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Ausgabe:

Juli/August/2018

Spalte:

749–751

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Park, Paul Hyungsoon

Titel/Untertitel:

Das Spannungsfeld zwischen göttlichem und menschlichem Königtum in Jes 1–39. Semantische Untersuchung zur zentralen theologischen Aussage über das Königtum JHWHs.

Verlag:

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2016. 316 S. = Europäische Hochschulschriften. Reihe 23: Theologie, 952. Kart. EUR 64,95. ISBN 978-3-631-67154-2.

Rezensent:

Torsten Uhlig

Die vorliegende, für den Druck leicht überarbeitete Dissertation, die von dem ausgewiesenen Jesajaspezialisten Ulrich Berges be­treut und im Wintersemester 2015/16 von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn als Dissertation angenommen wurde, widmet sich dem Verhältnis von göttlichem und menschlichem Königtum im Jesajabuch, vornehmlich in den Kapiteln 1–39.
Paul Hyungsoon Park entwickelt und verfolgt die These, dass auf synchroner Ebene von Jes 1–39 JHWH der einzig wahre König ist, dessen Königtum zum menschlichen Königtum in Spannung steht. In vier Kapiteln verfolgt P. das Verhältnis in den Blöcken Jes 1–12, Jes 13–27, Jes 28–35 und Jes 36–39. Demnach übt JHWH sein Königtum in und von Zion über das Gottesvolk ebenso wie über die gesamte Völkerwelt aus. Wenn dabei sowohl JHWH als auch die menschlichen Könige mit derselben Terminologie ( ךלמ) bezeichnet werden, so dient dies weitgehend dazu, anhand der »Reden, Handlungen, Übereinstimmungen, Differenzen und Beschreibungen der in Jes 1–39 vorkommenden Akteure (die judäischen Könige – Usija, [Jotam], Ahas und Hiskija, assyrische Könige – Sargon und Sanherib – und die babylonischen Könige)« (286) den Gegensatz zum Königtum JHWHs zu konkretisieren.
Im Blick auf die menschlichen Könige anderer (feindlicher) Länder ist dabei die politisch-militärische Macht thematisiert, wobei P. hier besonders deren Angriff gegen das Volk Israel, Zion/Jerusalem und JHWH in den Fokus rückt, gegen die sich JHWHs Königsherrschaft erweist und verwirklicht. Hinsichtlich der Spannung zu den davidischen Königen hebt P. den Aspekt des Unglaubens gegenüber JHWH hervor. Und so liegt der Hauptakzent der Darstellung des »idealen Herrschers« in Jes 7; 9 und 11, der zunächst mit Hiskia zu identifizieren ist, darauf zu zeigen, wie angesichts der kritischen Töne zu Hiskia in Jes 28–35 und wegen der Spannung zwischen Jes 36–38 und Jes 39 kein menschlicher König die Rolle des wahren Königs ausfüllen kann. Dies vermag allein JHWH, weshalb nach P. ab Jes 40 allein JHWH als König begegnet.
Die Überlegenheit JHWHs über jegliche menschliche Könige erschließt sich nach P. schrittweise entsprechend den Hauptblö-cken in Jes 1–39: Zunächst werden in Jes 1–12 sowohl die mensch-lichen Könige (judäische wie fremde/feindliche) als auch JHWH als König eingeführt. Dann wird in Jes 13–27 das Gericht JHWHs gegen die Völkerwelt angesprochen, das in die Proklamation des universalen Königtums JHWHs von Zion aus mündet (Jes 24,23). Im dritten Block liegt für P. der Schwerpunkt auf dem Bekenntnis einer »Wir-Gemeinde« zu JHWH als »unserem König« (Jes 33,22), bevor sich in Jes 36–39 JHWH als wahrer König darin erweist, dass er sein Volk und Zion einerseits vor der assyrischen Bedrohung rettet und andererseits das Ende des davidischen Königtums ansagt (Jes 39,6–7).
Neben dem Kontrast zwischen göttlichem und menschlichem Königtum und Zion als Ort, in dem und von dem aus sich die universale Königsherrschaft JHWHs bewährt, zieht sich als weiteres wichtiges Element das Hervortreten der »Wir-Gemeinde« durch Jes 1–39. Diejenigen, die aus dem Gericht JHWHs hervorgehen und JHWH als »unseren König« (Jes 33,22) anerkennen, erweisen sich als die »Restgemeinde« bzw. »prophetische Gemeinde« in Zion.
Hilfreich ist die Arbeit im Blick auf die Darstellung der Züge des Königtums JHWHs im Jesajabuch – dies vor allem auch, weil P. hier neben den verschiedenen Formen von ךלמ eine große Breite weiterer verwendeter Königsepitheta berücksichtigt. Damit vermag die vorliegende Arbeit, den Beitrag von Jes 1–39 (über Jes 6 hinaus) für die Rede von Gott als König im Alten Testament herauszustellen und zu spezifizieren. Besonders Jes 24–27 und Jes 33 erhalten über die Spezialstudien zu diesen Textkomplexen hinaus stärkeres Gewicht für die Wahrnehmung des Königtums JHWHs im Alten Testament. Für die durchaus naheliegende Einbeziehung von Jes 36–39 in die Diskussion um das Königtum JHWHs wäre jedoch eine etwas detailliertere Begründung wünschenswert angesichts der hier fehlenden markanten terminologischen Bezüge.
