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Ausgabe:

März/2019

Spalte:

272–274

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Richter, Philipp [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Professionell Ethik und Philosophie unterrichten. Ein Arbeitsbuch.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2016. 380 S. m. 4 Abb. u. 1 Tab. Kart. EUR 26,00. ISBN 978-3-17-031141-1.

Rezensent:

Uta Pohl-Patalong

Die Unterrichtsfächer Ethik und Philosophie werden als »Ersatz-« oder »Alternativfächer« des Religionsunterrichts aus theologischer Perspektive häufig distanziert-kritisch wahrgenommen, gelegentlich dienen sie auch als Negativfolie für den (konfessionellen) Religionsunterricht und nicht selten erfolgt jedoch auch keine inten-sivere Auseinandersetzung mit ihnen. Dass sich der Blick auf die »Nachbarfächer« jedoch für die Theologie und insbesondere die Religionspädagogik lohnt, zeigt das vorliegende basal angelegte Werk, das ein Bild der im Titel genannten Fächer aus universitärer Perspektive vermittelt.
Eine Rezension fällt deswegen nicht leicht, weil sowohl die Rezensentin als auch die überwiegende Leserschaft dieser Zeitschrift gleich im doppelten Sinne nicht die Zielgruppe darstellen, insofern sich das Buch vorrangig an Studierende der Fächer Ethik bzw. Philosophie sowie an die Lehrkräfte dieser Fächer wendet. Es soll daher primär in der Perspektive besprochen werden, was seine Lektüre theologisch-religionspädagogisch interessierten Menschen sagt. Entstanden ist das Buch aus einem Reader für Philosophiestudierende mit dem Ziel Lehramt an der TU Darmstadt, der »Un­terstützung für das Selbststudium« bieten und als »Arbeitsgrundlage in fachdidaktischen Seminaren« (9) dienen soll. Im Blick ist dabei aber ebenso das Fach Ethik sowie die weiteren bundesländerspezifischen Bezeichnungen der Alternativen zum Religionsunterricht. Dies ist pragmatisch verständlich und wird auch (knapp) damit begründet, dass jeder Ethikunterricht »auf der Basis von Philosophie und ihren Verfahrensweisen« (9) gedacht werden muss; eine eingehendere Verhältnisbestimmung der beiden Fä­cher einschließlich ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte wäre jedoch dennoch interessant gewesen.
Anders als der Titel »Arbeitsbuch« es vielleicht erwarten lässt, befasst sich nur der erste, nicht einmal ein Drittel des Buches umfassende Teil mit dem Charakter des Faches, seinen didaktischen Grundlagen und geforderten Vorgehensweisen beim Studium dieser Fächer. Der weitaus größte Teil bildet ein »Glossar Philosophie/Ethik«, das Kernbegriffe der Fächer erläutert. Beschlossen wird das Werk von einer kommentierten Bibliographie.
Für die theologisch-religionspädagogische Perspektive ist in der ersten Rubrik vor allem der einführende Beitrag des Herausgebers von besonderem Interesse, der die Konzeption der Fächer und ihre derzeitige Situation in der weltanschaulichen Heterogenität skizziert. Dabei wird zunächst deutlich, dass die Fachdidaktik, die in der Theologie in den letzten Jahren intensiv reflektiert und weiterentwickelt wurde, für die Fächer Ethik und Philosophie noch stärker begründungsbedürftig ist. Philipp Richter wendet sich – wie es auch in der Religionspädagogik mittlerweile Konsens ist – gegen die sogenannte »Abbild-Didaktik« (16), die nur strategisch über die erfolgreiche Umsetzung fachwissenschaftlicher Gehalte nachdenkt, da die Fächer nicht primär Wissen vermittelten, sondern zur reflexiven Auseinandersetzung anregten. In dieser Perspektive erstaunt dann allerdings der anschließende Beitrag von Dagmar Dann, der früheren Fachleiterin für Philosophie und Ethik am Studienseminar, die die