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Ausgabe:

Juni/2015

Spalte:

651-652

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Freudenberg, Matthias, u. J. Marius J. Lange van Ravenswaay[Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Geschichte und Wirkung des Heidelberger Katechismus. Vorträge der 9. Internationalen Emder Tagung zur Ge­schichte des reformierten Protestantismus.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2013. 252 S. = Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus, 15. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-7887-2738-3.

Rezensent:

Patrick Bahl

Anlässlich der »9. Internationalen Emder Tagung zur Geschichte des Reformierten Protestantismus« entstand ein Tagungsband mit theologiegeschichtlichen, systematisch-theologischen und religionspädagogischen Beiträgen zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des Heidelberger Katechismus (HK).
Peter Opitz betrachtet einleitend den »Heidelberger Katechismus im Licht der ›Schweizer‹ Katechismustradition(en)« (9–35), wo­bei der Fokus weniger auf gattungskritischen Analysen als auf traditionsgeschichtlichen Berührungspunkten zwischen Heidelberger und Schweizer Theologie (vor allem die Sakramententheologie) und den entsprechenden Mediatoren (von Ursinus bis Friedrich III.) liegt. Görge K. Hasselhoff unterzieht in einer detaillierten Studie die Bibelmarginalien des HK einer Funktionsbestimmung zwischen »Zitat, Paraphrase, Kommentar […]« (37–48). Marco Hofheinz begibt sich auf die Suche nach Spuren einer »Geistchristologie im Heidelberger[…]« (49–60) und setzt sich anhand differenzierter Textuntersuchungen kritisch mit der Krausschen These einer Geistchristologie im HK als »Alternative« zur hermeneutisch problematischen Zwei-Naturen-Lehre auseinander (50). Gijsbert van den Brink untersucht in ökumenischer Absicht »Die Pneumatologie des Heidelberger Katechismus und ihre Relevanz im Gespräch mit der charismatisch-pentekostalen Bewegung« (61–75), wobei die Darstellung der freikirchlichen Theologie etwas differenzierter hätte ausfallen können. Gerard den Hertog vertieft sich in die Dialektik von »Gott erkennen und vertrauen« (77–86) und erörtert vor dem Hintergrund der Auslegung von Glaubensbekenntnis, erstem Gebot und Gebet im HK und unter Rückgriff auf Calvins Überlegungen in Institutio und Genfer Katechismus die Frage nach den erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der menschlichen Gotteserkenntnis. Boris Wagner-Peterson stellt in »Zacharias Ursinus und ›seine‹ Auslegung des Heidelberger Katechismus« (87–109) Entstehung und Entwicklung der Übersetzungen und Auslegungen des HK im deutschsprachigen Raum, aber auch in England, den Vereinigten Staaten und den Niederlanden dar. »›Reste[n]‹ des Heidelberger Katechismus« (111–119) in den badischen und pfälzischen Unionskirchen als Nachfolgeterritorien der Kurpfalz spürt Johannes Ehmann in einem Längsschnitt durch Rationalismus, Vermittlungstheologie und Liberalismus nach. Martin Sallmann erhellt anhand von Kommissionsberichten und Gemeindebefragungen Blütezeit und Niedergang des »Heidelberger Katechismus in der Berner Kirche« (121–139) des 19. und 20. Jh.s. Peter James Yoder setzt sich in »Reformierter Pietismus und Mission« (141–156) mit der HK-Rezeption des Pietisten Friedrich A. Lampe auseinander, der die Föderaltheologie des HK (unter dem Eindruck der Mission vor allem in Indien und auf der Grundlage einer relecture des paulinischen Konflikts zwischen Juden- und Heidenchristen) im Sinne einer egalitären Weltmission entgrenzt. George Hunsinger verortet in »The Heidelberg Catechism in America« (157–169) die Gestalt John W. Nevins in der Polyphonie des nach Nordamerika emigrierten Reformiertentums im 19. Jh. Sehr präzise und unprätentiös stellt Hanna Reichel in »Dogmatik auf dem Weg« (171–184) Karl Barths methodologischen Zugriff auf den HK im Wechsel der zeitgeschichtlichen Kontexte dar. Hans-Georg Ulrichs’ Vortragstitel »Zwischen Bekenntnistreue und verlorener Zeugenschaft« (185–211) deutet das Fazit seiner Untersuchung von Vorbereitung, Durchführung und Rezeption des HK-Jubiläums von 1963 bereits an: Der Breite des akademischen und kirchlichen Festakts stand die Marginalisierung des HK unter den Gläubigen gegenüber. Bernd Schröder beschäftigt sich in »Der Heidelberger Katechismus – religionspädagogisch gelesen« (214–236) mit der katechetischen Rezeptionsgeschichte des HK und den religionspädagogischen Anknüpfungspunkten trotz seiner theologischen und sprachlichen Sprödigkeit und unter den Vorzeichen der Postmoderne. Christiane Tietz stellt schließlich die religionspädagogische Relevanz des HK in den weiteren Kontext der Frage nach der Legitimität »Religiöse[r] Bildung im säkularen Staat« (237–250), räumt mit terminologischen Missverständnissen hinsichtlich des religionspädagogischen Auftrags des säkularen Staates auf und plädiert für religiöse Bildung als »Bildung über Religion«, »Bildung durch Religion« und »Bildung zur Religion«.
Der Sammelband ist für den Theologiestudierenden, der gerade den Erstkontakt zum HK hergestellt hat, ebenso nützlich wie für den geübten Katechismusleser. Die Autoren führen in die Ge­schichte des HK ein, vertiefen Bekanntes, gewähren interessante Seitenblicke und denken über Rezeptionsmöglichkeiten und -be­dingungen nach. Damit bildet der Band ein belastbares (theore-tisches) Fundament für Schröders didaktischen Appell »neue Worte finden, fortschreiben, transformieren« (235) und bietet einen Zwischenstand der HK-Forschung, von dem neue Impulse – vor allem für die Erforschung der europäischen und angloamerikanischen Rezeption des HK – ausgehen können.