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Ausgabe:

Mai/2016

Spalte:

555

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Braune-Krickau, Tobias

Titel/Untertitel:

Religion und Anerkennung. Ein Versuch über Diakonie als Ort religiöser Erfahrung.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2015. XII, 342 S. = Praktische Theologie in Geschichte und Gegenwart, 17. Kart. EUR 49,00. ISBN 978-3-16-153996-1.

Rezensent:

Christian Grethlein

Die von Ulrike Wagner-Rau betreute Marburger Dissertation geht der Frage nach, »was nach der Säkularisierung des Helfens noch das Religiöse an der Diakonie ist«. (1) Sie wird in »drei Leitfragen« zugespitzt: »1. Was bedeutet ›Säkularisierung des Helfens‹?« (17), »2. Wie ist das Religiöse in der Diakonie zu verstehen?« und »3. Welcher Beitrag ergibt sich aus einem solchen Verständnis für andere gegenwärtige Diskurse um die Diakonie?« (18) Dementsprechend ist die Arbeit in drei Teile gegliedert. Für die Rahmentheorie, um die Säkularisierung des Helfens anzuerkennen und sie zugleich an die gelebte Religion anzuschließen, bezieht sich Tobias Braune-Krickau ausführlich auf die Theorie der Anerkennung, wie sie Axel Honneth entwickelte. Dabei zeigen sich Liebe, Recht und Wertschätzung als die grundlegenden Anerkennungsformen (s. Tabelle 83). Auf diesem Fundament entwirft der Vf. eine Theorie der Diakonie als »prägnantem Ort religiöser Erfahrung« (141 u. ö.) Bei deren theologischer Ausführung greift er auf Falk Wagners Theologie der Anerkennung, Henning Luthers Skizzen zum Leiden, Karl Rahners transzendentaltheologische Ausführungen zum Lieben, Trutz Rendtorffs Ethik sowie Wolfhart Pannenbergs Entfaltung des es­chatologischen Grundcharakters des Christentums zurück.
Nach solchen anregenden Rekursen auf Großtheorien versucht der sehr viel kürzere dritte Teil, einen »Vorschlag für ein religiöses Selbstverständnis von diakonisch Handelnden« (275) zu entwerfen. Exemplarisch und – notwendigerweise – fragmentarisch bezieht sich der Verf. dabei auf die Diskurse des diakonischen Lernens, der Ökonomisierung des Sozialen sowie der Pluralitätsfähigkeit der Diakonie. Auch hier beeindruckt die Souveränität im Umgang mit diffizilen und literarisch vielfältig ventilierten Problemen. Zu­gleich wird aber die beträchtliche Abstraktionshöhe der in den beiden Hauptteilen vorangegangenen Reflexionen deutlich. So sind die grundlegenden Begriffe »Religion« und »Diakonie« nicht praxisbezogen geklärt. Die religionswissenschaftlichen Anfragen an den Religionsbegriff bleiben ebenso wie die Vorschläge empirischer Religionssoziologie zu einer dimensionalen Erfassung unbeachtet. Auch die biblischen – und christentumsgeschichtlichen – Fundamente des Diakonie-Begriffs werden allenfalls gestreift.
So liegt insgesamt ein theoretisch sehr ambitionierter Entwurf einer Diakonie-Theorie vor, der mit dem Begriff der »Anerkennung« einen wichtigen Schwerpunkt setzt. Inwieweit und ob ein solcher Zugang zu Diakonie für die konkreten Kommunikationen des Helfens zum Leben, deren Organisation und Finanzierung Konsequenzen hat, kann man auf Grund der skizzenhaften Andeutungen im dritten Teil bestenfalls ahnen.