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Ausgabe:

September/2016

Spalte:

873–886

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Alexandra Grund-Wittenberg

Titel/Untertitel:

Kulturanthropologie und Altes Testament

Stand und Perspektiven der Forschung

I Die Hinwendung zur Anthropologie in der neueren alttestamentlichen Wissenschaft

In vielen der Theologie benachbarten Wissenschaften ist in den vergangenen Jahren eine Hinwendung zu anthropologischen Forschungen zu verzeichnen. Sie wurde bereits mit dem Schlagwort »anthropological turn«1 versehen und hat eine Reihe von »Bin-destrich-Anthropologien«2 (Bild-, Medien-, kybernetische, literarische Anthropologie etc.) hervorgebracht. Impulse für diese neue Frage nach dem Menschen gingen, wie vielfach betont wird, von bioethischen Diskussionen um die neuen medizinischen Möglichkeiten am Anfang und am Ende menschlichen Lebens aus, aber auch von der großen öffentlichen Wahrnehmung der Forschung in den sogenannten Lebenswissenschaften, etwa der Neurophysiologie, Evolutionsbiologie, Genforschung u. a. Von der philosophischen Anthropologie wird das Gespräch dabei zunehmend nicht nur mit biologischer – wie bereits seit Plessner und Gehlen –, sondern gerade auch mit kulturwissenschaftlich ausgerichteter An­thropologie gesucht.3 Die kulturwissenschaftliche Hinwendung zur Anthropologie reagiert dabei nicht nur auf den Orientierungsbedarf angesichts der u. a. durch Evolutionsbiologie, Psychoanalyse und Neurowissenschaften fraglich gewordenen Sonderstellung des Menschen, sondern sie problematisiert auch die Sonderstellung des westlich-europäischen, modernen Menschen als Beurteilungsmaßstab vormoderner und nicht-westlicher menschlicher Kulturen und wendet sich von essentialistischen Wesensbestimmungen »des Menschen« ab. Auf Seiten der theologischen Anthropologie entspricht dem eine Abkehr von der Formulierung normativer christlicher Menschenbilder. Vielmehr wird hier nun die Vielfalt der Rede vom Menschen in den biblischen Überlieferungen betont, zugleich aber auch, dass in ihnen Menschen durchgehend in Relation zu Gott wahrgenommen werden, ja dass selbst die Frage nach dem Menschen an Gott adressiert ist (Ps 8,5–9).4

In diesem Kontext wurde auch in der deutschsprachigen alttes­tamentlichen Wissenschaft der letzten Jahre die Anthropologie als zentraler Forschungsbereich wieder-, in ihrer Tragweite und in ihrem integrativen Potential sogar gänzlich neu, entdeckt. Wichtige Impulse zu dieser Entdeckung gingen dabei von den Monographien von S. Schroer und Th. Staubli zur Körpersymbolik der Bibel5 und von B. Janowski zur Anthropologie der Psalmen6 aus. Vor al­lem die seit 2009 in kurzer Abfolge erschienenen Sammelbände zur alttestamentlichen Anthropologie7 dokumentieren diese Entwicklung. Die neueren Einsichten und Ergebnisse für den Bereich des Alten Testaments wurden bereits, auch an diesem Ort,8 in Forschungsübersichten zusammengefasst, und es wurden Perspektiven für die weitere Forschung aufgezeigt.9 Auch der Bereich »Kulturwissenschaften und Altes Testament« wurde vor wenigen Jahren schon ausgelotet.10 In diesem Beitrag wird nun danach gefragt, welchen Ertrag die Einbeziehung spezifisch kulturanthropologischer Einsichten, Themen und Methoden in die alttestamentliche Forschung hat und haben kann. Im Folgenden sollen daher zunächst solche neueren Arbeiten in den Blick kommen, die auf kultur- und sozialanthropologische Forschungen Bezug nehmen bzw. sich ausdrücklich solchen Studien zuordnen (2.). Da hierbei aber bislang vielfach nur mit einem zumeist impliziten Vorverständnis von »Kulturanthropologie« operiert wird, werden in einem weiteren Schritt Geschichte und Aufgabenbereich der Kulturanthropologie näher bestimmt (3.), um schließlich Perspektiven einer von Einsichten der Kulturanthropologie inspirierten alttes-tamentlichen Wissenschaft aufzuzeigen (4.).

II Kulturanthropologische Forschungen zum Alten Testament


Der mögliche Erkenntnisgewinn eines kulturanthropologischen Blickwinkels wurde bereits in früheren Epochen alttestamentlicher Forschung erkannt, und so wurden bereits in der Vergangenheit monographische Studien zur Kultur- bzw. Sozialanthropologie des Alten Testaments vorgelegt. Insbesondere die Pionierarbeit von J. Pedersen11 sowie die Entwürfe von J. W. Rogerson12 oder Th. W. Overholt13 kann man hierzu zählen. Unter den zahlreichen Neuerscheinungen der letzten Jahre zur Anthropologie des Alten Testaments formuliert besonders der von A. Berlejung, J. Dietrich und J. F. Quack herausgegebene Sammelband »Menschenbilder und Körperkonzepte im Alten Testament, in Ägypten und dem Alten Orient« das Vorhaben, den Weg für kulturanthropologische Zugänge zum alten Israel und dem alten Orient zu ebnen.14 Als primäre Forschungsfelder verstehen die Herausgebenden Menschenbilder, Symbolisierungen des menschlichen Körpers, das Verhältnis des Individuums zur Gemeinschaft und die Bedeutung symbolischer Handlungen. Die Beiträge des Bandes sorgen durch die Einbeziehung von Forschungen zur sogenannten Umwelt des al­ten Israel für kulturvergleichende Perspektiven und finden in der Tat ihre Schwerpunkte in Symbolisierungen des Körpers und der Sozialbeziehungen.

Auf den ersten Blick bringt man dieses Themenspektrum jedoch eher mit der – für ausgewiesen historische Zugriffe auf antike Kulturen näherliegenden – Historischen Anthropologie in Verbindung, statt mit der vorwiegend empirisch und in der Feldforschung arbeitenden Kulturanthropologie. Warum wird für diesen Forschungsbereich dennoch die Bezeichnung »kulturanthropologisch« gewählt? Vermutlich, weil sich ein historischer Zugriff auf die antike Welt von selbst versteht, nicht aber die Fokussierung auf den Menschen als kulturelles Wesen. Dieses Interesse wiederum erklärt sich dabei aus dem Desiderat, eine alle Facetten menschlichen Lebens umfassende, gesättigte und dadurch sowohl für andere Fächer als auch für Gegenwartsfragen anschlussfähige anthropologische Forschung zu verfolgen, die über die konventionellere Frage nach der Bedeutung reflexiver Aussagen wie Gen 1,26–28 oder Ps 8,4–9 hinausgeht.

In einigen konkreten Themenfeldern hat sich die jüngere alttes-tamentliche Forschung bereits auf genuin »kulturanthropologische« Forschungen bezogen. Das Beispiel der Diskussionen zu »Honor and shame« sowie zu Gabe und Opfer kann verdeutlichen, welchen Erkenntnisgewinn ihre Einbeziehung eröffnet und welche Schwierigkeiten sie zugleich bereiten kann.

