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Ausgabe:

Juli/August/2014

Spalte:

934–935

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Freudenberg, Matthias

Titel/Untertitel:

Reformierter Protestantismus in der Herausforderung. Wege und Wandlungen der reformierten Theologie.

Verlag:

Berlin u. a.: LIT Verlag 2012. 360 S. = Theologie: Forschung und Wissenschaft, 36. Kart. EUR 39,90. ISBN 978-3-643-11747-2.

Rezensent:

Cla Reto Famos

Dieser Band umfasst eine Reihe von Beiträgen, die mit einer Ausnahme alle schon einmal an anderer Stelle publiziert worden sind. Die Texte wurden in wenigen Fällen gekürzt oder ergänzt und gehen in Bezug auf ihre Erstpublikation bis ins Jahr 1997 zurück, wobei die meisten Publikationen in den letzten zehn Jahren erfolgt sind. Es handelt sich damit um die Zusammenfassung von verstreuten Texten eines Vf.s unter einer gemeinsamen thematischen Klammer. Zugleich ist dieses Buch Teil einer eigentlichen Welle von Publikationen, die bis zum Reformationsjubiläum wohl noch weiter anschwellen wird. Trotz dieser leisen Kritik ist das Buch meines Erachtens aus zwei Gründen sehr lesenswert. Erstens ist Matthias Freudenberg – Professor für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel und Landespfarrer bei der Evangelischen Studierendengemeinde in Saarbrücken – ein bekannter Calvin- und Barth-Forscher. Und zweitens gibt die Zusammenstellung der Texte in der vorliegenden Form trotz einer gewissen Heterogenität einen interessanten Überblick zu zentralen Themen reformierter Theologie.
Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt. Abschnitt A trägt die Überschrift »Einsichten und Wirkungen der Theologie Johannes Calvins« und enthält sieben Beiträge, die sich mit den großen Themen der calvinischen Theologie wie etwa dem Gottesverständnis, dem Freiheitsbegriff, der Prädestination, dem Kirchenbegriff oder der Wirtschaftsethik befassen. Zugleich wird mit Bezügen zu Barmen und Barth eine Perspektive geschaffen, die sich als roter Faden durch das ganze Buch zieht.
Abschnitt B trägt den Titel »Reformierte Theologie im Wandel« und umfasst Beiträge zu Calvins Katechismus, zum Heidelberger Katechismus, aber auch zur Aufnahme der Hugenotten in Erlangen, eine Studie zu Melanchthon, eine andere zu Alfred de Quervain sowie weitere Texte zum dreifachen Amt Christi und zum Freiheitsbegriff in der reformierten Theologie. Die Unterschiedlichkeit der Texte ist nicht nur thematisch, sondern auch vom Duktus her spürbar, was auch auf die diversen Zusammenhänge der ersten Publikation zurückzuführen ist.
Der letzte Abschnitt C trägt den Titel »Karl Barths Rezeption der reformierten Theologie« und umfasst Beiträge, die eine breite Zeitspanne umfassen: von der Einrichtung der Professur für Reformierte Theologie an der Georg August-Universität Göttingen und der Berufung Karl Barths auf diese Professur über Karl Barths Wahrnehmung der reformierten Theologie vor 1921, zu Barths Zwingli-Vorlesung (inklusive der berühmten Klettermetapher »[…] und Zwingli vor mir wie eine überhängende Wand«) bis zu zwei Beiträgen zum Thema der Konfessionalität bei Barth und seinem im Laufe der Jahrzehnte entwickelten Verständnis der Menschlichkeit Gottes.
Die Texte sind jeder für sich genommen interessant und lehrreich. Der am Anfang des Buches erkennbare Versuch, die protes­tantische Theologie an den großen Wegmarken der reformierten Theologie abzuarbeiten, wird allerdings nur bedingt durchgehalten. Die beiden Pole Calvin und Barth sind deutlich erkennbar. Ein im Vorwort genannter dritter Pol – Zwingli – hingegen wird im weiteren Verlauf des Buches nicht wirklich als eigenständiger theologiegeschichtlicher Wendepunkt, sondern als Station der Entwicklung Barthscher Theologie behandelt. Und die weiteren Beiträge insbesondere im mittleren Abschnitt erscheinen zuweilen doch etwas eklektisch und zufällig; hier gelingt es dem Vf. wenig überraschend nur bedingt, eine gemeinsame Perspektive deutlich zu machen.
Insgesamt ist das Buch nicht – wie das der Titel implizieren könnte – eine fokussierte Darstellung der Herausforderungen des reformierten Protestantismus bis heute, wohl aber eine Fundgrube von Beiträgen zu verschiedenen Aspekten der reformierten theologischen Diskussion, die jeder für sich – wie beispielsweise die Texte zur bleibenden Bedeutung von Calvins Prädestinationslehre oder zu den Umständen und Hintergründen der ersten akademischen Station Barths in Göttingen – durchaus sehr interessant und anregend sind.