Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2014

Spalte:

995–997

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Koller, Aaron J.

Titel/Untertitel:

The Semantic Field of Cutting Tools in Biblical Hebrew. The Interface of Philological, Semantic, and Archaeological Evidence.

Verlag:

Washington: The Catholic Biblical Association of America 2013. XXII, 356 S. = Catholic Biblical Quarterly Monograph Series, 49. Kart. US$ 32,00. ISBN 0-91517048-5.

Rezensent:

Wolfgang Zwickel

Es ist eine höchst verdienstvolle Aufgabe, der sich Aaron J. Koller mit seiner Monographie gestellt hat: die Verbindung von philologischer und archäologischer Zugangsweise bei der Bestimmung eines hebräischen Begriffes zu suchen.
In seiner Einleitung macht der Vf. deutlich, dass es diese Wechselwirkung zwischen beiden Disziplinen immer gab und dass sie für eine sinnvolle Lexikographie unerlässlich ist. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem hebräischen Vokabular für Holzver- und -bearbeitung. Da das überlieferte Vokabular nicht vollständig ist und es unter Umständen auch noch weitere Werkzeugbegriffe in biblischer Zeit gab, werden auch spätere Quellen wie z. B. die Mischna mit herangezogen, um eine möglichst vollständige Materialbasis zu haben. Mit Hilfe von antiken Bildern werden die unterschied- lichen Gerätschaften dann näher bestimmt und gesammelt. Anschließend werden die jeweils einschlägigen Bibelstellen mit entsprechenden Begrifflichkeiten ausführlich besprochen, der lexikographische Sinngehalt bestimmt und entsprechende Textinformationen über Aussehen und Funktion der Gerätschaften gesammelt. Dank der so gesammelten Daten, zum Teil auch aufgrund von rabbinischen Texten sowie diverser Übersetzungen (z. B. LXX, Vulgata, Peschitta), ist es möglich, eine relativ genaue Bestimmung der Gerätschaften durchzuführen, die es wiederum erlaubt, ar­chäologische Artefakte für die nähere Erklärung heranzuziehen. Werkzeuge ändern sich in der Regel nur in sehr langfristigen Epochen, da sie funktional sein müssen und nicht irgendwelchen Modeeinflüssen unterliegen; allerdings wird dies nicht ausdrücklich durch eine Darstellung der Entwicklung der Werkzeuge vom 3. Jt. v. Chr. bis zum 1. Jt. n. Chr. belegt. Aus diesem Grunde ist insbesondere die Heranziehung von rabbinischen Quellen und eingeschränkt auch der Versionen methodisch durchaus zulässig. Für die einzelnen Begriffe (konkret werden behandelt: garzän, qardom, kelapot, kaššil, maššor, megera, macazad, maqzucot) er­weist sich die Arbeit insbesondere auf lexikographischer Ebene insbesondere für die rabbinischen Texte als eine wahre Fundgrube.
Andererseits muss bemängelt werden, dass für die Untersuchung nicht alle einschlägige Literatur herangezogen wurde. Vor allem ist das Fehlen zweier grundlegender deutscher Publikationen zu bemängeln. Zum einen wird unter den hebräischen Lexika weder die 17. noch die 18. Ausgabe des Gesenius herangezogen, immerhin das bahnbrechende Lexikon der hebräischen Sprache zu seiner Zeit und bis heute zumindest eines der zentralen Lexika in diesem Bereich. Gesenius hat auch immer wieder archäologische Studien miteinbezogen (vgl. U. Hübner, Biblische Archäologie und hebräische Lexikographie im Hebräischen Handwörterbuch von Gesenius, in: St. Schorch/E.-J. Waschke [Hrsg.], Biblische Exegese und hebräische Lexikographie [BZAW 427; Berlin/New York 2013], 458–483), und dies gilt bis in die aktuelle 18. Auflage genauso. Am Beispiel des Beitrages zu qardom »Axt« (35–50) soll aufgezeigt werden, welche Potentiale bei einer konsequenten Heranziehung dieses Beitrages möglich gewesen wären. Gesenius (ich lege für die nachfolgenden Ausführungen die 18. Auflage zugrunde) verweist noch auf SirB 40,16. Ob dieser Hinweis wirklich sprachlich mit dem Wort zu verbinden ist, kann natürlich bestritten werden. Dieses Beispiel zeigt jedoch ein grundlegendes Problem der Arbeit des Vf.s: Das Stellenverzeichnis führt zwar biblische, akkadische und rabbinische Quellen an, aber keine einzige der zwischentestamentlichen Literatur. Das ist sicherlich ein Manko, denn diese Literatur, die größtenteils nur auf Griechisch vorliegt, hätte über die LXX-Übersetzungen vielleicht noch weitere wichtige Hinweise geben können. Gesenius führt mit Rosenberg, ZAW 25, 337 auch noch eine Abhandlung zum Mittelhebräischen auf, die vom Vf. nicht herangezogen wurde, obwohl sie einschlägig relevant wäre. Gesenius verweist dann auf G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina II, 125, wo sich eine kurze, aber äußerst informative Darstellung des antiken Gebrauchs der Axt und