1. »Honor and shame«


Die jüngere Frage nach der Bedeutung von »Ehre und Scham« – eine problematische, aber eingeführte Übersetzung des amerikanischen Begriffspaars »honor and shame« – im alten Israel und nach dessen etwaiger Zugehörigkeit zu den sogenannten »Schamkulturen« ist kulturanthropologisch inspiriert. Die Unterscheidung zwischen fernöstlichen und mediterranen Schamkulturen, in denen Schamgefühle als normatives Regulativ des Verhaltens dominieren, und westlichen Schuldkulturen, in denen weitgehend Schuldgefühle diese Funktion übernehmen, geht zurück auf grundlegende Arbeiten der Pionierinnen der Kulturanthropologie Margaret Mead und Ruth Benedict.15 Sie wurde vom Gräzisten Eric Dodds16 für die frühe griechische Kultur und von Kulturanthropologen um John Peristiany17 für mediterrane Kulturen bis heute reklamiert, und der Neutestamentler Bruce Malina18 u. a. brachten die Ergebnisse für das Neue Testament und seine Umwelt in Anschlag. In der englischsprachigen Bibelwissenschaft wurde der Themenbereich schon vor zwei Dekaden aufgegriffen,19 allerdings wurden die vermeintlichen Parameter einer Schamkultur nicht selten pauschal als hermeneutische Schlüssel zum Verständnis des alten Israel eingesetzt.20 Aber auch von kulturanthropologischer Seite wird die Gegenüberstellung von Schamkulturen und Schuldkulturen bereits seit einiger Zeit als homogenisierend, archaisierend und exotisierend kritisiert.21 Beiträge aus dem deutschsprachigen Raum mahnen daher vielfach zur Vorsicht, betonen aber den hohen heuristischen Wert der kulturanthropologischen Impulse.22 Die Frage, welchen Stellenwert Ehre und Scham bzw. gewährte oder verweigerte Anerkennung für die Menschen des alten Israel im interkulturellen Vergleich hatte, ist keineswegs leicht zu beantworten, zumal eine »jede Kultur […] und Gesellschaft unter dem Deckmantel der Ehre diejenigen […] Ansichten, Normen und Verhaltensmuster ihrer Mitglieder [kontrolliert], die sie zu ihrer eigenen Stabilität benötigt.«23 Dass sich Habitus und Denkmuster der Menschen des alten Israel von denjenigen moderner Gesellschaften unterscheiden, wird nicht überraschen. Umso mehr müsste ein interkultureller Vergleich zwischen Israel und seinen Nachbarkulturen weitere Aufschlüsse geben, dabei aber berücksichtigen, dass bereits innerhalb der alttestamentlichen Überlieferungen und vermutlich auch in denen der Umweltkulturen unterschiedlich beurteilt wird, was als ehrenvoll und was als beschämend gilt. Hier bedarf es weiterer Studien, die sowohl Einsichten der gegenwärtigen Sozialpsychologie als auch Forschungen zu den Umweltkulturen berücksichtigen.

2. Gabe und Opfer


Die auf den Pionier der französischen Ethnologie Marcel Mauss zurückgehende Gabetheorie ist in den letzten Jahren weit darüber hinaus diskutiert und auch für alttestamentliche Themenfelder in Anschlag gebracht worden. Mauss hatte in seinem »Essai sur le don« in einer kulturübergreifenden Zusammenschau traditionaler und antiker Gesellschaften herausgearbeitet, dass dort »Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt[finden], die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen« 24. Der Austausch von Gaben berührt alle Dimensionen des kulturellen Zusammenlebens; im Gegensatz zum ökonomischen Warentausch oder Kauf symbolisiert er jedoch vor allem wechselseitige Anerkennung der Gabepartner und dient dazu, Fremdheit oder Feindschaft zu überwinden und soziale Netze zu knüpfen. Das Eintreten in Gabezusammenhänge bedeutet Aufnahme, die Verweigerung signalisiert Abbruch freundschaftlicher Beziehungen. Angesichts ihres verpflichtenden Charakters enthält eine Gabe aber stets den Aspekt der Herausforderung oder gar der Erniedrigung, so dass Gabebeziehungen horizontale bzw. kooperative und vertikale bzw. agonistische Formen annehmen können, die wie der rituelle Gabentausch des Potlatch vornehmlich auf Statuszugewinn abzielen.

Auch in der Theologie bzw. in den Bibelwissenschaften wurde »die Gabe« in den letzten Jahren entdeckt.25 So konnte für Gelübde26 sowie den Zehnten27 ein gabetheoretischer Deutungsrahmen fruchtbar gemacht werden. Die Bedeutung von Gaben für die Etablierung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen haben G. Stansell und A. Grund in den Blick genommen. Stansell untersucht u. a. die oft schillernde Bedeutung von Gaben in der Josephser-zählung und in den Erzelternerzählungen.28 A. Grund fragt nach Bedeutung und Funktion von Gaben zur Besänftigung in konfliktträchtigen Situationen, bei der Etablierung von Verwandtschaftsbeziehungen im Zusammenhang von Heirat sowie von Huldigungs- und Loyalitätsgeschenken.29 Zwar können für den Bereich des alten Israel keine aus traditionalen Kulturen bekannten zeremoniellen Gabe-Phänomene wie der Potlatch oder der Kula-Ringtausch festgestellt werden, doch erschließt etwa die Einsicht in die symbolische Bedeutung des Gabentauschs als Anerkennungsgeschehen die Beziehungsdimension von Gabeprozessen auch im alten Israel.

Auch in der schwierigen Frage nach der Bedeutung des Opfers wurden kulturanthropologische Einsichten mit großem Gewinn in alttestamentliche Problemstellungen eingebracht. Chr. Eberhart30 hat einen Überblick über kulturanthropologisch inspirierte Opfertheorien gegeben, namentlich diejenigen von H. Hubert und M. Mauss, W. Burkert, J. P. Vernant, M. Godelier sowie R. Girard. Diese Autoren heben in verschiedenem Maße den Gabecharakter des Opfers oder seine Funktion der Kanalisierung und Institutionalisierung von Aggressionen hervor und schätzen insbesondere die Bedeutung der Tötung divergent ein. Eberhart selbst mahnt die Unterscheidung zwischen vom Heiligtum wegführenden Eliminationsriten wie dem Sündenbockritual und zum Heiligtum hinführenden Opfern an und macht den reduktiven Charakter auf Tötung fixierter Opfertheorien an vegetabilischen Opfergaben deutlich, um seinerseits den Aspekt der durch symbolische Gaben unterstützten Kommunikation zwischen Mensch und Gott herauszustellen.31 Ein erheblicher Gewinn der Rezeption der kulturanthropologischen Opferdiskussion in den Bibelwissenschaften ist schon darin zu sehen, dass vorgeprägte theologische Opfer-konzepte, die allzu schnell Sühneaspekte attestieren oder gewaltsame Tötung für konstitutiv halten, konfrontiert werden mit einer er­weiterten und auch genaueren Wahrnehmung des Phänomenbestandes.

