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Ausgabe:

März/2019

Spalte:

189–190

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Szkredka, Sławomir

Titel/Untertitel:

Sinners and Sinfulness in Luke. A Study of Direct and Indirect References in the Initial Episodes of Jesus’ Activity.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2017. XI, 193 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 434. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-16-155057-7.

Rezensent:

Gottfried Schimanowski

Neben Paulus ist das Doppelwerk des Lukas in besonderer Weise zur Thematik »Sünde und Sündenvergebung« heranzuziehen: Dort wird ja den Menschen, die als »Sünder« bezeichnet und beschrieben werden, ein erstaunlich breiter Raum eingeräumt. Nach einem kurzen Überblick über die Forschungsgeschichte (2–6) profiliert der katholische polnische Autor Sławomir Szkredka, der seit 2015 in Amerika Biblische Theologie lehrt, demgegenüber sein methodisches Vorgehen (6–13): Er beschränkt sich als Schwerpunkt seiner Monographie zum Lukasevangelium auf die Zeit und das Gebiet der Verkündigung Jesu in Galiläa (die beiden Kapitel Lk 5,1–6,11; siehe den Untertitel: »the Initial Episodes of Jesus’ Activity«). Dabei wird dieser Schwerpunkt eingebettet in die rahmenden Kapitel bis zum sogenannten Reisebericht (Lk 9,51 ff.) mit einem 25-seitigen Überblick über die vorbereitenden Erzählungen des Evangelisten in Lk 1–4 und einem etwas längeren über die folgenden Kapitel (Lk 6,12–9,50), in denen sich die bisherigen Beobachtungen zu bewähren haben. Aber auch mögliche terminologische und traditionsgeschichtliche Hintergründe werden kurz aufgearbeitet (»The Im­plied Reader’s Pre-existing Beliefs about Sin and Sinners«, 9–13). Auf diese Weise will S. seine Sicht einer kohärenten Darstellung des Evangelisten entfalten (»we hope to exhibit the coherence of Luke’s portrayal of sinners«; 133). Eine knappe Zusammenfassung (8 Seiten) schließt die Untersuchung ab.
Methodisch ist S. in besonderer Weise die Einbettung der Perikopen in ihren unmittelbaren und weiteren Kontext entscheidend wichtig. In dieser offensichtlich von Evangelisten angestrebten »Leserführung« ist S. im Sinne einer modernen Erzähltheorie den hermeneutischen Arbeiten von Paul Ricœur verpflichtet (vgl. die vier Titel im Literaturverzeichnis und die Hinweise S. 162 und 169; wobei z. B. aber auch die deutschen Arbeiten eines Wolfgang Iser – mit zwei Titeln aus den Jahren 1972 und 1976 verzeichnet – aufge nommen werden). Überhaupt zeichnet sich die Monographie durch eine komprimierte, auf hohem wissenschaftlichen Niveau arbeitende, sorgfältige Exegese aus, in der der amerikanische Exe­get auch die europäische Forschung durchaus gründlich aufgearbeitet hat (sicher zahlt sich hier seine Zeit am Pontifical Biblical Institute in Rom, an dem diese Arbeit im Jahr 2016 verteidigt wurde, aus).
Es wäre nun spannend zu erfahren, wie S. seine Beobachtungen zum Verständnis von Sünde und Sündenvergebung an den folgenden für den Evangelisten entscheidend wichtigen und typischen Perikopen wie z. B die Frage nach der Umkehr (vgl. Lk 13,1–5) oder die drei Gleichnisse in Lk 15 oder die Erzählung vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9–14) ausgeführt hätte, ganz zu schweigen von der Vergebungsbitte des Herrengebetes (Lk 11,4). Immerhin hat S. schon an den von ihm untersuchten ca. 20, bzw. fünf ausführlich, exemplarisch exegesierten Perikopen überzeugend herausgearbeitet, dass für Lukas weniger die Frage entscheidend ist, wer – abstrakt oder theoretisch – als Sünder zu bezeichnen ist, sondern, wer in den Augen Jesu – also in einer irgendwie gearteten persönlichen Beziehung zu ihm stehend (»within the dynamic of relation«, 129), relational oder in Konfrontation wie die Pharisäer (»Both in its relational and confrontational function«, ebd.) – als »Sünder« zu beschreiben und somit zu verstehen ist. Grundlegend ist dabei aber dem Evangelisten wichtig, auf diese Weise die (negative) Gottesbeziehung zu kennzeichnen (»the issue of the what, the how, and the why that constitutes a negative stance toward God«, 130 f.).
Insgesamt bleibt so die Monographie ein erster, wenn auch ganz wesentlicher und mit großem Gewinn zu lesender Baustein zur Darstellung des lukanischen Verständnisses von Sünde und Sündenvergebung! Außerdem ist es S. zu danken, dass neben Paulus und Johannes (sicher auch der Hebräerbrief), die traditioneller-weise zu dieser Thematik herangezogen werden, der Evangelist Lukas bei dieser Thematik – vor allem in narrativer Weise – als grundlegender und nicht mehr zu übergehender eigenständiger Beitrag herausgestellt wurde.