seiner konkreten Verwendung auf dem Hintergrund ethnologischer Studien findet. Die grundlegende Untersuchung von Dalman, die noch immer zu den Standardwerken in unserem Fach zählt und sowohl den biblischen als auch den rabbinischen und modernen Sprachgebrauch untersucht und mit dem Alltag im 19. Jh. verbindet, wird vom Vf. nicht näher herangezogen. Gesenius verweist dann auf die 2. Auflage des Biblischen Reallexikons (hrsg. von K. Galling), gleichfalls ein unverzichtbares und weltweit anerkanntes grundlegendes Standardwerk, das Koller nicht heranzieht. Dort findet man auf den S. 23–26 einen umfassenden, die Entwicklung der Axt abhandelnden Abschnitt aus der Feder von H. Weippert. Auf dieselbe Literatur wäre man übrigens gestoßen, wenn man HALAT als Lexikon verwendet hätte (verwen det wird an ganz wenigen Stellen die englische Übersetzung HALOT). Dass zwei führende Lexika die identische Literatur verwenden, zeigt deutlich, dass es sich dabei nicht um nebensächliche Randliteratur handelt, sondern um grundlegende, die Forschung weiterführende und damit unverzichtbare Forschungsbeiträge. Ähnliche kritische Anmerkungen lassen sich übrigens bei allen anderen Wortuntersuchungen des Vf.s in analoger Weise machen.
Aber nicht nur die lexikographische Seite der Arbeit zeigt Schwächen, auch die archäologische. Die Abbildungen in dem Band zeigen Gegenstände des 2. Jt.s (in Kapitel 2: Fig. 2,1; 2,2; 2,3; 2,7; 2,9; 2,10; 2,11) und der ersten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. (Fig. 2,4; 2,5; 2,6; 2,12; 2,13). Andere Abschnitte weisen weniger Abbildungen auf, die Tendenz ist jedoch die gleiche. Die Konstanz der Gerätschaften vom 2. Jt. v. Chr. bis zum Ende der rabbinischen Texte hätte zumindest an einem oder zwei Beispielen aufgezeigt werden müssen, um analog eine Konstanz der Terminologie behaupten zu können.
In analoger Weise werden in Kapitel 3 die landwirtschaftlichen Geräte und in Kapitel 4 die Gerätschaften für die Steinbearbeitung behandelt. Kapitel 4, mit über 50 Seiten ein höchst umfangreiches Kapitel, widmet sich der Bestimmung von ḥäräb »Schwert«. Dieser Begriff wird zunächst inhaltlich näher bestimmt: Es handelt sich um »a bladed implement meant for cutting animate beings whose handle and blade are on the same axis« (176). Mit Hilfe von Parallelbegriffen wird dann versucht, den Terminus näher zu bestimmen, ebenso werden rabbinische Texte hinzugezogen. Dies alles führt dazu, dass es sich bei ḥäräb um einen Begriff handelt, der Schwerter oder Dolche meint, die in Scheiden aufbewahrt wurden und die zum Töten dienten. Letztlich ist damit aber nicht viel an neuer Erkenntnis gewonnen.
Der vorletzte Abschnitt ist dann dem Scher- und Schreibermesser (hebr. tacar, morah) gewidmet. Auch dieser Ab­schnitt wird methodisch wieder wie die vorangehenden behandelt. Im An­schluss werden einige ägyptische Bilder zu Scher- und Schreibermessern gezeigt. Kapitel 7 beschäftigt sich schließlich mit Gen 49,5, wo das schwer zu deutende Hapaxlegomenon mkrtyhm am Ende des Satzes steht. Er schlägt eine Herleitung von mkrh »Schwert« vor. Ein abschließendes Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen. Das um­fangreiche Literaturverzeichnis umfasst rund 70 Seiten. Stellen-, Wort-, Autoren- und Sachregister beschließen den Band.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich hierbei um ein wichtiges, vor allem die rabbinische Literatur ausführlich würdigendes Werk zur exakten archäologischen Bestimmung von Ge­rätschaften handelt. Auf der anderen Seite weist die Arbeit in lexikographischer Hinsicht doch erhebliche Mängel auf, weil grundlegende lexikographische Werke nicht oder nicht in der nötigen Breite herangezogen wurden.
Gleiches gilt für die Archäologie, die sich eigentlich nur an der vorchristlichen Zeit orientiert, aber die spätere Entwicklung nicht wahrnimmt. Hier wäre es nötig gewesen, nicht einzelne Bilder, die die gewählte Übersetzung illustrieren können, herauszugreifen, sondern eine analoge Entwicklungsgeschichte wie beim Wortgebrauch darzustellen. Gerade weil auf sprachlicher Ebene ein großer Bogen gespannt wird und von der Konstanz eines Begriffes ausgegangen wird, sollte auf archäologischer Ebene eine parallele Untersuchung erfolgen, die Gerätschaften des 1. vor- und nachchristlichen Jh.s einschließt. Hier wird leider die Archäologie wieder zu einer Hilfswissenschaft degradiert. Methodisch weiterführend wäre es sicherlich gewesen, für die einzelnen Gerätschaften die Fundorte und -zusammenhänge zu untersuchen, um so auf rein archäologischem Weg eine Funktionsbestimmung vornehmen zu können.