Als ähnlich fruchtbar erwiesen sich bereits die kulturanthropologischen Forschungen von M. Douglas für die alttestamentlichen Reinheitsvorstellungen32 sowie ritualtheoretische Einsichten für die jüngere Diskussion zu Festen im alten Israel33. Bei der Rezep-tion kulturanthropologischer Einsichten wird zumeist hinreichend bedacht, dass die Generalisierung an traditionalen Gesellschaften erworbener Einsichten sowie ihre schlichte Übertragung auf das alte Israel methodisch unzulässig wären. Zugleich wird ihnen zu Recht ein hoher heuristischer Wert zugestanden. Sie gehen über vorgeprägte Deutungsmuster hinaus und erweitern das Theoriespektrum, vertiefen das Verständnis vormoderner Kulturen und stellen Forschungen zum alten Israel in eine kulturübergreifende Perspektive. Allerdings operieren viele neuere Beiträge zur Anthropologie des Alten Testaments mit einem nicht weiter erläuterten Vorverständnis von »Kultur-« bzw. »Sozialanthropologie«.

3. Ein neuer Entwurf einer Sozialanthropologie des Alten Testaments


Es besteht somit nach wie vor ein Bedarf an Präzisierung, was mit Kultur- bzw. Sozialanthropologie des Alten Testaments gemeint ist. Diesem kommt ein jüngst erschienener Beitrag von J. Dietrich nach, den man als Grundlegung einer Sozialanthropologie des Alten Testaments verstehen kann. Diese bestimmt er wie folgt: »Die Sozialanthropologie des Alten Testaments untersucht […] den alttestamentlichen Menschen als Beziehungswesen und in seinen Beziehungsgefügen.«34 Sozialanthropologie des Alten Testaments geht nach Dietrich aus von der dem Menschen des alten Israel wesentlichen Relationalität – und zwar nicht nur zum Mitmenschen, sondern zu Gott und zu den Tieren. Das Alte Testament selbst legt, so hebt Dietrich hervor, in seinen ersten Kapiteln in den beiden Schöpfungserzählungen eine solche Fokussierung auf die menschliche Beziehungshaftigkeit nahe. Davon ausgehend, überrascht es nicht mehr, warum die bereits seit H. W. Wolffs epochaler Anthropologie des Alten Testaments35 viel besprochenen Körperbegriffe »in vielen Fällen relational konnotierte Begriffe«36 sind, wie Dietrich an den Ausdrücken næpæš, pānîm, raḥamîm u. a. aufweist. Zugleich kommt die tiefe Eingebundenheit des Einzelnen primär in den familiären bzw. dörflichen Kontext und damit seine »mutuelle Sozialidentität«37 in den Blick. Diese ist bezogen auf eine kollektive Identität, die entsteht mithilfe eines kulturellen Ge­dächtnisses sowie durch »gemeinsame Einstellungen und Überzeugungen […], die die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft mit­einander teilen«38. Zu diesen gehören nach Dietrich das Streben nach Ehre und das Vermeiden von Schande; als ehrenhaft wiederum gilt insbesondere eine von Verlässlichkeit, Loyalität und Solidarität geprägte Charakterhaltung, die mit Termini wie ’æmæt/’ æmûnāh und ḥæsæd sowie mišpāṭ und ṣædæq/ṣedāqāh bezeichnet wird.

Mit J. Dietrich kann man Sozialanthropologie des Alten Testaments als auf die menschliche Sozialität fokussierte anthropologische Forschung verstehen, im Unterschied zu Konturierungen, die jene als nur eine Dimension neben anderen betrachtet, wie bei Wesensbestimmungen des Menschen als »animal rationale« o. ä. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass der Begriff »Sozialanthropologie«/»Social Anthropology« einen eigenen Wissenschaftszweig mit einer eigenen Geschichte und Wissenschaftskultur bezeichnet, der sich explizit von biologischer oder philosophischer Anthropologie abgrenzt. Ebenso treten die Besonderheiten der hier zu erörternden »Kulturanthropologie« erst vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Fachs klar hervor. 39 Im Folgenden soll also ein kurzer Blick in ihre Wissenschaftstraditionen geworfen werden, um ihren Gegenstandsbereich genauer zu beschreiben.40

III Was ist Kulturanthropologie?


Die französische Ethnologie, die lange Zeit als Teilbereich der Soziologie galt, wurde in ihren Anfängen maßgeblich geprägt von Émile Durkheim (1858–1917), dessen Werk sein Neffe Marcel Mauss (1872–1950) eigenständig fortentwickelte, sowie von Lucien Lévy-Bruhl (1857–1939) und von Arnold van Gennep (1873–1957) als Antipoden Durkheims. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie grundlegend bestimmt vom Strukturalismus des von Philosophie und Linguistik beeinflussten Ethnologen Claude Lévi-Strauss (1908–2009), der den Kulturvergleich als Vergleich von Strukturen entwickelte. Sein Einfluss wurde von dem des Poststrukturalismus abgelöst, der seit den 1970er Jahren die kulturwissenschaftliche Debatte bestimmte und u. a. mit den Namen Michel Foucault (1926–1984) und Jacques Derrida (1930–2004) verbunden ist. Die britische Social Anthropology hingegen wurde besonders von 1920 bis 1970 vom Durkheim und Mauss rezipierenden, aber von naturwissenschaftlichen Modellen beeinflussten Funktionalismus dominiert. Diese Forschungsrichtung wurde im Unterschied zu Alfred Radcliffe-Browns (1881–1955) »Strukturfunktionalismus« vor al­lem von Bronislaw Malinowski (1884–1942) entwickelt, der die Methode der »teilnehmenden Beobachtung« einführte und die zentrale Stellung der Feldforschung etablierte. Als »Vater« der US-amerikanischen »Kulturanthropologie« gilt der emigrierte deutsche Jude Franz Boas (1858–1942), der um 1900 auch den Begriff »Cultural Anthropology« wählte, um sein Fach von der physischen bzw. biologischen Anthropologie abzugrenzen, und der mit seinem kulturrelativistischen Ansatz eines »Historischen Partikularismus« die Einzigartigkeit jeder Kultur betonte, die nur aus sich selbst heraus zu verstehen sei. Sein Ansatz bestimmte die US-amerikanische Forschung seit der ersten Hälfte des 20. Jh.s, hinterließ aber auch die dauerhafte Schwierigkeit, adäquate Perspektiven und Beurteilungskriterien für Kulturvergleiche zu finden.

Während in Deutschland die Volkskunde, die sich der Erforschung der eigenen Kultur widmet und mittlerweile meist als »Europäische Ethnologie« geführt wird, und die Völkerkunde, die sich der Erforschung anderer Kulturen widmet, einen verwandten Forschungsbereich abdeckten, wurde als Anthropologie vor allem von 1933–1945 das Verhältnis von »Rasse« und Kultur aufgefasst. Viele deutsche Ethnologen, darunter Norbert Elias (1897–1990), Karl Wittvogel (1896–1988), Julius Lips (1895–1950) und Karl Polanyi (1866–1964) mussten seinerzeit emigrieren, Maurice Halbwachs (1877–1945) starb im KZ Buchenwald. Doch auch die Volks- sowie die Völkerkunde der Nachkriegszeit verschlossen sich noch bis in die 1970er Jahre der internationalen Diskussion.

