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Ausgabe:

Oktober/2014

Spalte:

1143–1145

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bili, Niko

Titel/Untertitel:

Jerusalem an jenem Tag. Text und Botschaft von Sach 12–14.

Verlag:

Würzburg: Echter Verlag 2008. 376 S. m. Abb. u. Tab. = Forschung zur Bibel, 117. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-429-02991-3.

Rezensent:

Judith Gärtner

In der Erforschung der zwölf kleinen Propheten hat sich in den 15 Jahren eine Forschungsrichtung etabliert, die sich nicht mehr auf das einzelne Prophetenbuch und seine Auslegung konzentriert, sondern binnentheologisch nach buchübergreifenden Zusammen­hängen fragt, um den Entstehungsprozess vom einzelnen Prophetenbuch zum Zwölfprophetenbuch nachzuzeichnen. In die-sem Forschungskontext ist die Studie von Niko Bili zu Sach 12–14 zu verorten, die als überarbeitete Fassung seiner 2006 von der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck angenommenen und von I. Fischer betreuten Dissertation vorliegt. Dabei handelt es sich um eine am Endtext orientierte, synchrone Arbeit, die Text und Botschaft von Sach 12–14 intertextuell im Zwölfprophetenbuch ver-ortet und die Bedeutung und Funktion dieser Prophetie für das Zwölfprophetenbuch zu bestimmen sucht.
Nach einer sehr knapp gehaltenen Einleitung folgen die zwei großen Abschnitte der Arbeit. Im ersten Abschnitt (I.) widmet sich der Vf. dem Text von Sach 12–14, den er in sechs Unterabschnitten analysiert: erstens die Großeinheit in Sach 12–14, zweitens die Übersetzung des hebräischen Textes (27–35), drittens ein Vergleich mit der Septuaginta (36–88), viertens die Gliederung (89–134), fünftens die Einbettung von Sach 12–14 in das Sacharjabuch (135–181) und sechstens die Verbindungen mit dem Zwölfprophetenbuch (182–255). Der mit »Botschaft« überschriebene zweite große Ab­schnitt der Studie (II.) profiliert nach einem Vergleich mit Jes 60 (258–281) die drei Sach 12–14 prägenden und theologiegeschichtlich relevanten Konzeptionen: erstens die Rolle und Bedeutung Jerusalems (282–308), zweitens die Bedeutung der Völker (309–327) sowie drittens die Eigenarten des sacharjanischen Gottesbildes mit der Fokussierung auf den Durchbohrten in Sach 12,10 (328–358). Die Studie schließt mit einem Rückblick, in dem die wichtigsten Er­gebnisse zusammengefasst werden (359–362), sowie mit einem Literaturverzeichnis und einem Bibelstellenregister.
Die Schwerpunkte der ersten vier Kapitel unter I., die der philologischen Erarbeitung des Textbereichs dienen, liegen auf dem Vergleich mit der LXX (I.3) sowie der vom Vf. vertretenen Gliederung (I.4). Im Hinblick auf den Vergleich des masoretischen Textes mit LXX muss der Vf. resümieren, dass keine schwerwiegenden Differenzen zwischen beiden Varianten auszumachen seien (88). Dennoch verweist er aber zu Recht auf zwei interessante Tendenzen. Zum einen vermeidet die LXX in Sach 12,8 einen direkten Vergleich des Hauses Davids mit Gott, indem die LXX nicht von Gott, sondern vom Haus Gottes spricht. Zum anderen weist die LXX eine die Gewaltsprache abmildernde Tendenz auf, die mit ihrem Interesse an einem heilvollen Ende ohne Sanktionen einhergeht (vgl. das Weglassen der Sanktionen in Sach 14,17; 72–74). Die sich anschließende Gliederung versucht, die Multiperspektivität des Textbereichs mit den Mitteln der Filmkunst aufzufangen. Daher arbeitet der Vf. mit der Kategorie »Filmblick«, die vor allem mit dem Mittel der »Vorausblende« eine in sich konsistente Ereignisfolge aus Sach 12–14 zu rekonstruieren versucht. Die auf diese Weise entstandene Gliederung folgt dann aber in weiten Teilen den in der Literatur üblichen Auffassungen (Sach 12,1; 12,1–8; 12,9–13,1; 13,2–6; 13,7–14,2; 14,3–5; 14,6–11; 14,12–15; 14,16–21). Entscheidend für den Vf. ist der Zusammenhalt des Abschnitts Sach 13,7–14,2, den er als Grundlage für die gesamte literarische Einheit Sach 12–14 versteht und inhaltlich als Prüfung von Land und Stadt beschreibt. Problematisch an dieser Einschätzung ist aber, dass die neuartige Überschrift in Sach 14,1 ignoriert werden muss, durch die das in Sach 14 Folgende erstmals als Tag für JHWH angekündigt wird.
