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Ausgabe:

März/2015

Spalte:

314–316

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Pöntinen, Mari-Anna

Titel/Untertitel:

African Theology as Liberating Wisdom. Celebrating Life and Harmony in the Evangelical Church in Botswana

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2013. VIII, 260 S. = Studies in Sys-tematic Theology, 12. Geb. EUR 107,00. ISBN 978-90-04-24595-2.

Rezensent:

Andrea Fröchtling

Mari-Anna Pöntinens Untersuchung zu ›African Theology as Liber­ating Wisdom: Celebrating Life and Harmony in the Evangelical Lutheran Church in Botswana‹ bietet einen sowohl umfassenden als auch detaillierten Einblick in Kontextualität theologischer Themen und deren Weisheitsbezüge am Beispiel der 1978 gegründeten Evangelical Lutheran Church in Botswana (ELCB), die zurzeit ca. 21.000 Mitglieder in 43 Gemeinden umfasst.
P., promovierte Theologin und Leiterin der Mission and Devel­opment Studies der Finnish Evangelical Lutheran Mission, legt ihrer Arbeit eine ›systematic analysis‹ (16) zugrunde, bei der theologische Veröffentlichungen sowie unveröffentlichte Dokumente wie z. B. Bibelarbeiten von Vertretern der Evangelical Lutheran Church in Botswana, hier in erster Linie von den Bischöfen Philip J. Robinson (Bischof von 1978 bis 2005) und Dr. Cosmos K. Moenga (Bischof von 2005 bis 2013), in einen breiteren Dialog gebracht werden mit Erkenntnissen postkolonialer, kontextualer und philosophischer Forschung und deren Entwicklung im breiter gefassten afrikanischen Kontext. Darüber hinaus finden mündliche philosophische und religiöse Traditionen ebenso Berücksichtigung wie die aus Interviews gewonnenen Einsichten P.s. Der hier verfolgte Ansatz zeichnet sich durch Kontextualität ebenso wie durch Interkulturalität aus. Die von P. in den Jahren 2000–2005 durchgeführten offenen Interviews umfassen eine Gruppe von 15 respondents, alle mit theologischen Abschlüssen oder Studierende der Theologie, wobei sich die Gruppe der respondents durch Einbezug eines breiten Altersspektrums auszeichnet.
In sechs Kapiteln entfaltet P., ausgehend von allgemeinen Re­flektionen zur Verhältnisbestimmung von afrikanischen Theologien und Weisheitstraditionen, zentrale Aspekte theologischen Denkens innerhalb der Evangelical Lutheran Church in Botswana und untersucht diese auf dialektische Rück- und Ausblicksbezüge hinsichtlich afrikanischer Spiritualität und Weisheitstradition. Hierzu führt P. nach der methodologischen Grundlegung der Arbeit im ersten Kapitel (›Introduction‹) im Folgekapitel (›African Theology and the heritage of wisdom‹) zunächst ausführlich in den aktuellen Diskurs zu African Theology/Theologies und dessen unterschiedliche Positionierungen ein, bevor sie im dritten Kapitel (›Epistemological principles of theological thinking in the ELCB‹) die erkenntnistheoretischen Grundlagen und Voraussetzungen theologischen Denkens in der Evangelical Lutheran Church in Botswana analysiert. Besonderes Augenmerk legt P. hier auf die Herleitung und Beschreibung von Theologie als ›liberating wisdom‹. Hierin sieht P. einen zentralen Ansatz der Evangelical Lu-theran Church in Botswana, ohne den deren Theologie nicht verständlich sei (111).
In diesem Kontext erarbeitet P. die jeweiligen theologischen An­sätze der beiden ersten Bischöfe der Kirche mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten, hier u. a. unter dem Schlagwort ›Befreiung‹, zum einen primär verstanden in spiritueller und kultureller Perspektive (Robinson), zum anderen in erster Linie in Bezug auf Fragen sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit (Moenga). Anhand der Analyse der Verhältnisbestimmung von Rationalität, Spiritualität und kontextueller Weisheitstradition(en) nimmt P. Verortungen zentraler theologischer Themen vor.
