Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2014

Spalte:

951–953

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Ueding, Gert [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Historisches Wörterbuch der Rhetorik Online.

Verlag:

Berlin u. a.: De Gruyter 2013. EUR 1.990,00. [Der Zugang beinhaltet den vollständigen Textbestand folgender Bände: Bd. 1–9: A–Z. Tübingen: Niemeyer 1992–2009, Bd. 10: Nachträge A–Z. Berlin u. a.: De Gruyter 2012].

Rezensent:

Wilfried Engemann

Mit wenigen Klicks ins Universum der Geisteswissenschaften – so könnte man diese Rezension überschreiben. Mit dem Historischen Wörterbuch der Rhetorik wurde 2012 eines der größten geisteswissenschaftlichen Editionsprojekte vollendet, die es je gegeben hat. (Das Erscheinen des Registerbandes als Band 11 ist noch für 2014 vorgesehen.) Dass ein solches Opus, das 25 Jahre lang mit fachlicher Leidenschaft und äußerster Sorgfalt begleitet wurde, nicht nur in Buchform und digitalisiert vorliegt, sondern schon jetzt vollständig online zugänglich ist, ist nicht weniger als ein Meilen- oder noch besser gesagt, ein Leugenstein in der geisteswissenschaftlichen Forschungslandschaft. Das hängt natürlich – zunächst und unmittelbar – mit der Qualität und Relevanz der in diesem Werk versammelten, gründlich redigierten Texte zusammen, die bei Weitem nicht nur für »die Rhetorik« als einer eigenen Disziplin von grundlegender Bedeutung sind. Auch Literaturwissenschaftler, Philosophen, Theologen, Pädagogen, Geschichtswissenschaftler, Rechtswissenschaftler und andere am zeitgenössischen Diskurs der Geisteswissenschaften Interessierte greifen mit Gewinn auf diese Edition zurück, um ihre Argumentation zu schärfen und Reflexionsperspektiven zu vertiefen.
Die Theologische Literaturzeitung ist in ausführlichen Rezensionen auf die einzelnen Bände eingegangen und hat den Erscheinungsprozess der Bände begleitet. Vgl. ThLZ 127 (2002), H.1, 104–107; ThLZ 133 (2008), H. 6, 703–706; ThLZ 135 (2010), H. 9, 934–937; ThLZ 137 (2012), H. 7/8, 864. Hier ist nicht der Raum dafür, erneut auf die damit verbundenen Beobachtungen, Analysen und Bewertungen einzugehen. Stattdessen sei auf die besonderen Möglichkeiten der Online-Nutzung hingewiesen, die der Verlag de Gruyter den Leserinnen und Lesern eröffnet.
Um es vorwegzunehmen: Es gibt keine Form der elektronischen Recherche, die mit diesem sich weitgehend selbst erklärenden On­line-Zugang zum HWRh nicht möglich wäre: Differenzierte Suchkriterien erschließen für ca. 1.300 Artikel eine uneingeschränkte, mit Kombinationen und Ausschließungen verknüpfbare Recherche sowohl im Volltext als auch spezifiziert nach Lemmata, Schlagworten, Sachgruppen, Personen, Literatur und Artikelautoren. Dadurch ist es z. B. möglich, vollständige Register zu jedem beliebigen Wort (selbst von einzelnen Komposita eines Wortes) zu erstellen, oder – sofern die Nutzung des Gesamtregisters zu um­fangreich erscheint – dieses Wort nur in bestimmten Zusammenhängen, bei bestimmten Autoren, in Hauptartikeln oder Literaturlisten zu suchen.
So ergibt z. B. die Eingabe von »Predigt« in der Volltextrecherche folgende Differenzierungen (in Auswahl):
Predigt, Predigtabhandlung, Predigtamt, Predigtanalyse, Predigtanlage, Predigtanlässe, Pre­digtanleitungen, Predigtanregungen, Predigtanspruch, Predigtanweisungen, Predigtapplikationen, Predigtarten, Predigtarbeit, Predigttätigkeit, Predigtteile, Predigttext, Predigtthema, Predigttheorie, Predigttradition, Predigttraktat, Predigttyp, Predigtüberlieferung, Predigtverbot, Predigtverständnis, Predigtvollmacht, Predigtvorbereitung, Predigtvorbild, Predigtvorgang, Predigtvorschriften, Predigtweise, Predigtwerk, Predigtwesen, Pre­digtwildwuchs, Predigtwirken, Predigtwirklichkeit, Predigtwirkung, Predigtwort, predigtzentriert, Predigtzeugnisse, Predigtzweck, Predigtzyklen.
Mit einem Klick kann man sich für eine erste Übersicht die Lemmata, Schlagworte, Sachgruppen usw. anzeigen lassen, die sich auf eines dieser Worte beziehen, deren Bestandteil »Predigt« ist, oder Schlagwortlisten in Verknüpfung mit den Namen der Personen aufrufen, die über das entsprechende Thema gearbeitet haben. Ebenso ist es möglich, auf einen Klick einen vollständigen Überblick darüber zu bekommen, in welchen Artikeln Literatur zu finden ist, die den Begriff »Predigt« im Titel hat.
