das irdische Wirken Jesu und seine Position als zu Gott Erhöhtem in einen sinnvollen kohärenten und nachvollziehbaren Zusammenhang zu bringen und von daher die Soteriologie zu entwickeln.« (1) Schon allein ein genauer und kritischer »Blick auf die Statistik von Lexemen des Wortfeldes σῷζειν κτλ.« (= »Semantik des Heils«) erweist Lukas als »einen ›Theologen des Heils‹«, der die »Soteriologie ganz ins Zentrum seines Doppelwerkes stellt« (343).
Die dabei grundlegende Frage, wie sich das auf Israel bezogene umfassende endzeitliche Heil (vor allem im Evangelium, mit Ausnahme der anfänglichen Kindheitsgeschichten) und das gegenüber Nichtjuden (so vor allem im Abschluss der Apg [28,25–28]) zueinander verhalten, durchzieht die gesamte Untersuchung.
Der Hauptteil der Arbeit exegesiert nun im Evangelium ausführlich die für diese Thematik vier wichtigsten Abschnitte: die Vorgeschichte (Lk 1,5–4,13), den narrativen Teil von der sogenannten Antrittspredigt (4,1 ff.) bis zu Beginn des sogenannten Reiseberichtes (9,50), die Passionsgeschichte (Lk 22–23) und schließlich eigens die Erhöhung Jesu (Lk 24). In der Apostelgeschichte stehen vor allem die Pfingstgeschichte mit der anschließenden Predigt (Apg 2,1–41) und die Heilungsgeschichten (Apg 3,1–4,22) im Mittelpunkt. Gute, zusammenfassende Reflexionen beschließen die je-weiligen Kapitel, wobei insgesamt der Bereich der »Erhöhung Jesu« (im Evangelium und in der Apostelgeschichte) mit 50 Seiten einen besonderen Schwerpunkt bildet.
Im letzten – ebenfalls ausführlichen – Kapitel werden die Beobachtungen noch einmal gesondert gebündelt unter den Stichworten und Fragen wie »Unheil über Israel«, »Erfüllt sich die königlich-›messianische‹ Erwartung in der Zukunft?«, die Epitheta für Jesus als σωτήρ und εὐεργέτης; der Schlussabschnitt »Als Davidide zum Herrn und Retter der Welt« zeichnen »die Linien der Christologie im lukanischen Doppelwerk« überzeugend nach, wobei am Ende auch noch eine kurze Reflexion über Lukas als zuverlässigen Erzähler (knapp drei Seiten) erfolgt, bevor noch einmal das eigene Vorgehen, der eigene Gedankengang und das Gesamtergebnis auf neun Seiten knapp gebündelt zusammengestellt wird.
Von besonderem Interesse ist meiner Meinung nach das intensive Kapitel über die Frage nach der Bedeutung des Todes Jesu im Lukasevangelium. Dabei wird festgestellt,
»dass der Tod Jesu für Lukas bis auf wenige Ausnahmen (Lk 9,43b–45: Diese sogenannte zweite Leidensweissagung betont allerdings vor allem ›die Auslieferung des Menschensohnes‹, nicht direkt seinen Tod; Lk 22,19 f.: Diese Verse werden als ›traditionelles Gut‹ ausgewiesen; und Apg 20,28: Diese Aussage wird ekklesiologisch, nicht soteriologisch verstanden) nicht als eigenständiges Geschehen in den Blick kommt, sondern stets in einen Zu- sam­menhang mit den auf den Tod Jesu folgenden Ereignissen, seiner Auferstehung und Erhöhung, gestellt wird. Das zeigt, dass Lukas diese drei Aspekte als ein einheitliches Geschehen begreift.« (124)
Zugespitzt heißt das für J., »dass Lukas am Tod Jesu nicht ›an sich‹ interessiert ist« (125). Trotzdem wird im Evangelium sein Tod natürlich selbstverständlich thematisiert. Für den Evangelisten ist natürlich der Tod Jesu für die Soteriologie von grundlegender Bedeutung; aber in welchem Sinne? Jedenfalls nicht, »um die Sündenvergebung und das damit verbundene Heil zu begründen« (ebd.). Vielmehr ist Jesu Tod »ein notwendiger Durchgang zur Erhöhung Jesu zu Gott. Dieses Geschick erfüllt Gottes Plan.« (345) In diesem Sinne interpretiert J. dann auch die narrativen Passagen des Evangeliums als »Geschichte des Retters« (346).
Ein anderer besonderer Schwerpunkt der vorliegenden Studie ist das schon kurz angedeutete Problem, die – vor allem in den Kindheitsgeschichten – »auf Israel bezogene Linie der lukanischen Soteriologie konsistent mit anderen Aspekten (z. B. der Sündenvergebung, dem ewigen Leben usw.) zu verbinden und zu erklären, warum Lukas diese Linie so stark gewichtet« (349). Die sogenannten messianischen Erwartungen Israels werden ja nicht erfüllt; »nach Lukas besteht das Heil in Sündenvergebung und daraus folgendem ewigen Leben« (350). Die Hineinnahme der Heiden in das Heil Israels geschieht insofern auf paradoxe Weise: »Die Ablehnung der Heilsbotschaft durch die Juden ist der Weg, auf dem das Heil, das Israel zugesagt war, zu den Heiden kommt.« (Ebd.) Hier wird die Erhöhung Christi zu Gott ein wesentlicher Argumentationsfaktor: als solcher ist er »König Israels und als solcher der universale Herr über alle (Apg 10,36), d. h. der Herrscher über Juden und Heiden« (ebd. herausgehoben). So schließt die Untersuchung mit dem entscheidenden Schlüsselsatz: »Lukas ist der Theologe des Heils, das für ihn allein durch Jesus als den Christus und Retter zu gewinnen ist: Er ist der Theologe eines konsequent gedachten solus Christus.« (351)
Insgesamt eine Untersuchung der lukanischen Soteriologie mit immer wieder in petit eingestreuten begründenden und vertie-fenden Querverweisen, bei denen die traditionsgeschichtlichen Hintergründe nicht zu kurz kommen, ohne die Exegese der lukanischen Texte selbst zu überlagern. Dabei werden neben den grundlegenden alttestamentlichen und frühjüdischen Beziehungen auch die zur griechisch-römischen Welt aufgezeigt.
In der bei Mohr Siebeck gewohnten Weise sind die Register (Stellenregister, Autorenregister, Register griechischer und hebräischer Begriffe, Sachregister) vorbildlich!