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Ausgabe:

Mai/2017

Spalte:

531–532

Kategorie:

Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Weigel, George

Titel/Untertitel:

Zeuge der Hoffnung. Johannes Paul II. Eine Biographie. 3., erw. Aufl. 2011. Und: Ders.: Der Papst der Freiheit. Sonderpaket m. 2 Bdn.

Verlag:

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2014. Insg. XX, 1645 S. m. zahlr. Abb. Geb. EUR 45,90. ISBN 978-3-506-77953-3.

Rezensent:

Martin Bräuer

Der amerikanische Journalist George Weigel bietet in den beiden Teilen seiner Biographie über Johannes Paul II. einen sehr ausführlichen und präzisen Einblick in das Leben dieses inzwischen von seiner Kirche heiliggesprochenen Papstes, der in seiner über 26-jährigen Regierungszeit die katholische Kirche intensiv prägte. Geradezu minutiös schildert er in »Zeuge der Hoffnung«, welche schon zu Lebzeiten des Wojtyla-Papstes erschien, auf 936 Seiten nahezu alle Facetten seiner Persönlichkeit. So erfährt der Leser in diesem Band nicht nur, dass Sacharow sein Parlamentsmandat erst nach einer streng geheimen Unterredung mit Johannes Paul II. aufgenommen hat oder wie die spektakuläre Reise des Papstes nach Kuba eingefädelt wurde, sondern stößt auch erstmals auf den Brief, den Johannes Paul II. im Dezember 1980 an Breschnew schrieb. Darin warnt der junge Papst den alten Sowjetführer unmissverständlich, dass er die damals unmittelbar bevorstehende Invasion Polens vor der Weltöffentlichkeit mit dem Überfall auf das Land durch die Nazis 1939 vergleichen werde. Das Ergebnis ist bekannt. Breschnew blies die Invasion in letzter Sekunde ab. Dennoch ist die Darstellung vom Kampf des Papstes gegen den Kommunismus und seines Beitrags zum Fall des Eisernen Vorhangs nicht das eigentlich Be­sondere an »Zeuge der Hoffnung«. W. unternimmt auch den Versuch, das Innerste des Menschen zu ergründen, der diesen enormen Einfluss besaß. Zu diesem Zweck vertiefte sich W. nicht nur in die polnische Staats- und Geistesgeschichte, sondern auch in die philosophischen Werke Wojtylas, seine Dramen, Gedichte und seine Essays, und führte unzählige Gespräche mit Freunden und Beratern Johannes Pauls II.
Das Ergebnis ist ergiebig. Das Bild, das W. darin von Johannes Paul II. zeichnet, ist das eines durch und durch modernen Menschen. Im Hexenkessel des Zweiten Weltkriegs schnell erwachsen geworden, sei Wojtyla früh zu der Überzeugung gelangt, die Krise der modernen Welt sei vor allem eine Krise der Ideen und besonders eine des Menschenbildes.
Was auch immer Karol Wojtyla – als Professor für Philosophie an der Universität zu Lublin, als Teilnehmer während des II. Vatikanischen Konzils, als Erzbischof von Krakau und später als Bischof von Rom – tat, hat, laut W., stets eine pastorale Ursache und lasse sich schon deswegen nicht in Kategorien wie »links« und »rechts«, »progressiv« oder »reaktionär« pressen:
Die Verteidigung des christlichen Humanismus als Antwort auf die bisweilen verlockenden, aber an der Wahrheit über den Menschen vorbeigehenden Humanismen, sei, nach W., das eigentliche Programm des Papstes. W. arbeitet in seinem Werk den Anteil Wojtylas an den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils ebenso heraus wie deren Umsetzung als Erzbischof von Krakau oder als Bischof von Rom. Ein besonderes Augenmerk legt er auch auf die Sozialenzykliken Johannes Paul II. und deren Erschließung für den Leser. Über das Opus Dei, welches im Pontifikat Johannes Pauls II. einen immer größeren Einfluss gewann, findet man in diesen Bänden allerdings nur sehr wenige Informationen.
Im zweiten, nach dem Tod Johannes Pauls II. erschienenen Band »Der Papst der Freiheit. Johannes Paul II. Seine letzten Jahre und sein Vermächtnis« thematisiert er zunächst die Auseinandersetzung Karol Wojtylas mit dem Kommunismus im ehemaligen Ostblock, insbesondere in Polen, geht dann intensiv auf die letzten Jahre des Pontifikats sowie das Leiden und Sterben Johannes Pauls II. ein und gelangt schließlich zu einer kritischen Bewertung der Leistungen dieses Papstes. Alle behandelten Aspekte sind präzise recherchiert und anhand von Zitaten belegt. Im zweiten Teil des Bandes versucht er ein spirituelles Porträt von Johannes Paul II. zu zeichnen, welches über Strecken allerdings hagiographische Züge aufweist. Trotz dieser Schwäche wird dieser Band bei der Beschäftigung mit Johannes Paul II. in Zukunft unentbehrlich sein.