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Ausgabe:

Januar/2019

Spalte:

93–95

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Jonson, Jonas

Titel/Untertitel:

Nathan Söderblom. Called to Serve. Transl. from Swedish by N. A. Hjelm.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2016. XII, 449 S. m. 14 Abb. Kart. US$ 45,00. ISBN 978-0-8028-7308-8.

Rezensent:

Heinrich Holze

Die hier vorzustellende Biographie des schwedischen Erzbischofs Jonas Jonson ist die englische Übersetzung des 2014 im Stockholmer Verlag Verbum erschienenen schwedischen Originals »Jag är bara Nathan Söderblom, satt till tjänst«. Autor ist Jonas Jonson, Bischof em. in Strängnäs, ehem. stellv. Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Mitglied im Weltrat der Kirchen und Dozent für Religionswissenschaft an der Universität Uppsala. Mit dem vorliegenden Buch wendet er sich der wohl bedeutendsten Persönlichkeit der schwedischen (Kirchen-)Geschichte im frühen 20. Jh. zu. Sein Buch hat in Schweden breite Resonanz gefunden und wurde 2015 mit dem »Großen Preis« der Schwedischen Akademie ausgezeichnet.
J. bietet in seinem Buch eine lebendig geschriebene, kenntnisreiche Darstellung von Leben und Werk Nathan Söderbloms. Der erzählerische Rahmen ist biographisch ausgerichtet. Die inhaltlichen Themen werden an den Stellen entfaltet, wo sie sich aus dem Leben Söderbloms ergeben. Den Anfang bilden die Kindheit im nordschwedischen Pfarrhaus, das schwierige Verhältnis zum Vater, die Prägung durch die Frömmigkeit der Erweckungsbewegung. Das Studium an der Universität Uppsala erschließt die Denkwelt der Literatur und der Theologie. Reisen zu christlichen Jugendkonferenzen in den Vereinigten Staaten und in Amsterdam führen dem noch jungen Studenten die Vielfalt und Weite der christlichen Kirche vor Augen. J. beschreibt, wie hier der Grund für Söderbloms ökumenische Grundhaltung gelegt wird. Während des Auslandspfarramts in Paris nimmt Söderblom das Studium der Religionswissenschaft auf. An der Sorbonne wird er mit einer Untersuchung zum Zoroastrismus promoviert. In Uppsala wird ihm die Professur für Religionsgeschichte übertragen. Er vertieft seine religionsgeschichtlichen Arbeiten, zugleich verfasst er Schriften zum sozialen Chris-tentum und baut die ökumenischen Kontakte aus. Für zwei Jahre übernimmt Söderblom zudem den Lehrstuhl für Religionsgeschichte in Leipzig, und er nutzt diese Zeit, um die Grundlinien seiner Theologie zu entwickeln. Im Mai 1914, nur wenige Monate vor Ausbruch des Weltkrieges, wird er zum Erzbischof von Uppsala berufen.
J. zeichnet Söderbloms Werdegang in einer spannend geschriebenen Sprache nach. Er zeigt, dass Söderbloms Stellung innerhalb der schwedischen Kirche aufgrund seiner liberal-theologischen Prägung nicht unumstritten war, auch seine Wertschätzung wissenschaftlicher Exegese traf auf Widerspruch. In der Öffentlichkeit aber fand er große Anerkennung durch seine Aufsätze und Bücher, Vorlesungen und Predigten, vor allem auch durch seine Präsenz in Zeitungen und Radiosendungen. Der Friedensappell 1914 machte deutlich, dass Söderblom die Verantwortung seines neuen Amtes in seiner ganzen Weite wahrzunehmen willens war. Der Fokus seines Wirkens war dabei auf die Kirche gerichtet, weniger in ihrer nationalen Gestalt als vielmehr in ihrer ökumenischen Weite. Die Herausforderungen der Nachkriegswelt führten Söderblom die Notwendigkeit vor Augen, den Aufbau einer neuen friedlichen Weltordnung, wie sie im Völkerbund zum Ausdruck kam, mit den Mitteln des christlichen Glaubens zu befördern. Mit dieser Aufgabe vor Augen setzte er sich dafür ein, die konfessionelle Enge des Luthertums ebenso wie die nationalen Grenzen der sichtbaren Kirchen zu überwinden.
