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Ausgabe:

Dezember/2014

Spalte:

1484–1487

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

McCormack, Bruce L., and Thomas Joseph White [Eds.]

Titel/Untertitel:

Thomas Aquinas and Karl Barth. An Unofficial Catholic-Protestant Dialogue.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2013. VIII, 304 S. Kart. US$ 36,00. ISBN 978-0-8028-6976-0.

Rezensent:

Hans-Anton Drewes

Die Dokumentation der Barth-Konferenz am Princeton Theological Seminary von 2011 zeigt die Begegnung einer lebendigen Thomas-Forschung mit einer nicht weniger vitalen Barth-Forschung. Thomas Joseph White O. P. erörtert in seiner instruktiven Einleitung (1–39) u. a. »one of the key differences«: »Theology in Modernity: Postmetaphysical, or the Discipline That Calls for the Recovery of the Metaphysical?« (31–37)
Die fünfmal zwei Abhandlungen eröffnet Robert W. Jenson, in­dem er mit leichter Hand eine Skizze über »Karl Barth on the Being of God« (43–51) gibt. Meisterhaft lässt er nicht nur die wichtigsten Bestimmungen Barths, sondern auch deren Motive hervortreten. Aus der bedeutsamen Beobachtung, dass der in der Gotteslehre so wichtige Begriff der »Entscheidung« »almost vanishes, to reappear in the next part-volume [sc. KD II/2] subsumed under the notion of ›choice‹« (50), so dass »that what is decided in the being of God as decision is the whole of God’s history with us« (51) folgt, dass wir nicht nur bei den späteren die früheren, sondern ebenso bei den früheren die späteren Ausführungen Barths mit in den Blick nehmen müssen. Richard Schenk O. P. geht in seinen Reflexionen über »Theology, Metaphysics, and Discipleship« (52–68) von der Frage aus, »what a rereading of Thomas could tell us about the impas-sibility of God argued ›for the sake of humanity‹« (54) – anders formuliert: Das Ziel ist »to identify in a historically credible manner within Thomas’s writings the dimension of a theodicy-capable theology of the cross« (57). Denn die Frage der Theodizee ist »the matrix of every theology of grace« (56).
Den der Trinität gewidmeten Teil eröffnet Guy Mansini O. S. B. mit der Frage »Can Humility and Obedience Be Trinitarian Real-ities?« (71–98). Durch instruktive Erörterungen über Demut und Gehorsam u. a. in der Regula Sancti Benedicti und bei Thomas und in sorgfältiger Darlegung der Einheit des Willens Gottes wird die Antwort vorbereitet: Von Demut und Gehorsam kann nur im Blick auf Passion und Tod Christi die Rede sein; das ist auch der einzige Zusammenhang, »that is attested by Scripture as read by the fa-thers« (98). Bedauerlich, dass P. Mansini nur einen abweisenden Seitenblick für die strittigen Ausführungen Barths hat. Sie liegen freilich auf der Linie der von P. White beklagten »fateful addition«, mit der Barth schon seit KD I/1 die überlieferte Dogmatik belastet: »the idea that everything that is revealed in the economy implies some kind of analogous corollary in the life of God himself« (170). Ist dies verhängnisvolle additum aber nicht schon das innere Motiv der Entwicklung von den biblischen Offenbarungsgeschichten zur kirchlichen Trinitätslehre? Wäre es von daher nicht der Mühe wert, in den Ausführungen Barths zum ewigen Gehorsam des Sohnes, mit denen er ja den Weg zwischen Subordinatianismus und Modalismus aufzeigen möchte, eine immerhin diskutable Logik herauszuheben? Es ist zu bedauern, dass keiner der verdienten amerikanischen Barth-Forscher sich dieser Aufgabe angenommen hat. Bruce L. McCormack widmet sich in »Processions and Missions: A Point of Convergence between Thomas Aquinas and Karl Barth« (99–126) einer anderen trinitätstheologischen Frage: Bedeutet Gottes Gnadenwahl eine Selbstdefinition Gottes, oder – so McCormacks These – gehört sie zur Selbstkonstitution Gottes und ist demnach als ein Element der Trinitätslehre zu begreifen? McCormack nimmt eine Untersuchung von M. Levering, die ihm eine Nähe zwischen Barth und Thomas in Richtung seiner These anzuzeigen scheint, zum Anlass, sie zu erweitern und zu einer Entscheidungsfrage über die Zukunft der englischsprachigen Barthrezeption (125 f.) zuzuspitzen.