Auch wenn die nationalen Schulen in den letzten Dekaden zunehmend an Einfluss verloren haben, verweisen die Bezeichnungen Kulturanthropologie, Sozialanthropologie oder Ethnologie auf ihre Herkunft aus verschiedenen Wissenschaftstraditionen und auf unterschiedliche Zielsetzungen. Dass sich der Blick der Ethnologie in jüngerer Zeit vermehrt auf moderne Kulturen richtet,41 führt sie in konventionell von der Soziologie beanspruchte Gebiete, was eine erneute Grenzabschreitung beider Fächer nahelegt.42 Der Begriff der »Ethnologie« nimmt sich aber zunächst beschei-dener aus und verzichtet auf eine explizit anthropologische Programmatik, wie sie im anglophonen Bereich mitgegeben ist. Zwar könnte man die Sozialanthropologie als britische Variante der amerikanischen Kulturanthropologie auffassen, doch nach dem Ver­ständnis der amerikanischen Cultural Anthropology nimmt diese den Gegenstandsbereich der Social Anthropology in sich auf und geht über ihn hinaus. Entsprechend plädieren manche neuere Entwürfe für die Kulturanthropologie als eine Soziologie und Ethnologie integrierende Wissenschaft,43 auch wenn diese lange Zeit nahezu ausnahmslos als Erforschung fremder Völker und Kulturen betrieben wurde.

Dass der Begriff der Kultur den der Sozialität umfassen kann, leuchtet ein, insofern er über diesen hinaus die Veränderung der »Natur«, sei es der Um- und Mitwelt des Menschen, sei es der menschlichen physis selbst, umgreift und auch, aber nicht nur, die soziale Dimension symbolischer Sinnrepräsentation in den Blick nimmt. Menschliche Sozialität, bis hin zur Bildung von Institutionen, Organisation und Staaten, wird durch verbales und nonverbales, dabei vielfach medial vermitteltes kommunikatives Handeln konstituiert. Doch nicht nur soziales und politisches, sondern auch technisches, ökonomisches, rituelles und darstellendes Handeln verweist auf implizite menschliche Selbst- und Weltdeutungen. Es basiert für gewöhnlich auf vorgeprägten Subtexten (implizitem Wissen, einem »belief system«, Weltanschauungen o. Ä.), die ihrerseits decodiert und verstanden werden können. Im Sinne der These von Bedeutung als Gebrauch, wie auch C. Geertz sie zugrunde legt, ist hiermit nicht nur die kognitive Entschlüsselung kultureller Codes gemeint, sondern die Befähigung zu einer erfolgreichen Teilnahme an einer Kultur, an ihren Praktiken und Sprachspielen. 44 Zwar provozieren symbolische Vollzüge immer wieder Deutungen, sie können in ihnen aber nie aufgehen; ihre Performativität bleibt deshalb inkommensurabel. Semiotische und performative Kulturbegriffe, wie sie seit Geertz in der Kulturanthropologie und darüber hinaus dominieren, nehmen den Menschen zugleich als animal sociale und als animal symbolicum in den Blick. Auf diese Weise ist auch der Gegenstandsbereich einer Kulturanthropologie des Alten Testaments zu bestimmen.

Allerdings sind es wiederum die Weite des Begriffs der Kultur, seine unbestimmten Ränder und seine fehlende Prägnanz, die seine sinnvolle Handhabe und sein diagnostisches Potential erheblich einschränken.45 So stand die klassische Definition des Kulturanthropologen E. B. Tylor: »Culture […] is that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law custom, and many other capabilities and habits acquired by man as a member of society«46 seit 1871 in der Kulturanthropologie für lange Zeit in Geltung, bis zu C. Kluckhohns und A. L. Kroebers Arbeit,47 die mehr als 160 Kultur-Begriffe referierten und damit produktive Irritationen für die weitere Diskussion auslösten. Insbesondere in den Sozialwissenschaften greift die Beobachtung um sich, der Begriff der Kultur habe die schwächste analytische Entwicklung von allen soziologischen Schlüsselbegriffen genommen.48 Da Menschen nicht ohne »symbolisierende« Darstellung ihrer selbst, ihrer Mitwelt und ihrer Umwelt zusammenleben können,49 kann auch der Begriff der Kulturanthropologie als redundant erscheinen, wenn man die implizite Abgrenzung gegenüber biologischer bzw. physischer und philosophischer Anthropologie nicht mitdenkt. Entsprechend kritisch wurde der Kulturbegriff zuletzt auch auf Seiten der Theologie auf seine Erschließungskraft hin befragt, insbesondere da, wo er nicht mehr von Gegen- und Relationsbegriffen (Kultur und Natur; Kultur und Zivilisation; Kultur und andere Gesellschaftssysteme, »eigene« und »fremde« Kultur) begrenzt, sondern nach deren Dekonstruktion als umgreifender Horizontbegriff gehandelt wird. 50

Nun steht der weite Begriff der Kultur einer kritischen Beurteilung aller Bereiche menschlichen, i. e. kulturellen Lebens durchaus nicht entgegen. Gerade dieser weite Begriff in der Wortverbindung Kultur-Anthropologie eignet sich aus forschungspragmatischen Gründen besonders für das Interesse, ein möglichst reichhaltiges Bild der Lebenswelt des alten Israel, der Wechselbeziehungen mit der »natürlichen« Umwelt und der Symbolisierung der Sozialbeziehungen entstehen zu lassen, um seine Vorstellungswelt näher zu beschreiben und eingehender zu verstehen.

IV Perspektiven einer kulturanthropologisch inspirierten alttestamentlichen Forschung


Welche Einsichten der Kulturanthropologie sind für die zukünftige alttestamentliche Forschung von Bedeutung? Zunächst kann sie von methodischen Diskussionen der neueren Kulturanthropologie profitieren. Diese ist gekennzeichnet durch eine gesteigerte Aufmerksamkeit für die hermeneutische Problematik des Faches,51 die C. Geertz grundlegend umrissen hat: »[E]thnologische Schriften sind selbst Interpretationen, und obendrein solche zweiter und dritter Ordnung. (Nur ein ›Eingeborener‹ liefert Informationen erster Ordnung – es ist seine Kultur.)«52 Entsprechend sind kulturanthropologisch inspirierte Studien zum alten Israel und ihre Theoriebildungen als Interpretationen zweiter Ordnung zu verstehen. Sie sind immer wieder an den Selbstauslegungen Israels, als Interpretationen erster Ordnung, zu bemessen.

Die wesentlich empirischen, besonders auf Feldforschung ausgerichteten Methoden der Kulturanthropologie, deren Selbstverständnis von strikter Ablehnung der »arm chair anthropology« des 19. Jh.s geprägt ist, liegen dabei auf den ersten Blick quer zur Erforschung historischer Kulturen. Anstelle der teilnehmenden Beobachtung, in der Kulturanthropologinnen und -anthropologen ihre eigene Person als Forschungsinstrument aufbieten,53 kann ein historischer Zugriff lediglich alle zur Verfügung stehenden Quellen in eine Art dichter Beschreibung einbeziehen.54 Dass sich auch die Geschichtswissenschaften zunehmend Fragestellungen der Historischen Anthropologie55, Mentalitäts-56 und Alltagsgeschichte57 zu eigen machen, arbeitet einer Verbindung historischer und kulturanthropologischer Forschung aber durchaus zu.58 Nachdem die alttestamentlichen Texte lange Zeit nahezu die einzigen herangezogenen Quellen waren, wird archäologischen bzw. ikonographischen Quellen in den letzten Jahren ein viel höherer Rang zugestanden – mit großem Gewinn. Nach wie vor sind schriftliche Überlieferungen der expliziteste Zugang zu menschlichen Selbst- und Weltdeutungen. Allerdings stellen sie keine unmittelbaren Quellen für Personkonzepte, Menschenbilder oder Mentalitäten der Menschen des alten Israel dar, sondern folgen als religiöse Literatur eigenen Gesetzen und verfolgen ihre eigene Pragmatik. Sie entstammen dem Milieu schreibkundiger, vorwiegend gelehrter Kreise und sind, als im Kanon versammelte Schriften, eine besondere Auswahl aus einem größeren Fundus von Texten jener Zeit. Daher geben sie nur spezifische Perspektiven auf damalige Menschenbilder, Denkformen und kulturelle Praktiken frei, nämlich die des alttestamentlichen Kanons. Insofern aber ist eine »Kulturanthropologie des Alten Testaments« methodisch immerhin leichter zugänglich als eine »Kulturanthropologie des alten Israel«.