Die hieran anschließende vorgenommene Untersuchung der literarischen Verbindungslinien von Sach 12–14 mit dem Sacharjabuch (I.5) basiert auf einer sorgfältigen Auswertung der von Sach 12–14 ausgehenden intertextuellen Bezüge. Diese werden erstens als einfache Fortsetzung, zweitens als Realisierung und drittens als Vervollständigung der Prophetie von Sach 1–9 in Sach 12–14 be­schrieben.
Die literarische Einbindung in das Zwölfprophetenbuch (I.6) erschließt sich der Vf. wiederum auf der Grundlage intertextueller Verbindungslinien, die sowohl Lexeme als auch Motive umfassen können. Auch hier erarbeitet der Vf. vier Kategorien, anhand derer er die Bezüge in das Zwölfprophetenbuch hinein beschreibt: ers­tens die Weiterführung (Das Kommen Gottes aus Sach 14,5 wird in Mal 3,2 fortgeführt), zweitens die positive Wende (Das letzte Vorkommen der Aussage »mein Volk« in Sach 13,9 wendet die negative Aussage des ersten Vorkommens in Hos 2,13 in sein Gegenteil), drittens der Höhepunkt (Das Thema Jerusalem findet seinen Höhepunkt in Sach 14), viertens der Abschluss (Die Völkerfrage wird in Sach 12–14 abschließend beantwortet).
Darüber hinaus kristallisieren sich aufgrund der Bezüge in das Zwölfprophetenbuch hinein die zentralen Konzeptionen, die unter dem zweiten großen Abschnitt Botschaft (II.) entfaltet werden. Hierbei handelt es sich um die Bedeutung Jerusalems, der Völker sowie um die Eigenart des sacharjanischen Gottesbildes. Auf Letzterem liegt der theologische Schwerpunkt dieses Abschnitts. Dabei fokussiert der Vf. diese Frage auf das Verständnis des Durchbohrten aus Sach 12,10. Er vertritt die These, »dass hier tatsächlich JHWH als Objekt von ›durchbohren‹ gemeint ist und dass damit zum einen die Untreue der Gemeinschaft, zum anderen die Solidarität Gottes mit dem Leiden des Menschen dargestellt ist« (328 f.). Die Durchbohrung sei, so der Vf., als eine Zusammenfassung aller Untreue Israels gegen Gott zu verstehen und stelle wie Ex 32 ein Sinnbild für die Schuld Israels schlechthin dar. Nur durch die Geistausgießung, die einen Blick auf den Durchbohrten ermöglicht, der zur Klage und damit zur Erkenntnis der Schuld führe, könne es zur Erneuerung des Bundes kommen (Sach 13,9).
Die Studie beschließt der Vf. mit einer bereits in der Einleitung angedeuteten gesamtbiblischen These, mit der er die Solidarität Gottes mit dem Durchbohrten sinnbildlich für das Leiden der Menschen als Begründung für die Rezeption dieser Stelle in Joh 19,37 postuliert, in der das Bild auf den Gekreuzigten angewendet werde (358).
Insgesamt bietet diese rein synchron angelegte Analyse von Sach 12–14 im Kontext des Sacharja- sowie des Zwölfprophetenbuches ein vertiefendes Verständnis dieses Textbereichs. Methodologisch aber wirft die Studie die altbekannte Frage nach der Gewichtung der lexematischen und motivlichen Bezüge auf. Eine solche Diskussion vermisst man in der vorliegenden Studie leider. Sie ist aber deswegen von großer Notwendigkeit, um die sprachlichen Verbindungen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auswerten zu können.
Inhaltlich aber bestätigt die Studie auf ihre Weise erneut, dass die Trias von Jhwh, Jerusalem und den Völkern einen zentralen theologiegeschichtlichen Fragehorizont darstellt, dessen Bedeutung für den Abschluss des Zwölfprophetenbuchs nicht zu unterschätzen ist. In diesem Sinn bietet die Studie einen anregenden Beitrag zur Zwölfprophetenforschung.