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Ausgabe:

Mai/2015

Spalte:

507–509

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hrsg. v. d. Forschungsstelle Gregor von Nyssa an d. Westf. Wilhelms-Universität. Leitung: W.-D. Hauschildt (†) u. H. Strutwolf.

Titel/Untertitel:

Lexicon Gregorianum. Wörterbuch zu den Schriften Gregors von Nyssa/Dictionary of the Works of Gregory of Nyssa. Vol. 10/ Bd. X: Nomina propria. Bearb. u. m. dt. Texten versehen v./compiled with addition of German texts by K. Savvidis. Engl. Texte v./Engl. texts by M. Dorn, unter Mitarbeit v./with the assistance of K.-O. Eberhardt u./and A. Bedke.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2014. XXIV, 492 S. Geb. EUR 239,00. ISBN 978-90-04-16703-2.

Rezensent:

Hubertus R. Drobner

Wie im Vorwort von Band IX (2013), VII, des Lexicon Gregorianum angekündigt (vgl. ThLZ 139 [2014], 78), behandelt der nun in kurzer Folge erschienene Band X die bislang aus gutem Grunde aus der allgemeinen alphabetischen Ordnung der Lemmata ausgeklammerten Nomina propria, die in den Werken Gregors von Nyssa erwähnt werden. Der unmittelbar einsichtige methodische Grund der Sonderbehandlung liegt in der Tatsache, dass es sich bei Eigennamen ja nicht primär um die lexikalische Aufschlüsselung der Bedeutungsbreite des Wortes handeln kann, sondern vielmehr um die Verdeutlichung ihrer historischen Zusammenhänge. Welche biblischen, historischen und kontemporären Personen und Autoren erwähnt Gregor, welche Orte und Regionen kennt er, welche Funktion und Bedeutung haben sie in seinem Denken? Diese sich von den neun vorangegangenen Bänden wesentlich unterscheidenden Fragestellungen bestimmen konsequent Struktur und Methodik des Bandes:
»Stärker als in den bisherigen Bänden sollten Erklärungen und Paraphrasen zu den Lemmata und zu wichtigen Belegstellen hinzutreten, um dem Benutzer den Zugang zum Artikel und die Orientierung hierin zu erleichtern. Zahl und Umfang der auf Griechisch zitierten Perikopen sollten demgegenüber, wo dies vertretbar war, ein wenig reduziert werden, wobei jedoch alle zum Lemma gehörenden Belegstellen wenigstens genannt werden sollten. Wo es wichtig erschien, wurde speziell hinzugezogene Sekundärliteratur am Ende eines Artikels aufgeführt; ein entsprechendes Literaturverzeichnis findet sich in den einleitenden Seiten des Lexikons.« (V)
Dementsprechend folgen nach der englischen Übersetzung des Vorwortes (VII–VIII) das in jedem Band übliche Verzeichnis der Schriften Gregors von Nyssa, gegebenenfalls unter Angabe der von GNO abweichenden Edition (IX), ein Verzeichnis der Abkürzungen der biblischen Bücher (X), ein allgemeines Verzeichnis der im Band verwendeten Abkürzungen (XI–XII), sowie ein Verzeichnis der zitierten Quellen (XIII–XXVII) und Literatur (XIX–XXIII). Dann folgen die Lemmata in alphabetischer Ordnung (1–422), Index des reichen Bestandes der im Band zitierten Bibelstellen (423–470), Index Fontium (471–475), sowie der ebenfalls im Vorwort von Band IX (2013), VII, angekündigte Appendix mit den bereits 1996/97 (vgl. Vorwort, V) von V. H. Drecoll verfassten Lemmata τριάς, ὕπαρξις, ὑπάρχω, ὑπόστασις und ὑφίστημι.
Zwei in den vergangenen Bänden gemachte Ankündigungen erfüllt Band X noch nicht, so dass man wohl noch einen elften Band erwarten darf, ohne dass dies hier ausdrücklich angemerkt wurde:
»In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass am Schluss der Lexikonarbeiten ein umfassender Anhang dem letzten Band des Lexicon Gregorianum beigegeben wird, der die Stellen und Perikopen der Appen-dices aller Bände in einer einzigen Appendix zusammenfasst, wodurch ein Gesamtüberblick ermöglicht wird, und die lästige Überprüfung der einzelnen Bände entfällt.« (Band VII [2009], 865) – »Nomina propria, Formwörter, Partikel werden in einer gesonderten Publikation, betreut von der Forschungsstelle Gregor von Nyssa, erscheinen.« (Band IX [2013], VII)
