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Ausgabe:

Januar/2019

Spalte:

43–44

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Berthelot, Katell

Titel/Untertitel:

In Search of the Promised Land? The Hasmonean Dynasty Between Biblical Models and Hellenistic Diplomacy.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018. 494 S. m. 2 Ktn. = Journal of Ancient Judaism. Supplements, 24. Geb. EUR 100,00. ISBN 978-3-525-55252-0.

Rezensent:

Benedikt Eckhardt

Die Zahl der Monographien und Konferenzen zur Hasmonäerdynastie und den Makkabäerbüchern ist in jüngerer Zeit stark angestiegen. Das anzuzeigende Buch liegt also im Trend. Es läuft ihm aber keineswegs hinterher, denn mit Katell Berthelot legt hier eine Forscherin ein Opus magnum vor, die seit Langem die Diskussion zur Hasmonäerzeit und ihrer Literatur mitgeprägt hat. Ausgangspunkt des Buches ist die titelgebende Frage, ob die hasmonäischen Eroberungen, die besonders ab der Zeit des Hyrkanos I. (135–104 v. Chr.) zu einer Reichsbildung davidischen Ausmaßes führten, von biblischen Vorgaben und insbesondere der Idee einer Rückeroberung des Israel versprochenen Landes angeleitet wurden. Bereits die umfangreiche, forschungsgeschichtlich orientierte Einleitung (15–64) macht allerdings deutlich, dass diese sehr konkrete Problemstellung kaum unabhängig von allgemeinen Überlegungen zur Hasmonäerdynastie, ihrer Herrschaftsideologie und ihrer Einbindung in die hellenistische Staatenwelt bearbeitet werden kann.
Von den drei Hauptteilen des Buches setzt sich dementsprechend nur der erste (65–212) direkt mit der Ausgangsfrage auseinander. B. zeigt hier zunächst, dass die im Ersten Makkabäerbuch bewahrte Geschichtsdarstellung der Hasmonäer kein besonderes Interesse an biblischen Konzeptionen des Landes hat, trotz deuteronomischer Einflüsse keine konsequente ḥerem-Kriegführung voraussetzt und auch die Josua-Figur nicht als Anknüpfungspunkt für entsprechende Ideologien nutzt. Die in der bisherigen Diskussion zentrale Passage 1Makk 15,33–35 rückt B. in den Kontext hellenistischer Diplomatie. Simons Protest gegenüber Antiochos VII., man habe sich lediglich das »Erbe der Väter« gesichert und sei dementsprechend nicht zur Rückgabe eroberter Territorien verpflichtet, bezieht sich ihr zufolge nur auf Judäa im engeren (allerdings in 1Makk kaum je definierten) Sinn; die Argumentation bemühe hellenistische Rechtskonzeptionen, nicht biblische Erwähltheitsdiskurse. Die Prämissen der Argumentation bleiben an dieser zentralen Stelle allerdings etwas diffus. Wo sollten solche »Rechtsansprüche« einklagbar gewesen sein; welchen Anspruch auf Historizität kann der Bericht über Simon erheben; und warum sollte nicht beides gleichzeitig intendiert sein: Eine hellenistisch-juristische und eine biblisch-theologische Lesart? Die Einordnung in »hellenistische Diplomatie« lässt insofern Fragen offen. B. rechnet offenbar mit einem Institutionalisierungsgrad hellenistischer Rechts- und Legitimitätsvorstellungen, der aus althistorischer Perspektive zweifelhaft ist. B. kann aber jedenfalls zeigen, dass auch die einzige Stelle, die ihrer Argumentation auf den ersten Blick widerspricht, nicht beweisen kann, dass die Hasmonäer ihre Eroberungen mit der Rückeroberung des Heiligen Landes begründeten. Bedenkt man, wie oft diese Ansicht auch ohne nähere Prüfung vertreten worden ist und wie stark sie in manchen Darstellungen die Wahrnehmung der Hasmonäerdynastie prägt, ist das ein wichtiges Ergebnis.