Voraussetzung für den guten Unterricht doch recht einseitig in der profunden fachwissenschaftlichen Ausbildung sieht. Das ist jedoch auch eine Folge der völlig unzureichenden bildungstheoretischen Reflexion der Fächer und der sehr heterogenen Anforderungen an dessen Lehrkräfte ohne klaren Qualitätsanspruch. Intensiv beschäftigt sich Richter dann mit der Frage nach dem Anspruch weltanschaulicher Neutralität der Fächer im Verhältnis zu ihrem Auftrag der Wertevermittlung. Der Hinweis auf den »Beutelsbacher Konsens« (22), der auch regelmäßig für das »Überwältigungsverbot« des Religionsunterrichts herangezogen wird, und die Erkenntnis, dass bei aller Wertschätzung von Plura-lität und subjektiven Überzeugungen bestimmte – beispielsweise menschenverachtende oder totalitäre – Positionen von der Lehrkraft klar zurückgewiesen werden müssen und auch »eine absolute Wertneutralität der Lehrenden im Ethikunterricht […] nicht denkbar« (26) ist, regt zum Nachdenken über die Differenzen zum konfessionellen Religionsunterricht an, der ja nicht selten seine Konzeption in der Anregung zur persönlichen Urteilsbildung und der transparenten Positionalität der Lehrkraft begründet. Die von Richter vorgenommenen Abgrenzungen zum Fach Religion vermitteln demgegenüber teilweise ein veraltetes Bild des Faches.
Weitere Beiträge des ersten Teils sind überwiegend für den in­ternen fachdidaktischen Diskurs von Interesse, wenn sie Methoden der Texterschließung erläutern oder Unterrichtsmethoden problematisieren. Interessant ist gegenüber dem an unterschiedlichen Lern- und Erfahrungsebenen orientierten Fach Religion allerdings die stark argumentative und damit kognitive Orientierung seiner Alternativen. Andere Beiträge sind dann studienpraktisch ausgerichtet und befassen sich mit Formen des wissenschaftlichen Arbeitens oder Strategien zur Lektüre philosophischer Texte. Hier kommt der Charakter des »Readers« doch recht deutlich zum Tragen.
Das umfangreiche »Glossar«, verfasst von diversen Autoren und Autorinnen, behandelt einerseits typische Themen des Ethik- und Philosophieunterrichts wie beispielsweise Fortschritt und Evolu-tion, Gewissen, Glück, Menschenwürde, Utopie etc., andererseits zentrale Begriffe für die hermeneutisch-methodische Vorgehensweise der Fächer wie Abduktion/Deduktion/Induktion, Argu-mentation, hermeneutischer Zirkel/Verstehen, Dialektik etc. Die thematische Verwandtschaft mit dem Fach Religion wird dabei eindrücklich deutlich. Von diesem wird sich in dem Artikel »Re­li-gion/Religionskritik« nicht immer der heutigen differenzierten Wirklichkeit des Religionsunterrichts entsprechend abgegrenzt und in der Betonung der Religionskritik gleichzeitig ein deutlicher Schwerpunkt gesetzt. Andere Artikel sind jedoch in ihrem elementarisierenden Zugriff auf zentrale Inhalte durchaus auch für Theologiestudierende von Interesse, beispielsweise zur Hermeneutik, zum Skeptizismus, zur Utopie etc.
Allerdings leidet dieser Teil unter dem doch sehr unterschiedlichen Charakter der Artikel, die teilweise eher dem Genre »Lexikon« entsprechen, manchmal vorrangig konkrete unterrichtspraktische Tipps geben und manchmal überwiegend aus Zitaten bestehen (der Artikel Feminismus besteht vorrangig aus längeren Passagen von Simone de Beauvoir und Judith Butler). Bei allem Respekt vor der individuellen Schwerpunktsetzung der Autoren und Autorinnen hätte eine stärkere redaktionelle Bearbeitung der intendierten Praxistauglichkeit des »Arbeitsbuches« gutgetan.
Insgesamt bietet die Lektüre des Buches Religionspädagogen einen Einblick in den Charakter von Ethik und Philosophie und regt zum Nachdenken über das Verhältnis zum Religionsunterricht an.