Die auffälligste Neuerung von Band X besteht in seiner deutsch-englischen Zweisprachigkeit. Der englische Text ist im Druck in blauen Buchstaben abgesetzt und folgt jeweils unmittelbar auf jeden einzelnen Abschnitt der Lemmata. Die Lemmata beginnen mit dem Namen in der/den von Gregor verwendeten griechischen Form/en, dem Artikel zur Bezeichnung des Genus, deutsche und englische Umschrift des Namens, gegebenenfalls dessen biblisch-hebräische Urform, einer Kurzcharakterisierung mit chronologischer Einordnung sowie Hinweisen auf wichtige Beziehungen und Quellen (z. B. Aaron: Hohepriester Israels während des Exodus, Bruder des Moses, AT). Danach folgt der Text des Lemma, gegliedert nach den Zusammenhängen der Verwendung des Namens durch Gregor (historisch, theologisch, spirituell, lexikalisch, werkimmanent, usw.), z. B. »Abel«: 1) Adam-Abel-Paradigma im trinitarischen Streit als Illustration des Verhältnisses von Vater und Sohn …; a) Die Geburt Abels, die sich von der Entstehungsweise Adams unterscheidet; b) Adam kommen die Attribute »Vater des Abel« und »Werk Gottes« zu …; c) Umgang des Eunomius mit dem Paradigma. 2) In der Auseinandersetzung um die Gottheit des Heiligen Geistes. 3) Gegenüberstellung von Kain und Abel. 4) Der Begründer der Viehzucht. – Schon die gliedernden Überschriften vermitteln so unmittelbar ein faszinierendes Bild von Gregors Gedankenwelt.
Der außerordentlich große Informationsreichtum des Bandes kann hier nur angedeutet werden. Man findet Einträge zu biblischen Personen und Orten, Mythologie und heidnischer Götterwelt, heidnischen und christlichen Persönlichkeiten und Gelehrten (Kaiser, Philosophen, Theologen, Familie und Briefpartner Gregors), zur Geographie in Geschichte und [Gregors] Gegenwart (Völker, Provinzen, Flüsse, Berge), ja sogar zu Sternbildern. Mit einem Wort: Die Lemmata stellen ein umfassendes Spiegelbild der Welt dar, in der Gregor lebte und wirkte. Eine Reihe von Artikeln, wie z. B. Apolinarios (36–42), Arius (44–46), David (86–107), Eunomios (130–139), Jesus (176–185), Juden (194–201), Israel (206–217), Moses (268–291), Paulus (306–328) und Christus (395–420) gehen naturgemäß weit über die Erklärung von Eigennamen hinaus. Es sind in der Form einer gegliederten Quellenanalyse Einführungen in Gregors Theologie, wie sie – in anderer Form, das heißt, in thematischer Verarbeitung der Quellen und Literatur – »das andere Gregorlexikon« bietet: The Brill Dictionary of Gregory of Nyssa. Edited by L. F. Mateo-Seco and G. Maspero (SVigChr 99), Leiden u. a: Brill 2010 [span.: Burgos 2006; ital.: Rom 2007).
Die Textgrundlage auch dieses Bandes bleibt gemischt, da die kritische Edition der Gregorii Nysseni Opera noch nicht vollendet ist. – Man darf aber mit freudiger Erwartung vermelden, dass der Traktat De anima et resurrectione, ed. A. Spira und E. Mühlenberg [GNO III/III], Leiden u. a.: Brill 2014, gerade erschienen ist und an dem einzigen noch ausstehenden Band De hominis opificio mit Nachdruck gearbeitet wird. – Dennoch ist es bedauerlich – auch wenn ich dabei pro domo mea spreche –, dass die Einarbeitung der Edition in Hexaemeron (GNO IV/I, Leiden u. a.: Brill 2009) »leider nicht mehr möglich war« (Vorwort, VI), nachdem dies die Bände VIII und IX (2010 und 2013) bereits getan hatten. Dann hätte man auch berücksichtigen können, dass zwar die meisten Handschriften den Titel Apologia in Hexaemeron unterstützen, dieser aber dennoch nicht ursprünglich sein dürfte (vgl. J. Rousselet, Grégoire de Nysse, avocat de … Moïse, in: In Principio. Interprétations des premiers versets de la Genèse, Paris 1973, 95 f.; Gregor von Nyssa, Über das Sechstagewerk. Verteidigungsschrift an seinen Bruder Petrus. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von F. X. Risch [BGrL 49], Stuttgart 1999, 103, Anm. 1; Drobner: GNO IV/I, S. 5 app. crit.).
Davon unbeeinträchtigt kann man freilich Institut, Autoren und Leser zu diesem Band nur beglückwünschen. Er stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Kenntnis der Person und des Denkens Gregors von Nyssa dar, der sich, je weiter die Forschung voranschreitet, in jeder Beziehung als eine immer wichtigere und lohnendere, universalgelehrte Gestalt der christlichen Antike erweist – sei es für die Sprache, die Literatur, die Rhetorik, die Geschichte, die Philosophie, die Theologie oder auch die Naturwissenschaften. Das Lexicon Gregorianum leistet zur Erschließung all dieser Facetten einen unverzichtbaren Beitrag.