Lohnenswert ist es auch zu verfolgen, wie P. die Verknüpfung des göttlichen wie des menschlichen Königtums mit dem Hervortreten einer »Wir-Gruppe« herausarbeitet (Immanuel/»Gott ist mit uns«, Jes 7,9; »uns ist ein Kind geboren«, Jes 9,5; »JHWH ist unser König«, Jes 33,22, etc.), werden damit doch eine Reihe weiterer exegetischer und hermeneutischer Fragen angestoßen.
Schließlich dürften für Jesajaexegeten viele Einzelbeobach-tungen und -vorschläge von Interesse sein (z. B. Begrenzung der Überschrift Jes 1,1 auf Jes 1–39; die Begründung für die Identifikation des »idealen Herrschers« in Jes 7; 9; 11 mit Hiskia; der Vorschlag zum parallelen Aufbau von Jes 13–27 und Jes 28–35, die nuancierte Charakterisierung von Hiskia in Jes 36–39, die m. E. in der übergreifenden These nicht ihre ganze Durchschlagskraft entfalten kann).
Anzufragen wäre auf methodischer Ebene, ob man einen synchronen Ansatz so selbstverständlich mit linear-fortlaufender Lektüre gleichsetzen kann, wie P. dies tut, und inwiefern nicht doch zumindest traditionsgeschichtlich nahestehende Texte, wie Kö­nigs- und JHWH-Königs-Psalmen, in der Interpretation stärker zu berücksichtigen sind. Inhaltlich stellen sich einige Anfragen vor allem hinsichtlich der Darstellung des »menschlichen Königtums« in Jes 1–39, das sich kaum darauf reduzieren lässt, den Kontrast zum göttlichen Königtum darzustellen.
Das »menschliche Königtum« in Jes 1–39 ist wohl doch stärker zu differenzieren gegenüber P.s Verengung auf den Kontrast zum Königtum JHWHs. Vor allem ist es in sich spannungsvoll dargestellt. Dies ergäbe sich allein schon aus einer ähnlich breiten Be­rücksichtigung königlicher Motive und Begriffe für menschliche Könige, wie es in der Studie von P. im Blick auf das göttliche Königtum angemessen geschieht. Entsprechend ließe sich dann nicht mehr sagen, dass ab Jes 40 ausschließlich JHWH als König begegnet, wenn z. B. Kyrus als »Messias« (Jes 45,1) bezeichnet wird, der Gottesknecht königliche Züge (bes. Jes 42,1–9; 52,13–53,2) hat oder an das Volk wie sonst an Könige die Heilszusage ergeht »Fürchte dich nicht, denn …« (z. B. Jes 41,10.14; 43,1; 44,2). Auch der Dienst der ausländischen Könige an den Kindern Zions (Jes 60) nuanciert die Wahrnehmung des Verhältnisses von menschlichem und göttlichem Königtum.
Des Weiteren kann in Jes 1–39 der »ideale Herrscher« in Jes 7; 9; 11 nicht darauf reduziert werden, dass darin Hiskia angesagt wird, der dann aber (in Jes 28–35; 39) als ungeeignet erscheint, und damit JHWH als einzig wahrer König etabliert werden soll. Das ist neben der weiterhin fraglichen Identifikation mit Hiskia schon deshalb problematisch, als mindestens Jes 7,14 und Jes 11 als Worte JHWHs begegnen; d. h. die Worte über den »idealen menschlichen Herrscher« sind verbunden mit den Ankündigungen des göttlichen Königs. Hier zeigt sich, dass synchrone Auslegung nicht mit linear-fortlaufender Lektüre gleichgesetzt werden kann bzw. sollte. Nicht ausreichend wird zudem Jes 32 berücksichtigt mit seiner Zukunftsansage einer gerechten Herrschaft, in der ein König zumindest eine tragende Rolle spielt (Jes 32,1).
Diese spannungsvolle Darstellung des menschlichen Königtums dürfte wohl auch zusammenhängen mit Aufnahme und Abwandlung der judäischen Königsideologie, wie sie sich z. B. in Pss 2; 18; 21; 45; 72; 110; 132 widerspiegelt. In dieser vermittelt der menschliche König die universale Königsherrschaft Gottes. Auf diesem (traditionsgeschichtlichen) Hintergrund würde die nuancierte Aufnahme und Abwandlung des menschlichen Königtums wohl noch deutlichere Konturen erhalten. Ähnliches gilt für den Vergleich mit den JHWH-Königs-Psalmen, womit einmal mehr die herausfordernde Aufgabenstellung angezeigt ist, synchrone und diachrone Fragestellungen in Beziehung zu setzen.
Ein Literaturverzeichnis, in dem man die grundlegende Sekundärliteratur zu den verhandelten Jesajatexten findet, aber (wie auch im Forschungsüberblick) die eine oder andere zentrale Studie zum Königtum JHWHs in anderen relevanten Textkomplexen vermisst, beschließt diese anregende Studie, die besonders für die Wahrnehmung des Königtums JHWHs in Jes 1–39 wertvolle Dienste leistet.