Kapitel vier (›Culture philosophical emphases of theological thinking in the ELCB‹) greift grundsätzliche Fragen der Beziehung zwischen Theologie und Kultur u. a. am Beispiel holistisch-monis­tischer Weltdeutung sowie von botho, Mit-Menschlichkeit in Ge­meinschaftsbezügen, auf. P. entfaltet hier botho als ethisches Prinzip (198 ff.) mit historisch-kultureller Verankerung, das Ge­meinschaftsbeziehungen und interpersonelle Beziehungen auf der Grundlage von Wertschätzung, Liebe und Respekt grundlegt und das Wohl des/der Nächsten im Blick hat. Theologische Konsequenzen von botho als einem zentralen ethisch-kulturellen Prinzip im Kontext Botswana werden entfaltet, u. a. in Richtung des Engagements für soziale Gerechtigkeit und gerechte Lebensbedingungen für alle.
Das fünfte Kapitel (›Religious implications and theology of spir­ituality in the ELCB‹) geht wesentlichen Aspekten traditionaler Spiritualität im Tswana-Kontext nach und setzt sich u. a. mit Fragen der Relevanz von Ahnen (badimo) für die Alltagsreligiosität, mit Gotteskonzepten (modimo) sowie mit dem sogenannten life principle auseinander. Das life principle wird als »celebrating […] the sacredness of life in the communal sense« (267) in Bezug auf schöpfungstheologische Ansätze und Verständnisse sowie unter Rückbezug auf community-bezogene Riten und Feste im Bereich der rites of passage und Erntefestivitäten entfaltet und als Zentralperspektive eingeführt, durch die Religiosität im Kontext Botswana erst nachvollziehbar werde. Weitergehende Überlegungen P.s bringen dann life principle und harmony/peace, Letzteres primär bezogen auf den inter-personalen Bereich (284), in Dialog mit christologischen Reflektionen zu Rolle und Verständnis von Christus als Befreier und Mediator. Ergänzt werden diese Überlegungen durch eine Analyse der Bedeutung von Trinität und missio Dei für die Evangelical Lutheran Church in Botswana. Hier entfaltet P. Moengas Missionsverständnis, das Mission als »rooted in the life of the Trinity in which the Father sends the Son and the Son sends the Holy Spirit and together they send the Church on mission to the world« deutet (349).
Im sechsten Kapitel (›Conclusion‹) fasst P. ihre Ergebnisse zu­sam­men und formuliert Konsequenzen für die theologische Arbeit und Verortung der Evangelical Lutheran Church in Botswana auf dem Hintergrund von Rationalität und Weisheitstradition. Hierbei verweist sie erneut auf die spezifisch theologische Positionierung der Kirche – »the theological thinking in the ELCB differs both from the early missionary attitudes and the traditional religion« (364) – und stellt Bezüge zwischen motho, botho und imago Dei-Konzepten als Basis und Begründung der Praxis der sozialen Arbeit der Kirche dar.
Mit ›African Theologies as Liberating Wisdom‹ hat P. eine Studie vorgelegt, die einen sowohl breiten als auch inhaltlich tief gehenden Zugang zu Theologie und Praxis der Evangelical Lutheran Church in Botswana ermöglicht. Dabei lässt insbesondere der Vergleich zwischen den Bischöfen Robinson und Moenga unterschiedliche theologisch-soziokulturelle Verortungen innerhalb eines vergleichbaren Paradigmas erkennen und verdeutlicht so die Komplexität kontextueller Hermeneutik. Gleichzeitig vermittelt P. einen umfassenden Einblick in epistemologische und hermeneutische Debatten in African Theologies und gibt Einblick in Diskurse der letzten 50 Jahre. Damit ist es P. gelungen, theologische Spezifika und Entwicklungen einer singulären Kirche exemplarisch einzutragen in den breiteren Diskurs.