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Ausgabe:

März/2019

Spalte:

239–240

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Koerner, Joseph Leo

Titel/Untertitel:

Die Reformation des Bildes. Aus d. Engl. v. R. Seuß.

Verlag:

München: Verlag C. H. Beck 2017. 598 S. m. 216 Abb. Lw. EUR 39,95. ISBN 978-3-406-71204-3.

Rezensent:

Heike Stöcklein

Joseph Leo Koerner, geboren 1958, lehrt seit 2007 als Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der Harvard University. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Niederländischen Renaissance, der Kunst des 19. Jh.s und der Deutschen Kunst. Seine Forschung und Lehrtätigkeit beschränkt sich nicht allein auf den amerikanischen Raum, sondern führte ihn auch nach Europa und besonders nach Deutschland.
Sein Werk »Die Reformation des Bildes«, englischsprachig be­reits 2004 erschienen, nun von Rita Seuß übersetzt, bildet den mittleren Teil einer Trilogie über Deutsche Kunst. Die erste Studie legte K. 1993 mit »The Moment of Self-Portraiture in German Renaissance Art« vor, in der er sich dem Selbstporträt bei Albrecht Dürer und dessen Schüler Hans Baldung Grien widmete. Den Abschluss der drei Arbeiten bildete dann die 2008 erschienene zweite und erweiterte Ausgabe von »Caspar David Friedrich and the Subject of Landscape«.
Die Reformationszeit wird im Hinblick auf die Kunst oftmals unter dem Vorzeichen des Bildersturmes gesehen. Altargemälde, Plastiken, Schmuck oder liturgisches Gerät wurden nicht nur in ihrer Funktion und Gestaltung in Frage gestellt, sondern zerstört. Theologisch wurde angesichts einer vielfältigen und bildreichen Ausgestaltung sakraler Räume hinterfragt, wie Notwendigkeit von und Umgang mit Bildwerken auszusehen haben kann. Eine gesamtprotestantische Antwort gibt es nicht, hier stehen Aussagen, Forderungen und Meinungen einzelner Theologen durchaus konträr ge­geneinander. Auf der einen Seite definiert die theologisch-theore-tische Auseinandersetzung die Frage nach den Bildern und dem Umgang mit ihnen. Auf der anderen jedoch zeigt sich, dass die Künstler und Kunsthandwerker der Zeit nicht ihre Pinsel, Spachtel oder Stifte niederlegten, sondern inmitten der entstandenen realen und ideellen Leerstellen neue Bildwerke erschufen, teils mit neuen Sujets und Gestaltungsräumen. Theologisches Bedenken und bildnerisches Umsetzen vollziehen sich in gegenseitigem Austausch.
K. blickt auf den Bildersturm der Reformationszeit und sieht darin nicht die ausschließliche Vernichtung künstlerischer Produkte sowie eine daraus resultierende temporäre Leere in der Kunst, sondern versteht ihn vielmehr als eine Art fruchtbaren Nährboden für eine Neuformierung der bildenden Kunst. Künstler, die Bildwerke für die Sakralarchitektur schaffen, so seine These, setzen sich mit dem Bildersturm auseinander, und zwar durchaus auf paradox erscheinende Art, indem sie ihn bejahen und ihm zugleich abschwören (vgl. 15). Ausgehend von der Untersuchung des Cranach-Altars in Wittenberg will er diese These darlegen und stärken.
Als Prolog und Epilog bezeichnetes Vor- und Nachwort rahmen die vier Hauptteile von K.s Werk. Seine umfassende Einleitung (29–111) nähert sich über die Betrachtung ausgewählter Bildwerke der Reformation in Deutschland und vor allem der Frage, wie konfessionelle Positionierungen bildlich festgehalten wurden. Es folgt »Teil I: Reinigung« (113–215), in dem K. die ikonoklastischen Vorgänge vornehmlich in Wittenberg untersucht. Der Schwerpunkt seiner Untersuchung liegt in diesem Teil vor allem auf der Auseinandersetzung mit den Bildern und Plastiken, die die Ikonoklasten zerstört haben. In den im Zuge des Bildersturmes entstandenen verstümmelten Bildwerken sieht er »einen ikonographischen Rest« (110), der durchaus auch Wirkung auf die weitere und sich verändernde Kunstherstellung haben soll.