J. erinnert daran, dass Söderblom für die eigene Kirche, der er als Erzbischof vorstand, die traditionelle Bezeichnung »Schwedische Kirche« vermied und stattdessen alternative Formulierungen wie »Christi Kirche und Gemeinde in Schweden« oder »Christenheit in Schweden« bevorzugte, weil diese nicht nur die lutherische Staatskirche bezeichneten, sondern auch die Freikirchen sowie andere religiöse Bewegungen einschlossen und den Blick dafür öffneten, dass die Christen in Schweden nur einen kleinen Teil der universalen Kirche ausmachten. Darüber hinaus war Söderblom, wie J. betont, von seinen religionswissenschaftlichen Studien her davon überzeugt, dass Gott auch durch die anderen Religionen zu den Menschen spreche. Sein Einsatz für die Einheit der Ökumene erwuchs aus der Mitte seines Denkens. J. schildert eindringlich, wie Söderblom in den Jahren nach Kriegsende sich mit allen Mitteln dafür einsetzte, den Nationalismus der ehemals verfeindeten Länder zu überwinden und die Menschen miteinander zu versöhnen. Den christlichen Kirchen maß er dabei eine besondere Aufgabe zu und sah sie in der Pflicht, durch gemeinsames Wirken über die konfessionellen Grenzen hinweg voranzugehen. Die Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Stockholm 1925 war dafür ein erster Schritt. Sie markiert zugleich das Gründungsdatum der ökumenischen Bewegung in der Neuzeit. Das Verhältnis zur katholischen Kirche blieb freilich, wie die Auseinandersetzung um die päpstliche Enzyklika »Mortalium animos« zeigt, bis zuletzt schwierig. Söderbloms Einsatz für eine friedliche Welt wurde weltweit anerkannt und 1930 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. J. sieht darin eine Bestätigung dafür, dass Söderblom noch heute ein Vorbild sein kann. Dass Söderblom trotz seiner weltweiten politischen und ökumenischen Aktivitäten die Bodenhaftung nicht verlor, wird am Wirken Söderbloms in Uppsala gezeigt. Als Bischof primarius war er in seiner Heimatkirche präsent und nutzte die Visitationen, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. In den Kirchenliedern vermittelte er den Gemeinden sein geistliches Erbe. In den letzten Kapiteln seiner Biographie beleuchtet J. noch einmal Söderbloms ökumenisches Engagement und seinen Einsatz für den Frieden in einer von Spannungen geprägten Welt. Das Lebensende kam unerwartet. Söderblom starb an den Folgen einer Operation im Alter von 65 Jahren. Für J. war es der »Tod eines Heiligen«.
Die Biographie von J. wirft einen spannenden Blick auf eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten des frühen 20. Jh.s. J. schreibt aus einer umfassenden Kenntnis der gedruckten wie der unveröffentlichten Quellen, die freilich – wohl um die Lesbarkeit nicht zu erschweren – nur summarisch, nicht aber im Detail und vor allem nicht bei den Zitaten belegt werden. Das ist zu bedauern und erschwert die wissenschaftliche Weiterarbeit, ist aber bei populärwissenschaftlichen Biographien des englischsprachigen Raumes nicht unüblich und unterstreicht, dass sich J. an ein breites Publikum wendet. Ein Merkmal dieser Biographie liegt darin, dass J. als Bischof emeritus eine besondere Nähe zum Gegenstand seiner Darstellung, dem von ihm verehrten bischöflichen Vorbild, empfindet. In gewisser Hinsicht versteht er sich als jemand, der das Werk Söderbloms weiterführen möchte. Das unterscheidet sein Buch von der wissenschaftlichen Biographie, die der Göttinger Systematiker Dietz Lange über Söderblom vorgelegt hat (Nathan Söderblom und seine Zeit, Vandenhoeck: Göttingen 2011, s. ThLZ 137 [2012], 325 ff.; in schwedischer Übersetzung bei Artos: Skellefteå 2014). Während es Lange darum geht, das Denken des Theologen und die Reflexionen des Bischofs im Kontext der wissenschaftlichen und kulturellen Diskurse seiner Zeit aufzuzeigen, richtet J. den Blick auf den Menschen Söderblom und fragt nach seiner bleibenden Bedeutung. Beides verleiht seiner Darstellung eine persönliche Wärme und Unmittelbarkeit, die sich auch beim Lesen mitteilt und zur Lektüre einlädt.