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Ausgabe:

Januar/2019

Spalte:

74–75

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Frank, Günter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Humanismus und Reformation.

Verlag:

Ubstadt-Weiher: verlag regionalkultur 2016. 248 S. m. 65 Abb. = Fragmenta Melanchthoniana, 6. Geb. EUR 17,90. ISBN 978-3-89735-961-1.

Rezensent:

Markus Wriedt

Seit bald zehn Jahren gibt der ungewöhnlich rührige und hochengagierte Custos des Melanchthonhauses in Bretten in den Fragmenta Melanchthoniana Beiträge heraus, die aus der regelmäßigen Arbeit des Teams an der Erinnerungsstätte in Bretten stammen. Ihm ist dabei nicht nur ein bemerkenswerter Beitrag zur Kulturarbeit der kleinen Stadt in der Nähe von Bruchsal und Karlsruhe gelungen, sondern die Etablierung der geleisteten Forschung im Kontext der – vermeintlich – großen Reformationsgedenkstätten. Er leistet dabei in herausragender Weise eine Vermittlung von akademischer Forschung in die Breite der kulturell interessierten Be­völkerung. Das schlägt sich naturgemäß auch in den Bänden der Reihe nieder, die neben aktueller und innovativer Forschung im­mer auch wieder Beiträge enthalten, die der Breitenwirkung der reformationsgeschichtlichen Arbeit gewidmet sind.
Darin setzt der nun vorliegende sechste Band die bereits bestehende Tradition fort. Er enthält 14 Beiträge, die sich den Brettener Sonntagsvorträgen in der Gedächtnishalle des Melanchthonhauses verdanken. Der weite Bogen der behandelten Themen lässt sich unter den Stichworten Humanismus und Reformation fassen. Die Beiträge gehen allerdings auch darüber hinaus. Der Reigen beginnt mit einer flott formulierten Diskussion der Autorschaft Melanchthons für das Chronicon Carionis, dem ersten umfangreichen Zeugnis reformatorischer Historiographie. Der als Referent an der Melanchthon-Akademie tätige Hendrik Stössel trägt drei Beiträge zur Christologie Melanchthons sowie zur Haltung der evangelischen Kirche während des Ersten Weltkriegs und in Gestalt der Barmer Theologischen Erklärung vor. Günter Frank widmet sich der Kindheit Melanchthons in Bretten. Martin Schneider, früherer theologischer Referent an der Melanchthon-Akademie, berichtet über die Verbindung zwischen Michael Stifel und Philipp Melanchthon, die an der dezidiert gnesio-lutherischen, flacianischen Position des Ersteren scheitert. Ein weiterer Beitrag widmet sich der frühen reformatorischen Entwicklung im Kraichgau zwischen 1518 und 1530, in der die Person Luthers eine kaum zu überschätzende Rolle spielte. Der bereits 2001 verstorbene Gerhard Wenig hinterließ einen editorischen Beitrag zur Vorrede Philipp Melanchthons zu den Elementale Geometricum von Johannes Vögelin in der Ausgabe von 1536. Sie wurde von Ulrich Reich erweitert und nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie wirft ein bezeichnendes Bild auf die Rezeption geometrischer Arbeiten im Wittenberg der 1530er Jahre. In insgesamt drei Beiträgen gibt Maria Lucia Weigel eine Übersicht über Abbildungen der Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin. Kunst- bzw. architekturhistorisch sind auch die Beiträge von Heiko Wacker und Christina Sol-tani. Erster widmet sich dem Heidelberger Schloss in seiner Funktion als Burg, Residenz und Denkmal zwischen dem 12. und dem 21. Jh. Christina Soltani widmet sich der bildnerischen Ausgestaltung des Brettener Melanchthonhauses durch Hans Adolf Bühler. Der Ökumene im innerprotestantischen Bereich wendet sich Rainer Burkart unter dem Titel »Heilung der Erinnerungen« zu. Im Zuge der interkonfessionellen Annäherungsbemühungen wurde nicht selten die innerprotestantische Differenzierung, die mit mancherlei Gewalt und Unrecht einherging, übersehen. Der Vf. nimmt nicht zuletzt aus biographischen Gründen das Verhältnis zu den aus der Täuferbewegung hervorgegangenen Mennoniten in den Fokus. Ausgehend von den Verdammungsurteilen Luthers und Melanchthons beschreibt er den bilateralen Dialog zwischen Vertretern der reformatorischen Kirchen und der Nachfolgergemeinschaften der frühen Täufergemeinde. Er nimmt das Reformationsjubiläum 2017 zum Anlass, vor einer zu starken Fokussierung auf Luther zu warnen und die abgesprengten Teile der reformatorischen Bewegung im Blick zu behalten.
Alle Beiträge sind inspirierend und vergnüglich zu lesen. Die Ausstattung auf Glanzdruckpapier und mit etlichen Abbildungen erhöht die Vermittlungsleistung zwischen akademischer Gelehrsamkeit und populärem Interesse an Regionalgeschichte und Heimatkultur. Ein durchweg zu empfehlender Sammelband.