Keith L. Johnson verfolgt in seinem Beitrag »Natural Revelation in Creation and Covenant« (129–156) das Ziel, aufzuzeigen, »that Thomas Aquinas and Karl Barth do not disagree about the exis-tence of natural revelation or its role within Christian theology« (129). Die Begründung dieser These wird kenntnisreich und überzeugend vorgetragen. Nur an einem, freilich entscheidenden Punkt scheint eine Einschränkung unvermeidlich: Inwiefern »Barth’s claims about revelation and faith are possible, […] only because they presuppose the existence of an intrinsic and analogous relationship of being between God and humans« (144), hat schon von Balthasar, der wohl als Erster in diese Richtung argumentierte, nicht überzeugend darlegen können. An von Balthasar knüpft auch P. White in »The Crucified Lord: Thomistic Reflections on the Communication of Idioms and the Theology of the Cross« (157–189) an, indem er zunächst »a kind of Balthasarian rendering of CD IV/1 and IV/2« (164) gibt, um dem die »classical, theocentric Christological tradi-tion« gegenüberzustellen. Wenn er ihr in überaus lehrreicher Analyse »the better judgement« nachrühmt (170, Anm. 24), wenn er vom »great promise« in der Theologie des Thomas spricht (182), zielt das nicht zuletzt auf die von ihm als verhängnisvoll diagnostizierte Vernachlässigung der Philosophie bei Barth und seinen Anhängern. Gerade wenn man die Standpauke, die er ihnen hält (»hopelessly narrow mischaracterization of the classical ontology« [184], Mangel an »distinctly philosophical accountability for the ontological idioms in which Barth chooses to express himself« [185]), nicht als letztes Wort gelten lassen möchte, muss der darin enthaltenen kritischen Forderung viel grundsätzlicher Rechnung getragen werden als üblich. Auszugehen wäre dabei von den Vorstößen Barths in diese Richtung in KD IV/3, die White leider nicht berücksichtigt hat.
Der klassischen Frage der Kontroverstheologie wendet sich Joseph P. Wawrykow in »Aquinas and Barth on Grace« (193–211) zu, indem er ein differenziertes Referat der thomanischen Lehre gibt und in einem Überblick über die Divergenzen zwischen Thomas und Barth die Möglichkeit offenhält, dass sich das »Verdienst«, das für Thomas biblisch feststeht (199), »in the end« als »fully compatible with Barth’s praise of works« erweist (211). Auch Amy E. Marga weist in »Recon-ciliation in Karl Barth and the New Life of the Justified Sinner in Christ« (212–233) auf »affinities« hin (212), die so weit gehen, dass bestimmte Ausführungen Barths »could have easily come from the pen of Thomas« (217, vgl. 220). Die wohl abgewogene Darstellung der »convergences« (214–223) und »divergences« (223–233) führt zu der Feststellung, dass Barths Versöhnungslehre gewiss »quite distinct« von der des Thomas ist, dass die Untersuchung der Details jedoch bemerkenswerte »similarities« ans Licht bringt (233).
Es scheint, dass sie auch vor dem ernüchternden Einwand bestehen, den John R. Bowlin in seinem Beitrag »Barth and Aquinas on Election, Relationship, and Requirement« (237–261) mit einem Zitat von Nelson Goodman in Erinnerung bringt: »everything is similar to everything else in at least some respect« (238). Bowlin macht zunächst packend klar: »obligations are requirements that arise within relationships among persons« (240 f.), wie es auch der Lehre des Thomas von der Wurzel der Gottes- und der Nächstenliebe in der »friendship between God and humanity« entspricht (246). Barths »emphatic no!« dazu »begins in Kantian commitment and ends in Nietzschean suspicion« (251). Seine Lösung des ethischen Problems stellt eine Überbietung der Freundschafts- durch die Erwählungsbeziehung dar: Christus, der erwählende und er­wählte, »both commands and obeys, and his rightful authority is justified by his willing obedience« (256). So erweist sich das »re-quirement« als »permission«, nämlich als »obligation to be who we are« (256). Bowlin nennt diesen Ansatz Barths – »finding something like Hegel’s social theory of obligation in the life of the Trinity« – »brilliant« (257), um jedoch sogleich die »two burdens« zu nennen, die damit verbunden sind: der radikal aktualistische Begriff von Gottes Gebot und der hyperaugustinische Skeptizismus hinsichtlich der menschlichen Fähigkeit zum Guten (258). In »a kind of exegesis« (262) des Traktats über das »Gesetz« gibt Holly Taylor Coolman unter der Überschrift »Divine Action and Human Action in St. Thomas Aquinas: An Analogia Legis« (262–279) der ethischen Frage eine andere Wendung. Im Sinn des Thomas kann das »Ge­setz«, das in analogen Bedeutungen als ewiges, na­türliches, menschliches und göttliches Gesetz erscheint, »be said to be Christ« und auch »to be the grace of the Holy Spirit« (278). Hier zeigen sich Brücken zu Barth, bei dem jedoch die in der Kategorie des natürlichen Gesetzes gegebene Möglichkeit fehlt, das Handeln säkularer Streitgenossen »as truly human, and, in some sense, truly good« zu würdigen (273, vgl. 279).
Abschließend legt McCormack nahe, dass eine Theologie, die es möglich macht, »to confess a common faith«,»can only come into existence where representatives of both great communions seek to further develop their own theologies with the questions and concerns of the conversation-partners firmly in mind« (283). Der Band ist dafür ein Vorbild und eine Ermutigung.