In »Teil II: Das Wort« steht der Cranach-Altar in Wittenberg im Vordergrund. Anhand einer detaillierten Untersuchung verfolgt K. seine These und fragt danach, wie im Altarbild selbst der Ikonoklasmus am Werk ist. Ausgehend von einzelnen Bildinhalten folgt er sich daraus ergebenden Fragestellungen, Positionen und Entwicklungen reformatorischer, besonders lutherischer Theologie. Das gemalte Kruzifix und ein gemalter Zeigefinger führen ihn zur Kreuzestheologie Luthers und christologischer Motivik in anderen Medien der Kunst. Die Vermittlung wiederum in der Predigt und Unterweisung untersucht er davon ausgehend auch mit Blick auf Hinweise und Darstellung in der bildenden Kunst.
Der abschließende »Teil III: Das Sakrament« (373–507) geht ebenfalls von Cranachs Altargemälde aus und setzt es in Beziehung zum sakralen Raum. K. fragt danach, wie es mit den liturgischen Vollzügen korrespondiert, diese kommentieren oder erschließen kann. Die Theologie des Abendmahls zieht eine neue Praxis nach sich und diese fordert eine neue Gestaltung der Sakralarchitektur, auf die die Kunsthandwerker reagieren. Aber K. blickt exemplarisch mit dem Sujet der Gregorsmesse auch auf die bildnerische Umsetzung des Abendmahls und die Herausforderung, wie Glaubensinhalte in Bildwerken zur Darstellung gebracht werden.
Trotz je unterschiedlicher Ausrichtung und Schwerpunktsetzung sowohl im Bereich der theologischen Einflüsse als auch der Bildwerke wird in K.s Arbeit deutlich, dass die Geschichte des reformatorischen Bildes einem Hammerschlag ähnelt (vgl. 21.482 f.). Nach der ersten Reinigung und Tilgung legt sich der Staub und es erfolgt eine neue Füllung der entstandenen Leere, die sowohl den Gründen des Hammerschlags Rechnung trägt als auch eine Richtungsweisung für einen neuen Zustand leistet.
Auch wenn K.s Ausgangspunkt Cranachs Altargemälde ist, so bietet er doch einen umfassenden Einblick in verschiedenste Bildwerke malerischer, plastischer und graphischer Art aus dem ausgehenden Mittelalter und der Reformationszeit, teilweise sogar bis hin zur Neuzeit. Diese mediale Fülle kann in der Besprechung teils überbordend wirken und der Leser, der nicht in dieser Welt der Kunst beheimatet ist, vielleicht den gedanklichen Weg während der Lektüre kurzzeitig verlieren. Der Übersicht dieser Fülle dienlich wäre manches Mal eine genauere Positionierung sowohl der besprochenen Bildwerke als auch der historischen Akteure im zeit lichen Kontext. Es kommt der Eindruck auf, dass K. zugunsten seiner These die Entwicklungen und Veränderungen reformatorischer Lehre und auch die Bedeutung und unterschiedliche Aus-prägung beispielsweise der frühen Reformation und der späteren Konsolidierung für weniger bedeutsam erachtet. Im Vordergrund stehen für ihn der Ikonoklasmus und seine Folgen im Sinne eines Umbruchs, einer Veränderung der bildenden Kunst, die sich bis heute nachvollziehen lässt. Hervorzuheben ist zweifelsohne K.s Leistung, Bildwerke mit den historischen Ereignissen und theologischen Positionen in Verbindung zu setzen und aufzuzeigen, dass die bildende Kunst der Reformation nicht losgelöst von den Entwicklungen ihrer Zeit existiert, sondern maßgeblich zum Bild der Reformation beigetragen hat. So, wie wiederum die Ereignisse der Reformation zur Re-Formation der bildenden Kunst geführt haben (vgl. 23). Sein Beitrag bereichert nicht nur die kunsthistorische Forschung, sondern auch die historische und theologische Betrachtung und Beurteilung der Reformationszeit.