Der zweite Teil widmet sich umfangreich der historischen Re­konstruktion der Eroberungen unter Hyrkanos I., Aristobulos I. und Jannaios (214–340). An die Stelle des religiösen Eifers, der den Hasmonäern oft unterstellt worden ist, setzt B. überzeugend politische und ökonomische Motive. Völlig berechtigt ist der Hinweis (282 f.), dass die gelegentlich zu beobachtende Zerstörung paganer Kult-stätten zwar Folge der Kriegshandlungen war, jedoch nicht als ihre Ursache betrachtet werden muss. Die Hasmonäer strebten B. zufolge keine »Reinigung« des Landes an, sondern wählten einen pragmatischen Ansatz, der sich etwa auch in der unterschiedlichen Behandlung von Idumäern, Ituräern und anderen eroberten Bevölkerungsgruppen zeigt. Die Schwäche der Seleukiden schuf die Gelegenheit zur Gebietserweiterung, die bereits seit Hyrkanos auch mit Hilfe von Söldnern vorgenommen wurde – die wiederum im Land anzusiedeln waren und damit eine »Depaganisierung« von vornherein unmöglich machten. Mit möglichen Reaktionen auf diese Entwicklungen beschäftigt sich der dritte Teil (341–426). Aus den Qumranschriften wird in detaillierten Analysen eine zeitgenössische Delegitimierung der Hasmonäerdynastie erschlossen, zu der auch die negative Bewertung der Eroberungskriege – als gerade nicht biblischen Forderungen entsprechend – gehörte. Die rabbinische Überlieferung zeigt demgegenüber ein äußerst selektives Gedenken an die Hasmonäer, da sie (mit Ausnahme der laut B. protorabbinischen Megillat Taanit) die Kriege der Hasmonäer nur als Verteidigungskämpfe gegen die seleukidische Verfolgung, nicht aber als Eroberungskriege eigenen Rechts erinnert. Auf das Schlusswort folgen noch ein kurzer Exkurs zu Eupolemos, eine chronologische Übersicht und ein Stellenregister; ein Sachregister vermisst man.
B. geht wahrlich keinem mit ihrem Thema verbundenen Problem aus dem Weg. Viele der im zweiten und dritten Teil des Buches besprochenen Aspekte sind zur Absicherung ihres negativen Hauptergebnisses, aber auch für die Entwicklung eines Alternativbildes der hasmonäischen Eroberungen unverzichtbar. Die Länge des Buches zeigt aber auch an, dass in der schwierigen Frage, was für die Argumentation notwendig und was verzichtbar ist, nicht immer die beste Entscheidung getroffen worden ist. Exkurse wie das Kapitel über Josephus (214–239), die ausführliche Behandlung von 4Q448, die lediglich den Status quo der Debatte bestätigt (375–383), oder die allgemeine Diskussion antihasmonäischer Positionen in der rabbinischen Literatur (408–426) wirken wie Fremdkörper, die mit knappen Einleitungen notdürftig in den Gesamtzusammenhang eingebettet werden. Die im Titel angekündigte hellenistische Diplomatie spielt demgegenüber nur im ersten Teil eine Rolle und wird somit an den Rand gedrängt. Dennoch finden sich auch in den Teilen, die mit der Ausgangsfrage wenig zu tun haben, interessante Einsichten, mindestens aber gute Überblicke über Forschungsprobleme.
Besonders hervorzuheben ist zudem, dass B. nicht nur konsequent und detailliert den Bezug zur Originalsprache der Quellen herstellt, sondern auch in der Besprechung von Forschungsliteratur nicht durch – inzwischen oft als selbstverständlich hingenommene – Sprachbarrieren eingeschränkt ist. Auf beiden Ebenen kommt es zwar gelegentlich zu vermeidbaren Irrtümern. Die von B. vorgeschlagene Neuübersetzung einer Passage in Josephus, Ant. 13,257 f. (291 f.) ist grammatisch unmöglich, und die dreiseitige Zurückweisung einer Argumentation des Rezensenten (392–394) beruht auf einem Missverständnis des deutschen Textes (aus dem »jüngsten Teil« von PsSal 17 wird in B.s Übersetzung der »oldest part«). Dennoch ist das Buch auch als Plädoyer für die Berücksichtigung der gesamten, eben nicht nur aus englischsprachigen Beiträgen bestehenden Forschungslandschaft zu verstehen – und als solches unbedingt zu begrüßen.
Insgesamt ist das Buch eine Bereicherung, auch wenn nicht alle gefundenen Lösungen überzeugen. Indem B. nicht nur die eng gefasste Ausgangsfrage beantwortet, sondern auch ihren methodischen Implikationen und den thematischen Hintergründen nachgeht, zeichnet sie ein Gesamtbild der hasmonäischen Expansion, das für die weitere Forschung ein wichtiger Bezugspunkt sein wird.