Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2019

Spalte:

161–164

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ahmed-Mohamed, Youssef

Titel/Untertitel:

Die Göttin Nephthys (Nebethut). Entstehung und Entwicklung einer ägyptischen Gottesvorstellung bis zum Ende des Neuen Reiches.

Verlag:

Herzogenrath: Shaker Verlag 2016. VII, 492 S. = Berichte aus der Kulturwissenschaft. Geb. EUR 49,80. ISBN 978-3-8440-4536-9.

Rezensent:

Stefan Bojowald

Die Publikation bietet die überarbeitete Version der Doktorarbeit Youssef Ahmed-Mohameds, die im Wintersemester 2011/12 von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angenommen wurde. In der Arbeit werden die schriftlichen und bildlichen Quellen der altägyptischen Göttin Nephthys von den Anfängen bis zum Neuen Reich untersucht.
In Kapitel I werden Name, Epitheta und Ikonographie der Nephthys abgeklärt. Die Schreibung des Namens mit den beiden übereinander platzierten Haupthieroglyphen wurde im Lauf der 12. Dynastie standardisiert (14). Der Vf. entscheidet sich bei der deutschen Wiedergabe des Namens fatalerweise für die Lösung »Der tonnengewölbte Deckel des Sarges« oder »Die tonnengewölbte Decke des Grabes« (26), was gegenüber der alten Übersetzung »Herrin des Tempels« in die völlig falsche Richtung führt. Die Bedeutung »Sarg« wird jedenfalls für den zweiten Bestandteil des Namens durch keinen anderen Beleg gestützt, so dass sich deren Annahme von selbst verbietet. Der Zusatz von Epitheta zum Namen der Göttin setzt unter König Teti in Form von »Schwester« und König Pepi I. in Form von »Amme« ein (28). Der zeitliche Horizont kann damit in das Alte Reich gelegt werden. In der Epoche von Tutanchamun kommt der Gebrauch von »Kuh« auf (30). Der älteste Nachweis für die bildliche Darstellung der Nephthys taucht in der 12. Dynastie auf der Schmalseite der Särge auf (33). Die spezielle Form mit geflügelten Armen ist zum ersten Mal auf dem Sarkophag des Tutanchamun zu beobachten (34).
In Kapitel II wird über Nephthys in funerären Texten gehandelt. Die Göttin hat zu den Mitgliedern der Großen Neunheit von Heliopolis gehört (36–41). Ins Kollegium des Totengerichtes und Gefolge des Osiris war sie ebenfalls integriert (41–45). Die Göttin wurde zum Teil mit der Göttin Hathor gleichgesetzt, was wohl mit der Beziehung der beiden Damen zum Sonnengott zu begründen ist (45–46). In Dekanlisten kommt sie ebenfalls vor (51–55). Die Göttin spielte eine wichtige Rolle im Osirismythos bei der Neugeburt ihres Bruders, wo sie als zentrale Protagonistin bei der Zusammenfügung der Osirisglieder (63–65) und dessen Wiederbelebung durch Klagegesänge (65–69) auftritt. Das Verhältnis der Nephthys zum Sonnengott während dessen Unterweltsfahrt kommt zur Sprache, für den sie auch schützend tätig wird (77–83).
In Kapitel III wird auf das Vorkommen der Nephthys auf Särgen Bezug genommen. Die Position der Göttin lag im Alten Reich auf der Schmalseite der Königssarkophage (109), während sie im Mittleren Reich ausschließlich auf Privatsärgen zu finden ist (110). Im Neuen Reich kann sie auch auf der äußeren Schmalseite oder dem Kopfende königlicher Sarkophage erscheinen (196). In Privatsärgen der 18. Dynastie ist sie auf dem Kopfende der Sarkophage dokumentiert (244–246).
In Kapitel IV wird dem Leser der innere Zusammenhang der Nephthys mit Kanopenkrügen und -kästen nähergebracht. Der früheste Beleg für die Nennung der Nephthys als Schutzgöttin der Kanopenkrüge lässt sich in die Zeit von Sesostris III. datieren (265). Die erste figürliche Abbildung der Nephthys auf einem Kanopenkasten manifestiert sich auf einem Fragment aus dem Schachtgrab des Amenemhet in Deir el-Medineh (1200), das vielleicht in das ausgehende Mittlere Reich datiert (274).
In Kapitel V wird über die Verbindung der Nephthys zu Pektoralen reflektiert. In königlichem Kontext lässt sich die Figur der Nephthys auf Pektoralen zuerst unter Tutanchamun belegen (288). Die Darstellungen der Göttin auf privaten Pektoralen lehnen sich an die königlichen Vorbilder an, wobei die Kombination von Osiris und Re häufig ausgespart wird (294).
In Kapitel VI steht die Verbindung der Nephthys mit Gräbern im Mittelpunkt. Im Neuen Reich wurde sie durch die Unterweltsbücher in die Dekoration der Königsgräber übernommen (299–311). In den Wandschmuck der Privatgräber des Neuen Reiches ist sie das erste Mal mit der Vignette zu Totenbuchspruch 151 gelangt (337).
In Kapitel VII wird das Verhältnis der Nephthys zu Tempeln protokolliert. Der früheste erhaltene archäologische Beleg ist in der Zeit der Hatschepsut im Karnaktempel zu finden (391). Die Kultorte und Priesterschaft der Göttin beginnen sich in der 20. Dynastie zu zeigen (405). Der Band wird durch Literatur- und Abkürzungsverzeichnis (453–479) und Indizes (480–492) vollendet.
Das Buch fordert zu einer ambivalenten Bewertung heraus. Die Charakterzüge der Göttin werden ausreichend deutlich gemacht. Die zeitliche Einschränkung lässt sich mit etwas gutem Willen durchaus rechtfertigen. Der Vf. verliert sich aber teils zu sehr in Marginalitäten, wie sich u. a. an dem klar überinterpretierten Suffixwechsel nach dem Wort für Amme und Schwester (28–29), der extra hervorgehobenen Suche des Osiris bei Tageslicht (63) und dem Hinweis auf das gleiche Alter von Isis und Nephthys (94) zeigen lässt. Das gleiche Urteil könnte zur abweichenden Verwendung des Verbs »vereinen« auf Kanopenkrügen (269) und dem fehlenden Königsbart bei Thutmosis III. (393) gefällt werden. Die Intentionen des Vf.s werden nicht immer in der gewünschten Weise klar, wie sich u. a. an den Kronen auf dem Rücken der Schlangen demonstrieren lässt. Das Buch leidet an unnötigen Redundanzen, was z. B. die mehrfach betonte Zuordnung von Isis und Nephthys zu Ober- und Unterägypten angeht. Die Interpretationen ruhen zum Teil auf mehr oder weniger schwachen Füßen, was z. B. den Vergleich der körperlichen Restitution des Osiris mit der Errichtung eines Bauwerkes (64) oder die angebliche Grablegung des toten Königs in Gestalt des Gottes Seth (107) betrifft. Wer nach einem ersten allgemeinen Überblick sucht, ist mit dem Werk gut bedient.