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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1155–1157

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Fricke, Michael, u. Martin Dorner

Titel/Untertitel:

Werkbuch Diakonisches Lernen. M. e. Beitrag von E. Buck u. e. Geleitwort v. H. Bedford-Strohm.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015. 208 S. m. 31 Abb. Geb. EUR 25,00. ISBN 978-3-525-70216-1.

Rezensent:

David Toaspern

Mit dem Werkbuch Diakonisches Lernen liegt ein Arbeitsbuch vor, das verschiedene Zielgruppen in Schule, Diakonie und Wissenschaft anspricht. Das Werkbuch bietet fundierte Informationen und praktische Zugänge zu einem innovativen Thema der Praktischen Theologie. Diakonisches Lernen etablierte sich seit den 1990er Jahren als eigenständige Lernform in konfessionellen und öffentlichen Schulen und fand vielfältige Ausprägungen. Mit dem Projekt »Diakonie im sozialen Nahraum«, das von den Autoren maßgeblich geprägt wurde (Projektleitung Martin Dorner, Mitglied im Projektbeirat Michael Fricke), forcierte das Diakonische Werk Bayern diese Lernform für den Freistaat Bayern. Den Autoren stand aus der Projektarbeit ein Fundus an Praxismaterial und Kontakten zu Lernenden, Lehrenden und Anleitenden zur Verfügung. Zugleich profitiert das Buch von der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas durch Michael Fricke an der Universität Regensburg. Einen weiteren Akzent setzt der Beitrag von Elisabeth Buck, der eine Verbindung zum Konzept des Bewegten Religionsunterrichts herstellt.
Das Werkbuch gliedert sich in einen Theorie- und einen Praxisteil, womit eine interessengeleitete Nutzung ausdrücklich ermöglicht wird. Teil I: Worum es geht – Einführung in Diakonisches Lernen stellt eine Definition Diakonischen Lernens an den Anfang: »Diakonisches Lernen ist […] eine zirkulierende Bewegung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Sehen, Urteilen und Handeln« (16). Das anerkannte Proprium Diakonischen Lernens – die notwendige Verbindung zwischen diakonischer Praxis der Lernenden und unterrichtlicher Arbeit zu dieser Praxis – beschreibt diese Definition nicht linear, sondern zirkulär. Der Dreischritt Sehen, Urteilen, Handeln wird als dynamischer, nachhaltiger Lernprozess aufgefasst. Die zirkuläre Bewegung schlüsselt das Buch zunächst theoriebezogen auf. Beispielsweise verzahnen Fachwissenschaftliche Überlegungen Er­scheinungsformen von Diakonie mit Entwicklungsaufgaben der Lernenden. Etwa im Kapitel Diakonie im Spiegel menschlicher Erfahrungen und Bedürfnisse (24–43) werden Aufgaben der Diakonie aus der Perspektive derer, die Diakonie in Anspruch nehmen, benannt. Dem zugeordnet werden Überlegungen, wie Schülerinnen und Schüler sich in ihrer Persönlichkeit durch aktive Teilhabe an diesen Aufgaben entwickeln können. In der diakonisch-theologischen Entfaltung der jeweiligen Erfahrungen und Bedürfnisse findet sich dann geeignetes Material zur schulischen Reflexion der Praxis.
Hervorzuheben ist für den Theorieteil des Werkbuches, dass es eine Didaktik des Diakonischen Lernens (51–80) vorlegt, die den Forschungsertrag der vergangenen zwei Jahrzehnte aufnimmt. Im Ergebnis steht ein integraler Ansatz, der Diakonisches Lernen 1. in ein ausgewogenes Verhältnis von Theorie und Praxis stellt, 2. es auf vielfältige Aspekte des Menschseins bezieht und 3. es gleichermaßen für staatliche wie für konfessionelle Schulen mit ihren heterogenen Schülerschaften offen sieht.
Der Praxisteil des Buches Wie wir es machen können wird interessanterweise aus der Perspektive der Diakonie eröffnet. Mit den Chancen für die Diakonie aus praktischer Sicht wird einer möglichen Einseitigkeit, dass nur Schule vom Diakonischen Lernen profitiere, von vornherein gegengesteuert. Dieser Teil bietet für die Anbahnung von Kontakten zu institutioneller und zu Gemeindediakonie Material, aus dem konzeptionelle Entscheidungen abgeleitet werden können.
Für Lehrkräfte führt der Beitrag Diakonie berühren von Elisabeth Buck in Möglichkeiten eines ganzheitlichen, eben auch körperbezogenen Arbeitens zu Diakonie im schulischen Unterricht ein. Die Anwendung des Konzepts »Bewegter Religionsunterricht« auf das Diakonische Lernen ermöglicht es, Diakonie im schulischen Unterricht »in leiblichen Handlungsvollzügen zu untersuchen« (103). Für die Nachhaltigkeit diakonischer Bildung ist es außerordentlich hilfreich, dass hier eine körper- und bewegungsbezogene Unterrichtseinheit exemplarisch vorgestellt wird, von der aus Lehrkräfte weitere Arrangements entwickeln können. Gut strukturiert geht das Werkbuch im Weiteren auf die Arbeit der Lehrkraft in den einzelnen Phasen Diakonischen Lernens ein.
Den Abschluss des Praxisteils und damit des ganzen Buches bilden Beispiele guter Praxis. Für Grundschule, Mittelschule und Gymnasium werden Beispiele für Aktionstage und Praktika dargestellt. Durch eine Strukturierung der Darstellung in Arbeitsphasen, in das Engagement von Schülerinnen und Schülern sowie der Eltern und in verschiedene inhaltliche und organisatorische Aspekte, können Lehrkräfte und diakonische Träger Gewinn wie auch Aufwand der Praxisprojekte gut einschätzen und für ihre Kontexte adaptieren. Der Praxisteil erfüllt damit die Aufgabe einer Ideenbörse und zu­gleich einer Matrix für das eigene Arbeiten.
Das Buch ist crossmedial angelegt. Über eine Internetseite des Verlages können Podcasts mit Originaltönen von Lernenden und Anleitenden sowie diverse Dokumentenvorlagen für die Praxis abgerufen werden. Lehrkräften sind damit Unterrichtsmedien und er­probte Arbeitspapiere einfach zugänglich.
Das Werkbuch Diakonisches Lernen zeichnet sich durch seine klare Darstellung und gute Lesbarkeit unter Gewährleistung der Wissenschaftlichkeit aus. Es ist mehr als ein Praxisbuch, indem es das Diakonische Lernen nicht nur in seiner praktischen Durchführung entfaltet, sondern es auch diakoniewissenschaftlich und didaktisch untersetzt. In dieser Mischung wird es dem Anspruch eines Werkbuches für den Einsatz in Schule und Diakonie sowie in Studium und Lehre voll gerecht. Diakonisches Lernen ist in der Forschung fundiert bearbeitet und in der Praxis breit erprobt – diesen Entwicklungsstand markiert das Werkbuch und weckt Neugierde auf zukünftige Perspektiven.