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Ausgabe:

September/2015

Spalte:

918–920

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bons, Eberhard, Brucker, Ralph, and Jan Joosten [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Reception of Septuaginta Words in Jewish-Hellenistic and Christian Literature.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2014. VIII, 213 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 367. Kart. EUR 69,00. ISBN 978-3-16-152953-5.

Rezensent:

Thomas R. Elßner

Es ist ja nicht gleich, ob man ein Wort im vorklassischen, im klassischen oder im Koine-Griechisch oder etwa im griechischen Sprachgebrauch des hellenistischen Judentums oder in frühchristlich griechischer Literatur liest und versteht – so könnte man in Anlehnung an das Vorwort des Enkels zur Übersetzung des Werkes seines Großvaters Ben Sira aus dem Hebräischen ins Griechische in Bezug auf das seit 2011 andauernde Projekt »Historical and Theological Lexicon of the Septuagint« (HTLS/ http://www. htlseptuagint.com) formulieren. Bei diesem interdisziplinär angelegten Projekt handelt es sich näherhin um ein im Entstehen begriffenes mehrbändiges Wörterbuch, das zu jedem relevanten Wort der Septuaginta einen entsprechenden Artikel enthalten wird. Einen ersten Querschnittseindruck von diesem Unternehmen vermittelt das hier zu rezensierende Buch, welches von ausgewiesenen und international anerkannten Forschern vorgelegt worden ist.
Gleich im Vorwort des Buches (V) stehen zentrale Fragen, welche der interessengeleitete heuristische Zugang bezüglich der Untersuchungen zu den einzelnen Begriffen der Septuaginta und deren Rezeption offenlegen: 1) How do Jewish or Christian authors writ-ing in Greek handle the difference existing for some words between the »biblical« usage created in the Septuagint and the usual meaning in Greek? 2) To what extent is it possible to affirm that New Testament authors borrowed their religious terminoloy from the Septuagint? 3) Which words of the Septuagint continue in later writings with their specific meaning, and which ones go out of use? 4) Is it possible to observe further semantic developments in the use of »biblical« words by Jewish or Christian authors writing in Greek?
Einen detaillierten Eindruck des künftigen Lexikons in Bezug auf die Struktur der einzelnen Artikel vermittelt der erste Beitrag mit dem für sich sprechenden Titel »A Sample Article: ᾄδω« von Mitherausgeber Ralph Brucker (1–16). Dieser Artikel, welcher im HTLS umfangreicher ausfallen wird, da er auch das entsprechende Wortfeld (z. B. συνᾴδω κτλ.) mitberücksichtigt, ist wie folgt aufgebaut: 1. Greek literature, 2. Papyri and inscriptions, 3. Septuagint: a) Statistical observations, b) Hebrew equivalents, c) Septuagint use, 4. Jewish literature in Greek, 5. New Testament und 6. Early Chris-tian literature. Auch mit Blick auf Theologiestudentinnen und Theologiestudenten im fortgeschrittenen Semester verdeutlicht die für einen solchen Artikel zu bewältigende Primär- und Sekundärliteratur, dass profilierte Exegese vor allem in dem hier angezeigten griechischsprachigen Kontext sich nicht allein mit der Kenntnis des durchaus pluriformen neutestamentlichen Griechisch zufriedengeben kann und darf.
Der zweite Beitrag mit dem Titel »Kämpfen, Mühsal und Elend in der Septuaginta: Die von ΑΕΘΛ-/ΑΘΛ- abgeleitete Wortgruppe« (17–33) stammt von Christoph Kugelmeier. Dieser Aufsatz beschäftigt sich zwar mit der Septuaginta, aber der Bogen hinsichtlich der Analyse dieser Wortgruppe wird von Homer über Pindar, Aristoteles, Thukydides, Philon von Alexandrien bis hin zu 2Makk und 4Makk sowie Clemens von Alexandrien gespannt.
Dem dornigen Thema des Anathema ist der instruktive Beitrag von Katell Berthelot unter der Überschrift »The Notion of Anathema in Ancient Jewish Lit-erature Written in Greek« (36–52) gewidmet. Bezüglich der Terminologie normativer Schriften bleibt jedoch zu fragen, ob das Buch Judith in den biblischen Kontext der Septuaginta oder zur in Griechisch verfassten jüdischen Literatur gehört (47). Bemerkenswert ist, dass Judith ähnlich wie Aristoteles in der Nikomachischen Ethik (Eth.Nic.1122b) oder wie Pharao Amasis im Geschichtswerk des Herodot (II, 182) das Mückennetz aus dem Schlafgemach des Holophernes als Weihegeschenk ( ἀνάθημα) für Gott hingab (vgl. Judith 16,19), und zwar anscheinend im Tempel zu Jerusalem. Der Jerusalemer Tempel als Ort für Weihegaben?