Kulturanthropologische Ansätze versuchen, fremde Kulturen in ihrer Andersheit und, soweit als möglich, »aus sich selbst heraus« zu verstehen, ohne zugleich in die Falle der »postmodernen Generalabsage an interkulturelles Verstehen«59 zu geraten. Sie gehen dabei gerade nicht von einem »kulturanthropologische[n] Axiom kultureller Alterität«60 aus. Vielmehr reflektiert die neuere Kulturanthropologie besonders den konstruktiven Anteil der eigenen »eurozentrischen« Wahrnehmung an der Beschreibung der Fremden als Fremder. Sie macht bewusst, dass »eigene« Bewertungsmaßstäbe erst in der Begegnung mit Fremdem zutagetreten und inwiefern die Anwesenheit der Ethnographinnen und Ethnographen die Selbst-Repräsentation der »Erforschten« beeinflusst. Be­obachtet wird, wie in der Begegnung mit Fremden diese oft als »Gegenentwurf zum – oft impliziten – Selbstbild aufgefasst wird. Dieser Prozess blendet »die Gemeinsamkeiten mit dem Fremden aus und macht somit den Fremden fremder als er ist (Veranderung, othering61. Paradigmatisch wird dies in der von Edward Said ausgelösten »Orientalismus«-Debatte diskutiert, die als ein Ausgangspunkt der Postcolonial Studies gilt.

Auch für neuere alttestamentliche Forschungen ist die hermeneutische Aufmerksamkeit auf die Gefahr zu weit gehender »Veranderung« ernst zu nehmen. Als Beispiel sei ein vielbeachteter Aufsatz R. Di Vitos angeführt, in dem er das Personkonzept des Menschen im alten Israel im Gegensatz zum modernen folgendermaßen beschreibt: »Das Subjekt ist (1) zutiefst eingebettet in seine soziale Identität bzw. eng damit verbunden. Es ist (2) vergleichsweise dezentriert und undefiniert im Blick auf die Grenzen seiner Person. Es ist (3) relativ transparent ins gesellschaftliche Leben eingebunden und darin verkörpert (mit anderen Worten: Es ermangelt all dessen, was mit ›inneren Tiefen‹ bezeichnet ist). Und schließlich ist es (4) ›authentisch‹ gerade in seiner Heteronomie, in seinem Gehorsam anderen gegenüber und in seiner Abhängigkeit von anderen.« 62 Dass sich Personkonzepte antiker von denen moderner Kulturen deutlich unterscheiden, dürfte nun nicht überraschen. Weiter führen hier deshalb Forschungen zu der Frage, wie sich bereits vor der Spätantike personale Identität äußert und wo »innere Tiefen« reflektiert werden und wie sich das alte Israel hierin im Verhältnis zu seinen Nachbarkulturen darstellt.63 Im Blick auf die von Di Vito attestierte grundsätzliche Heteronomie »des« Menschen im alten Israel ist in den Erzählungen des alttestamentlichen Kanons zu beachten, in welch hohem Maße sie Menschen als Einzelne in den Blick nehmen, die von der ganzen Menschheit abweichend handeln (Gen 6,5–9,17), von ihrer Verwandtschaft und Familie fortziehen (Gen 12,1–4 usw.). Auch wenn diese Einzelnen weniger als Individuen denn als Typen gezeichnet werden, nehmen die Tradenten alttestamentlicher Schriften das Verhalten Einzelner, die aus der ihrem Alter (Gen 15,1–5; 17,1–27; 18,1–16; 21,1–7), ihrem Geschlecht (Gen 38,1–30 u. v. m.) oder ihrem sozialen Status (2 Sam 6,14–23; 19,1–19) geziemenden Rolle fallen und ihr gegenüber in Eigenverantwortung handeln, mit überraschender Häufigkeit und anerkennend in den Blick. Die nahezu antikonformistische Tendenz vieler alttestamentlicher Erzählungen, die verantwortliches Handeln Einzelner coram deo wertschätzend herausstellen, steht zur Diagnose Di Vitos einer prinzipiellen Heteronomie im Kontrast und wirft zum einen die Frage auf, inwiefern alttestamentliche Schriften auf die Selbstwahrnehmung von Menschen als verantwortliche Einzelne coram deo und in der Folge auf das Individualitätsbewusstsein Einfluss genommen haben. Zum anderen stellt sich die Frage, zu welchen Anteilen Di Vitos Entwurf auf das Konto einer zu weit gehenden »Veranderung« geht. So hat Chr. Frevel jüngst aufgezeigt, dass Di Vito einer Interpretationslinie folgt, die seit H. W. Robinsons These einer hebräischen »corporate personality« in der alttestamentlichen Wissenschaft verbreitet ist und »die antiken Gesellschaften der südlichen Levante aus ›primitiven Gesellschaften‹ herleitet und daher als ›entwicklungsverzögert‹« begreift. 64 In diesem Sinne gehören nicht nur die Menschenbilder der untersuchten Kultur, sondern auch die Menschenbilder der anthropologischen Forschung65 zum Untersuchungs-gegenstand einer kritischen Kulturanthropologie des Alten Tes­taments.

Während die Frage nach dem Personkonzept in der alttestament­lichen Wissenschaft derzeit viel diskutiert wird, spielt sie in genuin kulturanthropologischen Forschungen keine nennenswerte Rolle. Viele klassische Bereiche der Kulturanthropologie wurden bereits erschlossen, sind aber noch längst nicht erschöpfend er­forscht, darunter die Körpersymbolik, Emotionen, Arbeit, Lebenszyklus, Raum und Zeit. Andere Bereiche sind in ihrer anthropologischen Bedeutung noch vermehrt zu berücksichtigen, darunter Ausdrucksformen (Ritual, Bild, Schrift, Kunst/-handwerk, Musik) sowie Heirat und Verwandtschaft, Ethnizität und Identität. Bei allem Interesse an symbolischen Praktiken dürfen e lementare Fragen wie die nach materieller Versorgung, sozialer Differenzierung, wirtschaftlicher und politischer Organisation nicht ausgeklammert werden. Vor allem Krieg, Migration, Exilierung, Traumatisierung66 sowie der Umgang mit Fremden und Fremdsein müssen besonders im Blick behalten werden, wenn man die Lebenswirklichkeit der Menschen im alten Israel nicht grundsätzlich verfehlen oder gar romantisieren will. Schließlich gilt es, die Erforschung der Kategorie Geschlecht bzw. Gender nicht weiterhin als ein feministisch-theologisches Sonderinteresse und als lediglich von Frauen zu betreibenden Forschungszweig aufzufassen, sondern als grundlegende anthropologische Fragestellung, die in größerer Breite und auch von Männern aufzugreifen ist.