Es würde zu weit führen, alle Möglichkeiten der Recherche hier aufzulisten. Die Beispiele mögen genügen, um den zusätzlichen Ge­winn zu markieren, den dieser Online-Zugang gegenüber der Buchform des Werkes bietet. Für jeden geisteswissenschaftlich ambitionierten Nutzer eröffnet sich mit dieser Form der zuverlässigen Informationsgewinnung eine neue Dimension wissenschaftlicher Arbeit, und zwar nicht nur als neuer Modus der Recherche zur Füllung von Informationslücken. Es gibt viele andere Situationen, in denen Forscherinnen und Forscher auf Ressourcen dieser Art angewiesen sind, z. B. bei der Überprüfung von Vermutungen, beim Entwickeln von Hypothesen oder beim Vergleichen von Konzepten. Angesichts der automatisch angebotenen, immer sachgerechten Modifizierungen und Differenzierungen anhand von Begriffen er­füllen die Suchoptionen auch eine Reminder-Funktion. Sie stellen Zusammenhänge her, die man u. U. übersehen hat. Last but not least ermöglicht der Zugriff auf die Online-Version HWRh eine schnelle und vor allem verlässliche Form der Ergebnissicherung.
Wer sich mit der Online-Version des HWRh vertraut macht, wird rasch die Unterschiede in Qualität und Funktionalität erkennen, die ein solches Werk gegenüber allgemein »googlebaren«, sich wissenschaftlich gebenden Informationen aufweist. Während man auf diesen Seiten oft auf krude Falschinformationen, auf Halbrichtiges, Scheininformationen oder einfach ins Leere stößt, findet man hier nicht nur genau das, wonach man sucht, sondern es werden ausschließlich sinnvolle, stimmige, angemessene Empfehlungen für einen noch komplexeren Blick auf das gerade bearbeitete Thema angeboten.
Der Abstand zu sonstigen Online-Angeboten zeigt sich auch in der Art der Präsentation der Themen und Texte: Die Einblendungen der Such-Ergebnisse sind so arrangiert, dass man nie mit dem gesamten Volltext konfrontiert wird, sondern selbst entscheiden kann, wie viel (Kon-)Text man angezeigt bekommen will. Diese Übersichtlichkeit ist gerade für längeres Online-Lesen und -Arbeiten ausgesprochen komfortabel.
Da die auf inhaltliche Kohärenz bzw. sachliche Stringenz ausgerichteten Such- und Verknüpfungsparameter weder durch vage Empfehlungen irritieren noch durch irrelevante Optionen überfordern, können Nutzer mit ganz verschiedenen Kompetenzen und Vorkenntnissen von diesem Werk Gebrauch machen. In der Rhetorik beheimatete Forscher können unmittelbar auf die ihnen vertraute klassische rhetorische Nomenklatur zurückgreifen (wie z. B. Argumentatio, Metapher, Redner), andere Nutzer können nach eigenem Bedarf mit Termini operieren, die eher interdisziplinär relevant sind (wie z. B. Biographie, Hermeneutik, Illustration, Oratorium, Predigt). Aber auch solche Nutzer, die mit rhetorischen Be­griffen im Kontext der modernen Forschung argumentieren wollen (wie z. B. im Kontext der Fernseh- und Radiorhetorik), werden den Online-Zugang des HWRh als verlässliche Quelle schätzen lernen.
Für jegliche Art geisteswissenschaftlich interdisziplinärer Forschung wird mit dieser Form der Präsentation des HWRh ein geordnetes Universum an Wissen zugänglich, auf das man nicht mehr verzichten möchte, wenn man den Online-Zugang einmal genutzt hat. Aufgrund des ebenso komplexen wie genauen und differenzierten Verweissystems, der umfassenden Verschlagwortung, der zusätzlichen Suchmöglichkeiten unter anderem nach Literatur usw. – demnächst kommt die Möglichkeit der Fremdsprachensuche noch hinzu – ist der Online-Zugang der gedruckten Version in vielerlei Hinsicht überlegen. Die unbegrenzte Nutzung all dieser Möglichkeiten kostet 1.990,00 Euro. Dies dürfte aber für das, was geboten wird, ein angemessener Preis sein – zumal, wenn man sich vor Augen hält, welch hohe Summen sonst an Universitäten für studienassistenz-basierte Recherchen zur Verfügung gestellt werden (müssen). Erfreulicherweise räumt der Verlag den zeitlich begrenzten Zugriff auf die Datenbank auf Basis eines Mietvertrags ein, so dass man auch nur für die Dauer eines konkreten Projekts von den beschriebenen Recherchemöglichkeiten Gebrauch ma­chen kann.
Alles in allem kann man die Nutzung der zusätzlichen Option des »HWRh Online« nur empfehlen. Was hier versucht und mit Erfolg umgesetzt wurde, zeigt mustergültig Sinn und Gewinn des Nebeneinanders von gedruckten und digital zugänglichen Informationen – vorausgesetzt, sie sind es aus inhaltlichen Gründen wert, zur Kenntnis genommen zu werden. Und daran kann beim HWRh kein Zweifel bestehen.