Die Ausführungen des Mitherausgebers Eberhard Bons mit der Überschrift »The Noun βοηθός as a Divine Title« führen den Untertitel »Prolegomena to a future HTLS article« (54–66). Diese schon jetzt den entsprechenden Horizont ausleuchtenden Prolegomena skizzieren den Gebrauch des Titels Gott als Helfer im Sprachgebrauch der Septuaginta und ihres griechischsprachigen Umfelds. Wolfgang Kraus wendet sich in seinem Aufsatz »Die Bedeutung von διαθήκη im Hebräerbrief« (67–83) ausschließlich dieser neutestamentlichen Schrift mit dem für ihn klaren Ergebnis zu, dass es unter semantischem Aspekt keinen Anlass gebe, »διαθήκη im Hebräischen mit ›Bund‹ zu übersetzen« (81), was ebenso nach A. Schenker zumindest für den Pentateuch anzunehmen sei.
»The Use of δόξα in Paul and John as Shaped by the Septuagint« (85–104) ist das Thema von Jörg Frey. Zwar bilde die Septuaginta die Basis (86–93) für den neutestamentlichen Sprachgebrauch in den (echten) paulinischen Briefen und im Johannesevangelium, aber letztlich, so Frey, in »John, δόξα becomes a Christological term« (104).
Mit »Mixed Blessings. The biblical notion of blessing in the works of Philo and Flavius Josephus« (105–115) hat Jan Joosten seinen Beitrag überschrieben. Sein Ergebnis ist klar: »The ›biblical‹ use of εὐλογέω may have been created in the sociolect of Greek-speaking Jews of the beginning of the third century B.C.E.« (115).
Emanuela Prinzivalli untersucht »The Use of ὁμόνοια and Related Terms in the Septuagint and in Christian Literature of the First Three Centuries« (117–128). Zwar stimmt es, dass im ThWNT dem Begriff ὁμόνοια kein eigenes Lemma gewidmet ist, aber dennoch ist es in ihm insofern präsent, als auf diesen Begriff im Artikel εἰρήνη ausdrücklich Bezug genommen wird (vgl. ThWNT II 400, 1–4).
Enrico Norelli titelt seinen ausführlichen Aufsatz mit »La Septante dans quelques testimonia non canoniques des origines chrétiennes« (129–161). Dieser Beitrag nimmt u. a. den ersten Clemensbrief und Schriften des Clemens von Alexandrien in den Blick, die bekanntermaßen nicht zum neutestamentlichen Kanon gehören.
Thomas J. Kraus hat seinen Beitrag mit »Eine Grammatik der Septuaginta und des Neuen Testaments: Methodische Überlegungen zu Grenzen und Möglichkeiten« (163–182) überschrieben. Kraus macht auf die vielfältigen Schwierigkeiten aufmerksam, eine Grammatik der Septuaginta und/oder des Neuen Testaments überhaupt zu erstellen. Gleichwohl ist vorab die scheinbar einfache Frage zu beantworten, was alles zu einer bzw. in eine entsprechende(n) Grammatik gehört. Für ihn ist schließlich »die Aufteilung nach Einleitung (›Prolegomena‹), Wortschatz (›Vokabular‹), ›Grammatik‹ (Lautlehre, Orthographie, Formenlehre und Syntax) sowie Stilistik (›Stil‹) eine pragmatische Zusammenschau aus verschiedenen Aufrissen und Gliederungen« (170). Ebenso gilt es zu bedenken, dass das Griechisch der Septuaginta mehrheitlich »Übersetzungsgriechisch« ist. Doch »das Neue Testament besteht aus originär in griechischer Sprache abgefassten Texten individuellen Charakters« (172). Letztlich erinnert Kraus anhand von Beispielen daran: »Nicht die quantitativ-vollständige Erfassung aller beobachtbaren Einzelphänomene zwischen Septuaginta und Neuem Testament kann das Ziel einer Darstellung der Grammatik beider Textkorpora (sic) sein, sondern der qualitativ-tendenzielle Aufweis bestimmter auffälliger Tendenzen und Häufigkeiten« (181). Die Grammatik zu Septuaginta und Neuem Testament wird und kann es so nicht geben.
Die Ausführungen des letzten Beitrags hat James K. Aitken schlicht mit »Outlook« (183–194) überschrieben. Hier vermittelt er neben resümeeartigen Hinweisen zu dem in jenem Band enthaltenen Ausführungen mindestens zwei, vielleicht überraschende, Einsichten: »Study of biblical Greek, both of the Septuagint and of the New Testament, has been hampered by its isolation from the history of Greek« (184). Dem korrespondiert zugleich »We must aim to und-erstand the Greek in its own terms whenever it appears before interpreting it in light of its later history« (193). Letztlich bedeutet dies, dass Kenntnisse des Koine-Griechischen allein nicht mehr ausreichend sind, um Septuaginta und Neues Testament zureichend zu verstehen und zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund könnte die abnehmende Zahl der Theologiestudenten und Theologiestudentinnen im Masterbereich durchaus von Vorteil sein: Qualität vor lehrstuhlbegründender Quantität, auch wenn »die Sprachen« immer wieder wider den Geist unter Rechenschaftsdruck geraten.
Neben der Autorenliste (195) beschließen den Band die zu erwartenden Indizes (Index of Ancient Sources: 1. Old Testament/Septuagint, 2. New Testament, 3. Old Testament Pseudepigrapha, 4. Jewish-Hellenistic Literature, 5. Early Christian Literature, 6. Greek and Roman Literature, 7. Inscriptions and Papyri, Index of Greek Words, Index of Hebrew Words), die ihn zu einem Handbuch en miniature werden lassen.