Beim Gespräch mit kulturanthropologischer Forschung kann es gewiss nicht darum gehen, aus hochschulpolitischen Motiven auf Schritt und Tritt interdisziplinäre Anschlussfähigkeit unter Beweis stellen zu wollen oder diese gar im vorauseilenden Gehorsam als Kernaufgabe der Theologie hinzustellen. Die Aufgabe eines genuin theologischen Beitrags der Bibelwissenschaften bzw. der gesamten Theologie im universitären Fächerkanon kann nicht von der wissenschaftspolitischen Situation oder vom sinkenden oder vielleicht auch wieder steigenden Interesse spätmoderner Gesellschaften an theologischen Fragen abhängig gemacht werden. Wenn alttestamentliche Anthropologie den Menschen als kulturelles Wesen in allen Facetten wahrzunehmen und ein gesättigtes Bild des Menschen im alten Israel zu zeichnen versucht, trägt dies schlicht der Gegebenheit Rechnung, dass die alttestamentlichen Überlieferungen in einem kulturellen Universum entstanden sind und auf dieses verweisen.

Das große Interesse an kulturanthropologischen Zugängen zum alten Israel in einigen Teilen der alttestamentlichen Forschung verdankt sich gewiss auch dem nachvollziehbaren Bedürfnis, über die seit dem 19. Jh. dominierende Ausrichtung auf die Li­teraturgeschichte hinauszugelangen und ein reichhaltigeres Bild der Kultur und Religion des alten Israel zu erlangen. Anthropologische Einsichten, die im intensiven, unmittelbaren Kontakt mit nicht-modernen, außereuropäischen Kulturen gewonnen wurden, erweitern das Vorstellungsvermögen, welche Praktiken und Vorstellungen in solchen Kulturen leitend sein können. Entsprechend der in den biblischen Schriften durchgehaltenen Überzeugung, dass Menschen unter Gottes Urteil und in seinem Erbarmen stehen, übt eine kulturanthropologische Einsichten integrierende Forschung an der Pluralität und Fremdheit biblischer Menschenbilder auch die theologische Einsicht ein, dass Menschen nicht kulturell bedingten Normen entsprechen müssen, um in einer intakten Gottesbeziehung leben zu können.

Abstract


In German language Old Testament studies of recent years, anthropology has been rediscovered as a central field of research, and completely anew both with respect to its scope and its integrative potential. This article considers the potential benefits and range of inclusion of specifically cultural anthropological insights, themes, and methods in Old Testament research. It first looks at more recent Old Testament scholarship that understands itself as cul-tural anthropological. Since up to now the field of Old Testament studies has operated with only an implicit preconception of the field of cultural anthropology, this article will more closely determine the history and purview of cultural anthropology in order to highlight perspectives whose insights and methods will prove profitable for Old Testament studies.

Fussnoten:

1) Vgl. P. Burke, Was ist Kulturgeschichte? Bonn 2005, 47 ff.
2) J. Tanner, Historische Anthropologie zur Einführung, Hamburg 2004, 18 f.
3) Vgl. etwa den Ansatz von E. Bohlken/Chr. Thies (Hrsg.), Handbuch Anthropologie. Der Mensch zwischen Natur, Kultur und Technik, Stuttgart u. a. 2009, und G. Hartung, Philosophische Anthropologie, Stuttgart 2008.
4) Vgl. etwa W. Schoberth, Einführung in die theologische Anthropologie, Darmstadt 2006, 9–35.
5) S. Schroer/Th. Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 22005 [2000].
6) B. Janowski, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen, Neukirchen-Vluyn 42013 [2003].
7) B. Janowski/K. Liess (Hrsg.), Der Mensch im alten Israel. Neue Forschungen zur alttestamentlichen Anthropologie und ihren altorientalischen Kontexten (HBS 59), Freiburg 2009; A. Wagner (Hrsg.), Anthropologische Aufbrüche. Alttes-tamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur historischen Anthropologie (FRLANT 232), Göttingen 2009; Chr. Frevel (Hrsg.), Biblische Anthropologie. Neue Einsichten aus dem Alten Testament (QD 237), Freiburg u. a. 2010; M. Dietrich u. a. (Hrsg.), Religion und Menschenbild (MARG 20), Münster 2010; B. Janowski (Hrsg.), Der ganze Mensch. Zur Anthropologie der Antike und ihrer europäischen Nachgeschichte, Berlin 2012; A. Berlejung/J. Dietrich/J. F. Quack (Hrsg.), Menschenbilder und Körperkonzepte im Alten Testament, in Ägypten und dem Alten Orient, Tübingen 2012; J. van Oorschot/M. Iff (Hrsg.), Der Mensch als Thema theologischer Anthropologie. Beiträge in interdisziplinärer Perspektive, Neukirchen-Vluyn 2010; M. Hilgert/M. Wink (Hrsg.), Menschenbilder. Darstellungen des Humanen in der Wissenschaft (Heidelberger Jahrbücher 54), Heidelberg u. a. 2010; S. Schroer/Th. Staubli, Menschenbilder der Bibel, Ostfildern u. a. 2014; J. van Oorschot/A. Wagner (Hrsg.), Anthropologie(n) des Alten Testaments (VWGTh 42), Leipzig 2015.
8) B. Janowski, Anthropologie des Alten Testaments. Grundfragen – Kontexte– Themenfelder, in: ThLZ 139 (2014), 535–554.
9) Chr. Frevel, Menschenskinder!? Einige Anmerkungen zum Stand der Forschung zur alttestamentlichen Anthropologie – zugleich eine Einführung in den vorliegenden Band, in: Ders., Biblische Anthropologie (Anm. 7), 8–28: 11–17; J. van Oorschot, Zur Grundlegung alttestamentlicher Anthropologie – Orientierung und Zwischenruf, in: Ders./M. Iff (Hrsg.), Der Mensch als Thema theologischer Anthropologie. Beiträge in interdisziplinärer Perspektive, Neukirchen-Vluyn 2010, 1–41: 13–22; A. Schüle, Anthropologie des Alten Testaments, in: ThR 76 (2011), 399–414, sowie der eher programmatische Beitrag von R. Schmitt, Perspektiven einer Anthropologie des Alten Testaments, in: M. Dietrich u. a. (Hrsg.), Religion und Menschenbild (MARG 20), Münster 2010, 177–215. Vgl. ferner die Rezensionen der in Anm. 7 genannten Sammelbände, wie etwa Th. Hieke, Rezension zu: Wagner, Andreas (Hrsg.), Anthropologische Aufbrüche. Alttestamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur historischen Anthropologie in: Biblische Notizen 146 (2010), 144–146; K. Liess, Rezension zu Wagner, Andreas (Hrsg.) Anthropologische Aufbrüche. Alttestamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur historischen Anthropologie, ThLZ 138 (2013), 25–28; B. Ego, Rezension zu A. Berlejung/J. Dietrich/J. F. Quack (Hrsg.), Menschenbilder und Körperkonzepte im Alten Testament, in Ägypten und dem Alten Orient (Tübingen 2012), in: ThLZ 139 (2014), 849–852.
10) F. Hartenstein, Kulturwissenschaften und Altes Testament. Themen und Perspektiven, in: VuF 54 (2009) 31–42. Die dort verhandelten Themenkreise »Körpervorstellungen als leiblich-soziale Symbolik«, »visuelle Repräsentation« und »biblisches Weltbild« werden hier nicht erneut eingehend behandelt.
11) J. Pedersen, Israel: Its Life and Culture, 4 Bde., London 1926/1940 (dänisch 1920/1934).
12) J. W. Rogerson, Anthropology and the Old Testament (Growing points in theology), Oxford 1978. Sein Entwurf ist »kulturanthropologisch«, insofern er nicht nur nicht nach »Wesen und Bestimmung« des Menschen fragt, auch nicht nach kulturell verschiedenen Menschenbildern, sondern »a study of man’s social organization, customs, folklore, and beliefs, together with theoretical generalizations or assumptions about these things« (ebd. 8 f.) anstrebt.
13) Th. W. Overholt, Cultural anthropology and the Old Testament, Minneapolis 1996.
14) A. Berlejung/J. Dietrich/J. F. Quack, Vorwort, in: Dies., Menschenbilder (s. Anm. 7), V ff.
15) M. Mead, Interpretive Statement, in: Dies., Cooperation and Competition among Primitive Peoples, New York 1937 (Nachdr. 2006), 493–505; R. Benedict, Chrysantheme und Schwert. Formen der japanischen Kultur, Frankfurt a. M. 2006 (engl. Orig. 1946).
16) E. R. Dodds, Die Griechen und das Irrationale, Darmstadt 1970 (engl. Orig. 1951).
17) J. G. Peristiany/J. Pitt-Rivers (Hrsg.), Honour and Shame. The Values of Mediterranean Society, Chicago 1974; dies (Hrsg.), Honor and Grace in Anthropology, Cambridge 1992.
18) B. J. Malina, Die Welt des Neuen Testaments. Kulturanthropologische Einsichten, Stuttgart u. a. 1993 (engl. Orig.: The New Testament World 1983).
19) Die alttestamentlichen Beiträge stammen vorwiegend aus dem englischsprachigen Bereich, darunter an erster Stelle die Beiträge des Themenheftes Honor and Shame, Semeia 68 (1994). Für weitere Literatur s. A. Grund, Art. Scham/Schande, Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet/AT, letzte Änderung Februar 2015, permanenter Link: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/26305/.
20) Vgl. etwa J. Plevnik, Art. Honor/Shame, in: J. J. Pilch/B. J. Malina (Hrsg.), Handbook of Biblical Social Values, Peabody/MA 21998, 106–115: 106 u. a.
21) Vgl. C. Giordano, Der Ehrkomplex im Mittelmeerraum: sozialanthropologische Konstruktion oder Grundstruktur mediterraner Lebensformen? in: L. Vogt/A. Zingerle (Hrsg.), Ehre. Archaische Momente in der Moderne, Frankfurt a. M. 1994, 172–192: 176 ff.; M. Herzfeld, Honour and Shame: Problems in the Comparative Analysis of Moral Systems, Man.NS 15/2 (1980), 339–351; Th. Hauschild, Ritual und Gewalt: Ethnologische Studien an europäischen und mediterranen Gesellschaften, Frankfurt a. M. 2008, 185–204.
22) J. Dietrich, Über Ehre und Ehrgefühl im Alten Testament, in: Janowski/Liess, Mensch (Anm. 7), 419–452: 420 mit Anm. 4; A. Grund, »Und sie schämten sich nicht …« (Gen 2,25). Zur alttestamentlichen Anthropologie der Scham im Spiegel von Gen 2–3, in: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? (Ps 8,5), FS B. Janowski, hrsg. v. M. Bauks/K. Liess/P. Riede, Neukirchen-Vluyn 2008, 114–122: 115 f.; dies., »Schmähungen der dich Schmähenden sind auf mich gefallen«. Kulturanthropologische und sozialpsychologische Aspekte von Ehre und Scham in Ps 69, in: EvTh 71 (2012), 174–193: 176–179; K. Nojima, Ehre und Schande in Kulturanthropologie und biblischer Theologie, Wuppertal/Wien 2011, 141–144 u. passim.
23) Dietrich, Ehre (Anm. 22), 421 f.
24) M. Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1968 [frz.: Essai sur le don, 1925], 17.
25) V. Hoffmann (Hrsg.), Die Gabe. Ein »Urwort« der Theologie, Frankfurt a. M. 2009; dies., Skizzen zu einer Theologie der Gabe. Rechtfertigung – Opfer – Eucharistie – Gottes- und Nächstenliebe, Freiburg 2013; Arbeitsgemeinschaft Religionsphilosophie Dresden e. V. (Hrsg.), Journal für Religionsphilosophie, Nr. 2 (2013); B. Hamm/B. Janowski, Geben und Nehmen (JBTh 27), Neukirchen-Vluyn 2013; A. Grund (Hrsg.), Opfer, Geschenke, Almosen. »Die Gabe« in Religion und Gesellschaft, Stuttgart 2015.
26) A. K. Gudme, Barter Deal or Friend-Making Gift? A Reconsideration of the Conditional Vow in the Hebrew Bible, in: M. L. Satlow, The Gift in Antiquity, Malden 2013, 189–201.
27) M. Herman, Tithe as Gift. The Institution in the Pentateuch and in Light of Mauss’s Prestation Theory, San Francisco 1991; R. Kessler, Art. Zehnter, Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet/AT, letzte Änderung März 2009, permanenter link: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/35262/.
