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Ausgabe:

Dezember/2015

Spalte:

1349–1350

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Marshall, David, and Lucinda Mosher [Eds.]

Titel/Untertitel:

Death, Resurrection, and Human Destiny. Christian and Muslim Perspectives. A record of the eleventh Building Bridges Seminar Convened by the Archbishop of Canterbury King’s College London and Canterbury Cathedral, April 23–25, 2012. Afterword by R. Williams.

Verlag:

Washington: Georgetown University Press 2014, XXIV, 288 S. Kart. US$ 19,50. ISBN 978-1-62616-030-9.

Rezensent:

Hanns Engelhardt

Die Building Bridges Seminare wurden von Erzbischof George Carey von Canterbury nach dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center vom 11.9.2001 initiiert (dazu und zu den ersten fünf Treffen vgl. ThLZ 133 [2008], 905; 135 [2010], 949) und haben seitdem in etwa jährlichem Abstand insgesamt 13 Mal stattgefunden. Die Materialien der letzten beiden Treffen sind noch nicht publiziert.
Der vorliegende Band dokumentiert das 11. Seminar, das in London und Canterbury stattfand und damit an den Ort des ersten Seminars zurückkehrte, das im Januar 2002 im Lambeth-Palast des Erzbischofs von Canterbury in London stattfand. In seinem Vorwort beschreibt Rowan Williams, zur Zeit der Tagung noch Erzbischof von Canterbury, Zielsetzung und Charakter dieser Treffen. Er weist auf zwei Gesichtspunkte hin: Einmal habe man bewusst auf Publizität, öffentliche Erklärungen oder Kommuniqués verzichtet und vielmehr einen Kern regelmäßiger Teilnehmer aufgebaut, die sich um einen geduldigen Dialog bemühen, »fundamentally oriented toward getting to know one another’s hearts«. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem gemeinsamen Studium der Bibel und des Korans, aber auch anderer Texte der beiden Traditionen, um vor allem die Art des Umgangs der Angehörigen der jeweils anderen Tradition mit ihren Quellen aus der Nähe kennenzulernen. Daraus folgt, dass ein großer Teil der gemeinsamen Arbeit textbezogen ist.
Wie in den vorausgegangenen Jahren bestand das Seminar aus zwei Teilen. Am ersten (öffentlichen) Tag wurden im King’s College in London drei Vortragspaare gehalten, jeweils aus christlicher und muslimischer Perspektive, über Tod, Auferstehung und das menschliche Schicksal in Bibel und Koran (Professor Nicholas Thomas Wright, St. Andrews, früher Bischof von Durham, und Professorin Mona Siddiqui, Edinburgh) sowie in der muslimischen und der christlichen Tradition (Professorin Asma Afsaruddin, Indiana University, und Geoffrey Rowell, früher Bischof von Gibraltar) und schließlich über die Vorstellung des „guten Sterbens“ in christlicher und muslimischer Sicht (Universitätskaplanin Harriet Harris, Edinburgh, und Associate Professor Sajjad Rizvi, University of Exeter). Zwei weitere Tage verbrachte man in geschlossener Runde in Canterbury. Davon war der erste Vormittag vorbereiteten Antworten auf die sechs Vorträge des vorangegangenen Tages, jeweils aus der Sicht der anderen Glaubensgemeinschaft, gewidmet; diese Antworten sind in dem Buch im unmittelbaren Anschluss an die Vorträge abgedruckt, so dass es eines Hinweises darauf bedurfte, dass die Reihenfolge des Abdrucks nicht der der Vorträge entspricht (was geschehen ist). Danach wurden in kleinen Gruppen einschlägige Texte aus der christlichen und der muslimischen Tradition erörtert: 1Kor 15, Passagen aus dem Koran, aus al-Gha­z ālīs Revival of the Religious Sciences und aus Dantes Göttlicher Komödie, je­weils eingeleitet durch einen Kurzvortrag. Eine fünfte Kleingruppe diskutierte Vorträge über Beerdigungsriten in der Kirche von England und in der muslimischen Praxis. Die erörterten Texte einschließlich der anglikanischen Beerdigungsliturgie sind abgedruckt und von kurzen einführenden Erläuterungen begleitet.
In seinem Schlusswort (»Afterword«) weist Erzbischof R. Williams darauf hin, dass es in den abrahamitischen Traditionen zwar unterschiedliche Vorstellungen von Auferstehung geben mag, dass sie indessen »share the same air of sober hopefulness with which the person of faith looks toward his or her dying«. Juden, Christen und Muslime vertrauen gleichermaßen auf die Gnade Gottes. »If we acknowledge who and what we are« – und gerade dazu seien wir angesichts des Todes aufgerufen – »if we let go of the urge to defend ourselves or prove we were right, and if we appeal only for God to be true to his own nature, we may hope for grace«.
Es folgen dann noch »Persönliche Überlegungen über den Tod«, die einzelne Seminarteilnehmer schon vor dem Treffen als Antworten auf die Fragen »Welche Ressourcen hat Ihr Glaube Ihnen nach Ihrer Erfahrung geboten, um auf den Tod anderer oder die Aussicht auf Ihren eigenen Tod zu reagieren?« angestellt haben. Abschließend gibt die Mitherausgeberin Lucinda Mosher einen Überblick über die bisherigen Seminare und Themen (Umgang mit heiliger Schrift, Bibel und Koran, Doha 2003; Propheten und Apostel, Washington 2004; Das Gemeinwohl [»Common Good«], Sarajevo 2005; Göttliche Gerechtigkeit, politische Autorität und religiöse Freiheit, Washington 2006; Menschlichkeit: Texte und Kontexte, Singapore 2007; Of­fenbarung und ihre Auslegung, Rom 2008; Wissenschaft und religiöser Glaube, Istanbul 2009; Tradition und Modernität, Washington 2010; Theologie und Gebetspraxis, Doha 2011). Sie weist auch darauf hin, dass sich unter den christlichen Teilnehmern, obwohl es sich um eine anglikanische Initiative handelt, neben Anglikanern sowohl römische Katholiken als auch Orthodoxe, Kopten, Lutheraner, Methodisten und Reformierte befanden. Die meisten muslimischen Teilnehmer waren Sunniten; es war aber stets auch mindes­tens ein Angehöriger der schiitischen Richtung beteiligt. Freilich fällt auf, dass die große Mehrzahl der muslimischen Teilnehmer in Europa oder Amerika tätig ist, zu­meist an Universitäten. Obwohl die weiblichen Teilnehmer nur eine Minderheit bildeten, wurden immerhin zwei muslimische Referate von Frauen gehalten. Dem hier vorgestellten Seminar folgte 2013 das 12. Seminar in Doha, dessen Gegenstand »Die glaubende Gemeinschaft« war; seine Dokumentierung darf man mit Interesse erwarten.
Die Beiträge der einzelnen Teilnehmer lassen erkennen, dass hinsichtlich der besprochenen Themen bei allen Unterschieden in Einzelheiten eine größere Geistesverwandtschaft zwischen Chris­tentum und Islam zu bestehen scheint, als man vielleicht erwartet hätte. Die Kenntnisse und das Verständnis der muslimischen Teilnehmer für das christliche Gedankengut erwiesen sich als be­eindruckend, lassen allerdings wohl keine Verallgemeinerung zu.