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Ausgabe:

September/2014

Spalte:

1012–1014

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Thüringer Pfarrerbuch.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. Bd. 4: Die reußischen Herrschaften. Hrsg. v. d. Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte. Bearb. v. P. Heller. 2004. 388 S. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-374-02179-6. Bd. 5: Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt. Hrsg. v. d. Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte. Bearb. v. O. u. E. (†) von Einsiedel unter Mitarbeit v. Ch. Klingbeil, S. Michel u. A. Zapf. 2011. 348 S. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-374-02783-5. Bd. 6: Das Herzogtum Sachsen-Altenburg. Hrsg. v. d. Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte, vertreten durch S. Michel. Bearb. v. Th. Walther. 2013. 725 S. Geb. EUR 119,00. ISBN 978-3-374-03051-4.

Rezensent:

Christopher Spehr

Pfarrerbücher sind ein unentbehrliches Hilfsmittel für mikrologische Ortsstudien und biographische Feldstudien. Sie dienen als Nachschlagewerke der Kirchen-, Regional-, Sozial- und Familiengeschichtsforschung und bieten in ihrer gebotenen Begrenztheit streiflichtartige Einblicke in vergangene Lebensläufe. Oft in entsagungsvoller Detailarbeit über Jahre bis Jahrzehnte hin entstanden, bilden sie in gewisser Weise das Gedächtnis der jeweils bearbeiteten landeskirchlichen Landschaft.
Nachdem 2009 recht zügig das zehnbändige Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen (ThLZ 134 [2009], 188–190) abgeschlossen werden konnte, reift das seit 1995 herausgegebene Thüringer Pfarrerbuch deutlich langsamer heran. Diese bisweilen mühsam an­mutende Buchentstehung hängt zum einen mit der Vielfalt der bis 1918 existierenden Landeskirchen auf Thüringer Gebiet zusammen, von denen sich sieben 1920 – Reuß ältere Linie erst 1934 – zur Thüringer Evangelischen Kirche zusammenschlossen. Zum anderen resultiert das Vorgehen aus einem 1992 innerhalb der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte gefassten Beschluss, auf eine terminlich gestaffelte Veröffentlichung des Pfarrerbuches im Umfang der ehemaligen thüringischen Herrschaftsgebiete zuzugehen. Begrenzt wurden die Pfarrerbiogramme auf den Zeitraum von der Reformation bis zum Ende der eigenständigen Landeskirchen 1918/20 bzw. 1934, so dass ein lebendiges Erinnerungswerk der lutherischen Kirchentümer entstehen konnte. Etwas bedauerlich ist bei dieser sowohl pragmatisch als auch historisch nachvollziehbaren Entscheidung, dass die mittelalterlichen Geistlichen nicht berücksichtigt werden. Es wären an den Orten, für die Namen hätten ermittelt werden können, vorreformatorische Einträge sinnvoll gewesen. Erfreulicherweise brechen die biographischen Informationen zu den Pfarrern, Diakonen und Vikaren nicht mit dem Ende der Landeskirchen ab, sondern werden bis zum Ruhestand oder Tod des Amtsinhabers – auch über die landeskirchliche Wirkungsstelle hinaus – fortgeführt.
In rascher Folge konnten bis zum Jahr 2000 drei Bände vorgelegt werden: Band 1 zum Herzogtum Gotha (1995), Band 2 über das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen (1997) und Band 3 zum Großherzogtum Sachsen(-Weimar-Eisenach) – Landesteil Eisenach (2000). Seit Band 4 erscheint das von einer Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Thüringische Kirchengeschichte in Zusammenarbeit mit dem Landeskirchlichen Archiv Eisenach verantwortete Pfarrerbuch in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig. Der 2004 erschienene Band wurde von Paul Heller bearbeitet und versammelt die Geistlichen der reußischen Herrschaften. Über die wechselvolle und komplexe Geschichte der als Lehnsträger der Wettiner wirkenden, ihre persönliche Reichsunmittelbarkeit aber erhaltenden Herren von Reuß, aus denen sich schließlich das Fürstentum Reuß ältere Linie mit Greiz als Regierungsort und das Fürstentum Reuß jüngere Linie mit Gera herausbilden sollte, informiert eine dreiseitige Einführung, deren Autor leider nicht genannt wird. Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass es sich dabei um den Bearbeiter Heller handeln muss. Für die näheren Umstände der beiden Landeskirchen, deren institutionen- und theologiegeschichtlichen Entwicklungen umfänglicher hätten dargeboten werden dürfen, wird auf den Aufsatz Der Pfarrerstand in den reußischen Herrschaften von der Reformation bis zum Ende des Territorialkirchentums 1533–1920/34 (Herbergen der Christenheit 18 [1993/94], 45–66) verwiesen.
