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Ausgabe:

Oktober/2015

Spalte:

1103–1104

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Adam of Saint-Victor

Titel/Untertitel:

Sequences. Introduction, Text, Transla-tion, and Notes by J. Mousseau. With a Foreword by H. Feiss.

Verlag:

Leuven: Peeters 2013. XVI, 247 S. = Dallas Medieval Texts and Translations, 18. Kart. EUR 48,00. ISBN 978-90-429-2895-4.

Rezensent:

Rainer Berndt

Seit mehreren Jahrzehnten vertieft sich die internationale Forschung zu Person und Werk des Kantors Adam der Pariser Abtei Saint-Victor. Dieses erneuerte Interesse verdankt sich im Wesentlichen den Arbeiten der amerikanischen Mediävistin und Musikwissenschaftlerin Margot E. Fassler, die seit ihrer Dissertation in den 80er Jahren des letzten Jh.s, gefolgt von ihrer maßgebenden Monographie Gothic Song. Victorine Sequences and Augustinian Reform in Twelfth Century Paris, 2011 in zweiter Auflage in Cambridge neu erschienen, einen Forschungsschwerpunkt in diesem Bereich entwickelt hat. Inzwischen sind in französischer Sprache nicht nur die Übersetzungen von Bernadette Jollès erschienen (Adam de Saint-Victor: Quatorze proses du XIIe siècle à la louange de Marie [Sous la Règle de saint Augustin 1], Turnhout 1994), sondern vor allem auch die entscheidende mittellateinische Studie und Übersetzung von Jean Grosfillier: Les séquences d’Adam de Saint-Victor (Bibliotheca Victorina 20), Turnhout 2008. Der prosopographischen Datenbank des Hugo von Sankt Viktor-Instituts (http://www.pthsg.de/prosopographie/index.php), die die Quellen und die neueste Literatur auswertet, ist zu entnehmen, dass Adam um 1140 als Viktoriner Chorherr verstorben ist. Nach einer Reihe von Jahren, in denen er zuvor als Kantor an der Pariser Kathedrale tätig war, hatte er sich gleich bei der Gründung, um 1108, der neuen regulierten Gemeinschaft angeschlossen.
Das Vorwort zu diesem Band (VII–IX) stammt aus der Feder von Hugh Feiss, einem Benediktiner der amerikanischen Mount Angel Abbey, der sich dank seiner zahlreichen Studien und englischen Übersetzungen von Texten viktorinischer Autoren (insbesondere Hugos, Richards und Achards von Saint-Victor) auch in Europa einen Namen gemacht hat. Er stellt das zu besprechende Buch in die englischsprachige Rezeptionsgeschichte der liturgischen Poesien des Kantors Adam. Dem Dankwort der Herausgeberin (XV) folgt deren Einleitung in den Band (1–22), an die sich die lateinisch-englischsprachige Textausgabe anschließt (23–220). In der Tat hat die Herausgeberin das vollständige Corpus der 47 als authentisch geltenden Sequenzen dieses viktorinischen Dichters und Chorherren aus der ersten Generation der Abtei hier abgedruckt und dieses Corpus ins Englische übertragen. Daran schließen sich ein Anmerkungsteil zum lateinischen Text (221–223) und zu dessen englischer Übersetzung (225–237) an. Der Band schließt mit zwei Registern (Bibelstellen, 239–245, Autoren, 246–247) ab.
Wenn auch das Herzstück dieser Publikation die zweisprachige Textausgabe bildet, so stellt die Herausgeberin dieser doch eine »Introduction« voran, in der sie ihrer englischsprachigen Leserschaft, den Forschungsstand aufs Engste zusammenfassend, einen Einblick in das viktorinische Leben des 12. Jh.s gewährt. So vorbereitet, wird die literarisch-sprachliche Form der adamischen Se­quenzen erläutert und vor dem Hintergrund der die Lebens- und Denkweise der neuen Pariser Gemeinschaft prägenden Schriftauslegung interpretiert. Die Herausgeberin zeigt, dass Adam, der ja, anders als der Sachse Hugo oder der Schotte Richard, kein genuiner Theologe der Abtei war, dennoch die typische heilsgeschichtliche Denkweise und Frömmigkeit zweifellos erkennen lässt. Die »Introduction« bietet außerdem einige bibliographische Hinweise auf neuere Publikationen zu Adam von Saint-Victor, hauptsächlich in englischer Sprache, sowie einige Erläuterungen zu den Texten. Für die lateinischen Texte greift die Herausgeberin auf die Ausgabe von Clemens Blume und H. M. Bannister zurück (21), wenngleich sie gegenüber dieser hin und wieder die Ausgabe von Grosfillier bevorzugt. Da der Rezensent nicht englischer Muttersprachler ist, wäre e in Urteil über die sprachliche Qualität der Übertragungen un-verantwortlicherweise gewagt. Doch sei der Eindruck nicht verschwiegen, dass die englische Prosa angenehm lesbar anmutet und sich doch nahe an die lateinische Vorlage hält. Die beharrlichen Verweise in den An­merkungen zur englischen Übersetzung auf die Legenda aurea irritieren zuerst und erheitern dann, da ihnen doch keinerlei Erklärungskraft innewohnt. – Im Übrigen handelt es sich bei diesem Buch um einen schätzenswerten Dienst am interessierten anglophonen Publikum, und es sei deshalb als private geistige Kost wärms-tens empfohlen.