28) G. Stansell, The Gift in Ancient Israel, Semeia 87 (1999), 65–90.
29) A. Grund, Homo donans. Kulturanthropologische und exegetische Erkundungen zur Gabe im alten Israel, in: Berlejung/Dietrich/Quack, Menschenbilder (Anm. 3), 97–123.
30) Chr. Eberhart, Opfer und Kult in kulturanthropologischer Perspektive, VuF 56 (2011), 6–16.
31) Zur gabetheoretischen Erschließung des Opfers s. auch Chr. Eberhart, Das Opfer als Gabe. Perspektiven des Alten Testaments, in: B. Hamm/B. Janowski (Hrsg.), Geben und Nehmen (JBTh 27), Neukirchen-Vluyn 2013, 93–120; B. Janowski, »Womit soll ich JHWH entgegentreten?« (Mi 6,6). Gabetheologische Aspekte der alttestamentlichen Kultkritik in: A. Grund (Hrsg.), Opfer, Geschenke, Almosen. »Die Gabe« in Religion und Gesellschaft, Stuttgart 2015, 22–46.
32) Der »Klassiker« von M. Douglas, Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zur Vorstellung von Verunreinigung und Gefahr, Frankfurt a. M. 1988 (engl. Orig.: Purity and Danger, 1966) wurde in den Bibelwissenschaften mit großem Gewinn, wenn auch nicht ohne Kritik, rezipiert, vgl. dazu jüngst C. Frevel/C. Nihan (Hrsg.), Purity and the Forming of Religious Traditions in the Ancient Mediterranean World and Ancient Judaism (Dynamics in the History of Religions 3), Leiden 2013, insbesondere: Dies., Introduction, a. a. O., 1–46.
33) S. hierzu etwa die alttestamentlichen Beiträge in: M. Ebner (Hrsg.), Das Fest. Jenseits des Alltags, JBTh 18, Neukirchen-Vluyn 2004, sowie E. Blum/R. Lux (Hrsg.), Festtraditionen in Israel und im Alten Orient (VWGTh 28), Gütersloh 2006.
34) J. Dietrich, Sozialanthropologie des Alten Testaments. Grundfragen zur Relationalität und Sozialität des Menschen im alten Israel, ZAW 127 (2015), 224–243: 225.
35) H. W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, Gütersloh 82010 [1973].
36) A. a. O., 226.
37) Vgl. a. a. O., 229.
38) A. a. O., 234.
39) S. hierzu I.-M. Greverus, Kultur und Alltagswelt. Einführung in Fragen der Kulturanthropologie, Frankfurt a. M. 21987; M. Harris, Kulturanthropologie. Ein Lehrbuch, Frankfurt a. M. u. a. 1989; W. Kaschuba, Einführung in die Europäische Ethnologie, München 2003; D. Haller, dtv-Atlas Ethnologie, München 2005; R. Girtler, Kulturanthropologie. Eine Einführung, Münster 2006.
40) Zu den Anfängen »kulturanthropologischer« Interessen und zur Geschichte der Kulturanthropologie seit dem 17. Jh. s. etwa Girtler, Kulturanthropologie (Anm. 39), 15–53; Harris, Kulturanthropologie (Anm. 39), 436–451.
41) Vgl. etwa Harris, Kulturanthropologie (Anm. 39), 396–435.
42) Vgl. Girtler, Kulturanthropologie (Anm. 39), 48–53.
43) Girtler, Kulturanthropologie (Anm. 39), passim; Harris, Kulturanthropologie (Anm. 39), 15–31.
44) Eine Kultur zu beschreiben heißt nach Geertz: »ein System von Regeln aufzustellen, das es jedem, der diesem ethnographischen Algorithmus gehorcht, möglich macht so zu funktionieren, daß man (von der physischen Erscheinung einmal abgesehen) als Eingeborener gelten kann«; C. Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. 1987, 17 (Original: Thick Description. Toward an Interpretive Theory of Culture, in: The Interpretation of Culture, Selected Essays, New York 1973).
45) Vgl. etwa T. Eagleton, Was ist Kultur, München 2001, 48; Luhmann, Gesellschaft und Semantik, Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaften, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1995, 31–54. Luhmann möchte Kultur daher als Perspektive für die Beobachtung von Beobachtern verstehen, ihn also aus dem Operationsbereich der Beobachtung erster Ordnung in den zweiter Ordnung verlagern.
46) E. B. Tylor, Primitive Culture, 1871, 1 (Kultur ist jenes komplexe Ganze, das Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die sich der Mensch als Mitglied der Gesellschaft erworben hat).
47) A. L. Kroeber/C. Kluckhohn, Culture. A Critical Review of Concepts and Definitions, New York 1963.
48) M. S. Archer, Culture and Agency, Cambridge 1988, 1: »the weakest analytical development of any key concept in sociology«. Luhmann befindet Kultur gar als »einen der schlimmsten Begriffe, die je gebildet worden sind« (N. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1995, 398), weil er der Erfassung der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften im Wege stehe.
49) Vgl. Geertz’ bekannte Definition des Menschen als »Wesen[…], das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist; die Kultur ist eben dieses Gewebe«; Geertz, Dichte Beschreibung (Anm. 44), 9, oder Cassirers Verständnis des Menschen als »animal symbolicum«.
50) H. Assel/F. Hartenstein/K. Raschzok, Zu diesem Heft, VuF 54 (2009), 2–5: 3.
51) In der neueren Kulturanthropologie steht nicht mehr nur das Fremde im Zentrum, sondern vielmehr »das wechselseitige Beziehungsgeschehen zwischen dem Eigenen und dem Fremden«; Haller, Ethnologie (Anm. 39), 15.
52) Geertz, Dichte Beschreibung (Anm. 44), 22 f.
53) V. Gottowik, Ethnologie, in: Bohlken/Thies, Handbuch Anthropologie (Anm. 3), 124–129: 126.
54) Vgl. hierzu den Zugang von L. Schwienhorst-Schönberger, Zwischen Agonie und Glück. Kulturanthropologische Impulse und alttestamentliche Anthropologie am Beispiel Kohelets, in: Frevel, Anthropologie (Anm. 7), 164–189.
55) Vgl. dazu etwa G. Dressel, Historische Anthropologie. Eine Einführung, Wien 1996; Chr. Wulf (Hrsg.), Vom Menschen: Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim/Basel 1997; R. van Dülmen, Historische Anthropologie. Entwicklung, Probleme, Aufgaben, Köln u. a. 22001; W. Reinhard, Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie, München 2004; A. Winterling (Hrsg.), Historische Anthropologie, Stuttgart 2006; J. Tanner, Historische Anthropologie zur Einführung, Hamburg 22008.
56) U. Daniel, Die »Annales«, Mentalitätengeschichte, in: Dies. (Hrsg.), Kompendium Kulturgeschichte, Frankfurt a. M. 52006 [2001], 221–232; H. Spode, Was ist Mentalitätsgeschichte? in: H. Hahn (Hrsg.), Kulturunterschiede. Interdisziplinäre Konzepte zu kollektiven Identitäten und Mentalitäten, Frankfurt a. M. 1999, 9–61.
57) U. Daniel, Alltagsgeschichte, Historische Anthropologie, in: Dies., Kompendium Kulturgeschichte (Anm. 56), 298–313; A. Lüdtke, Alltagsgeschichte, Frankfurt/New York 1989, Neuausgabe 2002.
58) Vgl. etwa bereits W. Frühwald/H. R. Jauss/R. Koselleck, Geisteswissenschaften heute. Eine Denkschrift, Frankfurt a. M. 1996, 71: »Das neue Interesse an einer historischen Anthropologie ist darauf gerichtet, die Befunde einer ahistorisch begründeten Diziplin wie der deskriptiven Ethnologie zu vergeschichtlichen, wie umgekehrt die anthropologische Dimension von Sprache, Historie und Ästhetik zu erschließen«.
59) A. Hornbacher, Clifford Geertz, in: Bohlken/Thies, Handbuch Anthropologie (Anm. 3), 86–91: 90.
60) So jedoch Schwienhorst-Schönberger, Agonie und Glück (Anm. 54), 187.
61) Haller, Ethnologie (Anm. 39), 19.
62) R. Di Vito, Alttestamentliche Anthropologie und die Konstruktion personaler Identität, in: Janowski/Liess, Mensch (Anm. 7) 213–241: 217 f.
63) Vgl. etwa die Untersuchungen von J. Dietrich, Individualität im Alten Tes-tament, Alten Ägypten und Alten Orient, in: Ders./Berlejung/Quack, Menschenbilder (Anm. 7), 77–96, und J. P. Vernant, Individuum, Tod, Liebe. Das Selbst und der andere im alten Griechenland, in: B. Janowski (Hrsg.), Der ganze Mensch – Zur Anthropologie der Antike und ihrer europäischen Nachgeschichte, Berlin 2012, 155–171.
64) Chr. Frevel, Person – Identität – Selbst. Eine Problemanzeige aus alttestamentlicher Perspektive, in: van Oorschot/Wagner (Hrsg.), Anthropologie(n) (Anm. 7), 65–90.
65) Vgl. Gottowik, Ethnologie, in: Bohlken/Thies, Handbuch Anthropologie (Anm. 3), 127 f.
66) Vgl. dazu etwa A. Berlejung (Hrsg.), Disaster and Relief Management: Katastrophen und ihre Bewältigung (FAT 81), Tübingen 2012; R. Poser, Das Ezechielbuch als Trauma-Literatur (VT.S 154), Leiden u. a. 2012.