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Ausgabe:

Mai/2016

Spalte:

496-498

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stephan, Bernd

Titel/Untertitel:

»Ein itzlichs Werck lobt seinen Meister«. Friedrich der Weise, Bildung und Künste.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014. 398 S. = Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 24. Geb. EUR 48,00. ISBN 978-3-374-03767-4.

Rezensent:

Gury Schneider-Ludorff

Religion und Politik – Glaube und Macht: Ohne die Fürsten hätte die Reformation kaum ihre nachhaltige Durchsetzung erfahren. Daher ist es lohnenswert, die unterschiedlichen Handlungsspielräume derjenigen Fürsten in den Blick zu nehmen, die aufgrund ihres religiösen Selbstverständnisses auf ihre je spezifische Weise die Reformation gefördert haben. So ist dieser Beitrag zur Biographie Friedrichs III., des Weisen, als einem der ersten von Luthers Fürsten des ehemaligen Leipziger Kirchengeschichtsdozenten Bernd Stephan ein weiterer Stein im großen Mosaik der Reformationsgeschichte, der die wirkmächtigen Interaktionen zwischen Theologen und Laienfürsten, Theologie und kulturell-politischem Gewebe der Frühen Neuzeit am Beispiel des Kursachsen vor Augen führt.
Eine Drucklegung war seit Erstellung des Manuskripts lange Zeit nicht möglich. Als Dissertation bereits im Jahr 1979 an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig eingereicht, konnte die Arbeit zu DDR-Zeiten, in denen die Rolle Thomas Müntzers den Deutungsrahmen für eine Frühbürgerliche Revolution vorgab, schwerlich als Forschungsparadigma reüssieren. Daher ist den Herausgebern der Reihe der Leucorea-Studien wie auch dem Autor für die im Rahmen des 550. Geburtstages Friedrich des Weisen im Jahr 2013 beschlossene Drucklegung zu danken, bietet sie doch wesentliche Forschungserkenntnisse, die nicht nur für die Person Friedrich des Weisen, sondern auch für die Forschungsperspek-tiven der Reformationsgeschichte erhellend und weiterführend sind.
Die Arbeit ist in zwei große Kapitel eingeteilt: Der erste Teil befasst sich mit Persönlichkeit und Politik Friedrichs des Weisen. Hier wird zunächst die Jugend und Erziehung geschildert. In einem ausführlichen Unterkapitel versucht S. dann, die Verschränkung von Persönlichkeit und den politischen Maßnahmen – Charakteristika und Korrelationen – des Kurfürsten zu beschreiben. Dieser in den 1970er Jahren innovative psychologisierende Ansatz mutet heute etwas konstruiert an. Äußerst lesenswert ist dagegen die in einem weiteren Unterkapitel überzeugend herausgearbeitete Frömmigkeit des Kurfürsten, die ihn als einen machtbewussten, aber auch auf Gott bezogenen, ernsthaft bestrebten Landesherren konturiert, der sich für die »wahre« Religion und die »rechte« Religionsausübung seiner Untertanen verantwortlich zeigt. Dieser Erkenntnisgewinn über die Verschränkung von Politik und Religion hätte noch eindrücklicher aufgezeigt werden können, wenn die Frömmigkeit als wesentliche inhärente Triebfeder für die politischen Maßnahmen herausgestellt worden wäre. Denn in der Tat war Friedrich der Weise ein frommer Fürst, der seine Bibel kannte, theologische Fragen hatte, diese über Spalatin an Luther weitergeben ließ und den Reformator dann veranlasste, manche seiner Schriften allererst als Antworten auf die Fragen des Kurfürsten zu verfassen. So lässt sich der Schutz Luthers oder die Unterstützung der Verbreitung der Bibelübersetzung durch die persönliche Werbung des Kurfürsten an seine Freunde und Bekannten bis hin zur theologischen Ausrichtung der Universität nicht lediglich als politisches Kalkül beschreiben, sondern auch durch seine religiöse Überzeugung begründen und sinnfällig vor Augen führen.
Einem weiteren Aspekt des spezifischen Beitrages Friedrichs des Weisen zum Fortgang der Reformation geht S. im zweiten Teil der Untersuchung nach, der das Verhältnis des Kurfürsten zu Kunst und Wissenschaft in den Blick nimmt. Auf 150 Seiten wird hier in ausführlicher Weise – wobei viel wertvolles Detailwissen in den Fußnoten versteckt ist – die breite Förderung der bildenden Kunst und der Musik sowie das Verhältnis zu den Humanisten und die Wirkungen auf die Kulturpolitik Sachsens vorgestellt. Diese landesherrliche Kulturpolitik ist die Grundlage, in die das Wirken Luthers und der Wittenberger Reformatoren einzuzeichnen ist und auf deren Basis dieses Wirken nicht unerheblichen Erfolg zeitigte. Zahlreiche Maler, Bildhauer, Gießer, Baumeister, Steinmetze und Kunsthandwerker waren für den ernestinischen Kurfürsten tätig: Cranach ebenso wie Dürer, Burgkmaier aus Augsburg ebenso wie Wolgemut aus Nürnberg. Zahlreiche Musiker waren in der Instrumental- und Vokalkapelle angestellt; durch den Neubau des Wittenberger Schlosses als Residenzschloss kamen prominente Baumeister nach Wittenberg.
Neben dem Engagement auf dem Kunstsektor ist die Förderung im Wissenschaftsbereich beachtlich, im Blick auf die Humanisten, aber auch auf die Gründung der Leucorea, die zur Zeit ihrer Gründung zwar vom Kaiser, nicht aber vom Papst privilegiert worden war. Seit der Universitätsgründung hatten sich immer wieder unterschiedliche Humanisten in Wittenberg aufgehalten, mit der Universitätsreform 1518 öffnete man sich schließlich vollends für den Humanismus und Friedrich III. unterstützte alle Vorschläge seiner Theologen mit Nachdruck. Auch die Berufung Philipp Me­lanchthons geschah auf ausdrücklichen Wunsch des Landesherrn.
S. zeigt mit seiner detailreichen und anschaulichen Studie, wie bei Friedrich dem Weisen das politische Interesse an Machtfülle, Repräsentanz und der Stärkung des Territoriums verschränkt war mit einem ausgeprägten religiösen Selbstbewusstsein, das in allen Bereichen seiner Kulturpolitik nachzuweisen ist. Das Bestreben, die Wittenberger Universität in ihrem Bestand zu sichern, wie auch seine kulturpolitischen Aktivitäten auf dem Kunstsektor wa­ren ausschlaggebend für die weitere kulturelle Entwicklung Sachsens und wurden auch für die Ausbreitung der Reformation be­deutsam.