Der sechs Jahre später herausgegebene Band 5 enthält 1179 Biogramme der Geistlichen des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Die instruktive Einführung in die Geschichte des aus der Oberherrschaft am Thüringer Wald mit dem Amt Leutenberg und der Unterherrschaft an der Hainleite (Frankenhausen, Schlotheim) bestehenden Territoriums ist – diesmal gekennzeichnet – konzis von Stefan Michel verfasst und gliedert sich in die Abschnitte Landes- und Kirchengeschichte. Besonders instruktiv ist hier die theologiegeschichtliche Entwicklung dieses aus sechs Ephorien und 66 Pfarrstellen bestehenden Kirchenwesens. Aufschlussreich ist die Charakterisierung der 1676 am Rudolstädter Hof durch den Juris­ten Ahasverus Fritsch (1629–1701) gegründeten »Neuen geistlich-fruchtbringenden Jesusgesellschaft«, die nach Michel »nichts mit dem Pietismus« zu tun habe, sondern eine eigenständige Frömmigkeitsform akzentuiere.
Nach nur drei weiteren Jahren erschien 2013 der mehr als doppelt so umfangreiche, von Thomas Walther bearbeitete Band 6 über die Geistlichen des Herzogtums Sachsen-Altenburg. Die umsich-tige, von Ernst Koch verfasste Einführung in das Territorium Sachsen-Altenburg veranschaulicht dessen wechselvolle geschichtliche Entwicklung einschließlich der Umpfarrung verschiedener altenburgischer Ortschaften. 1603 aus einer Landesteilung des Hauses Sachsen-Weimar entstanden, existierte es bis 1672 als selbständiges Reichsfürstentum, wurde zwischen 1680 und 1826 in Personalunion mit dem Herzogtum Sachsen-Gotha regiert und 1826 als eigenes Herzogtum Sachsen-Altenburg neu gebildet. Seit 1612 wirkte in Altenburg ein eigenes Konsistorium als Oberbehörde.
Der Aufbau der vorliegenden Bände folgt einem festgelegten Schema. Nach einem Geleitwort der Arbeitsgruppe und der Einführung ins Territorium orientieren ein Literaturverzeichnis und ein Abkürzungsverzeichnis den Nutzer. Innerhalb des Quellenverzeichnisses hätte die Verzeichnung der Privatarchive in Band 4 (13) der Vollständigkeit wegen geboten werden müssen. Jeweils eigens für die Pfarrerbücher angefertigte Gebietskarten, die den Umfang der Landeskirche in ihren Grenzen von 1918 abbilden, bieten wertvolle Ergänzungen. Die Verzeichnung der Gemeinden auf den Karten im Band 6 stellt gegenüber den Karten von Band 4 und 5 einen deutlichen Gewinn dar. Gleichwohl hätte auch hier der Kartograph namentlich genannt werden dürfen. Es folgen die Pfarrstellenlisten, die chronologisch aufgebaut und alphabetisch nach Orten gegliedert sind. Das durchnummerierte Verzeichnis der Pfarrer nimmt den überwiegenden Teil des Buches ein. Hier werden neben den zentralen biographischen Daten, zu denen auch die Familienverhältnisse gehören, aussagekräftige Zusatzinformationen geboten. Durch Literaturverweise am Ende jedes Biogramms lassen sich weitere Informationen problemlos erschließen. Ein umfangreiches Personen- und Ortsregister steigert den Gebrauchswert der ansprechend layouteten Thüringer Pfarrerbücher.
Es steht zu hoffen, dass die noch fehlenden Bände möglichst zügig erscheinen werden. Dass auch die Biographien der Pastorinnen und Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, die von 1920 bis Ende 2008 existierte und am 1. Januar 2009 mit der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fusionierte, in der vorliegenden Reihe erfasst werden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.